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www.fondsprofessionell.de| 1/2017
abgewälzt“, berichtet er. Es werde aber im
Gegenteil überhaupt erst der Einstieg in eine
vernünftige Kapitalanlage ermöglicht.
Ganz anders sieht das der Gesamtverband
der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
„Altersvorsorge braucht nicht nur eine Parti-
zipation an den Chancen der Kapitalmärkte“,
sagt Peter Schwark, Mitglied der GDV-Ge-
schäftsführung. Es sei auch ein Mindestmaß
an Planbarkeit und Schutz notwendig. Eine
reine Beitragszusage, verknüpft mit einem
Garantieverbot, würde Arbeitnehmer selbst in
der Rentenphase den Schwankungen der
Kapitalmärkte aussetzen, ohne dass sie sich
dagegen absichern könnten. „Das wird die be-
triebliche Altersversorgung eher schwächen
als stärken“, ist Schwarks Ansicht.
Schwankungen ausgleichen
Oskar Goecke, Professor für Versicherungs-
mathematik und Kapitalmarkttheorie am
Institut für Versicherungswesen (IVW) an der
Technischen Hochschule Köln, glaubt das
nicht. „Ohne Garantien kann es natürlich zu
Schwankungen in der Wertentwicklung von
bAV-Konten kommen“, sagt er. In der Aus-
zahlungsphase sei es außerdem möglich, dass
die betriebliche Rente gekürzt wird, wenn die
Kapitalmärkte nach unten gehen. „Aber ers-
tens kann auch die gesetzliche Rente ange-
passt werden, wenn bestimmte Umstände es
erfordern“, erklärt Goecke. „Und zweitens
kommt es ja gerade darauf an, Schwankungen
auszugleichen“, sagt er.
Goecke ist ein Verfechter des kollektiven
Sparens ohne Garantien. Dahinter steht das
Konzept, dass Vorsorgeeinrichtungen einen
großen Investitionstopf aufbauen, der breit di-
versifiziert am Kapitalmarkt anlegt. „Ein sol-
ches Altersvorsorgesystem muss aber resilient
sein, das heißt, es muss elastisch auf Störun-
gen von außen reagieren können“, erläutert
der Experte. Damit Schwankungen an den
Kapitalmärkten nicht zu Verwerfungen füh-
ren, werden bei kollektiven Sparmodellen
Reserven gebildet. Dafür werden Jahresge-
winne nicht komplett an die Sparer ausge-
schüttet, sondern zum Teil zurückgehalten.
„Ich vergleiche das Prinzip immer mit einer
Talsperre, in der Wasser für Zeiten gestaut
wird, in denen es knapp ist“, sagt Goecke.
Natürlich seien solche Reserven keine
Wunderwaffe. „Vermutlich wird auch nicht
jeder Arbeitnehmer auf Anhieb verstehen,
dass kollektives Sparen deutlich mehr bringen
kann als Modelle mit Garantien“, so der Wis-
senschaftler. Immerhin seien die Bundesbür-
ger an feste Zusagen gewöhnt. „Garantien, die
über Jahrzehnte laufen, können meiner An-
sicht nach heute aber höchstens noch Staaten
geben, nicht aber Versicherer“, so Goecke.
Absurdes Theater
Warum viele Unternehmen aus der Asseku-
ranz Sturm gegen das Garantieverbot laufen,
erschließt sich Goecke nicht vollständig.
„Selbstverständlich sind Garantien der Kern
von Lebensversicherungsprodukten, daher
fällt es sicher schwer, umzudenken“, überlegt
er. Und ja, sie seien ein Alleinstellungsmerk-
mal der Versicherer. „Das Garantieverbot
bezieht sich aber einzig und allein auf das So-
zialpartnermodell“, sagt Goecke. In der bis-
herigen bAV bleibt die Möglichkeit, Garantien
zu geben, schließlich bestehen. „Außerdem ist
es doch absurd, dass viele Versicherer kaum
noch wissen, wie sie die hohen Zusagen aus
der Vergangenheit stemmen sollen, gleichzei-
tig aber unbedingt weiterhin Garantien geben
wollen“, findet Goecke.
Genau das könnte allerdings der Knack-
punkt sein: Die Beiträge aus neu abgeschlos-
senen Policen mit niedrigen Garantien fließen
in denselben Deckungsstock, dem auch die
hoch verzinsten Altverträge aus der Vergan-
genheit zugeordnet sind. Da ein solcher
Deckungsstock eine Art Sammelsurium aus
alten und neueren Verträgen ist, liegt der
durchschnittliche Garantiezins im Bestand der
Versicherer der Kölner Ratingagentur Asse-
kurata zufolge derzeit bei 2,95 Prozent. „Um
die Zinslast weiter zu senken, benötigen Ver-
sicherer gering verzinste Policen“, sagt ein
Experte, der namentlich nicht genannt werden
möchte. Wird das Garantieverbot im Sozial-
partnermodell so umgesetzt wie derzeit ge-
plant, entgehen den Versicherern in dieser
bAV-Variante jedoch die Neuabschlüsse mit
niedriger Garantieverzinsung.
Goecke kann nicht beurteilen, ob das wirk-
lich der Grund für den Sturm ist. „Klar ist
aber, dass für die Versicherer die alten Garan-
tien eine enorme Belastung darstellen, und die
Zuführungen zur Zinszusatzreserve künftig
kaum noch Spielraum für Überschussbeteili-
gungen lassen“, sagt er. Goecke zweifelt da-
her, ob die klassische Lebensversicherung für
junge Arbeitnehmer in der bAV noch attraktiv
ist. Er fände sie gut – eine ganz neue bAV-
Welt ohne Garantien.
ANDREA MARTENS |
FP
Oskar Goecke, IVW, TH Köln: „Mir erschließt sich nicht
so ganz, warum viele Versicherer Sturm laufen.“
Marco Arteaga, DLA Piper: „Ein Garantieverbot
ermöglicht erst eine vernünftige Kapitalanlage.“
Mittelmäßig interessant
Antworten auf die Frage, ob der Abschluss einer bAV
beim Arbeitgeber interessant wäre, in Prozent
Für 44 Prozent der 1.001 befragten Arbeitnehmer ist
eine bAV interessant.
Quelle: Yougov bAV-Report 2016
weiß nicht
/keine
Angaben
8 %
trifft
überhaupt
nicht zu
26 %
trifft eher
nicht zu
22 %
trifft
eher zu
32 %
trifft
voll und
ganz zu
12 %