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www.fondsprofessionell.de

| 1/2017

bank & fonds I

vir tual reality

Foto: © othree, Duale Hochschule, Engram

W

er bei der britischen Lloyds Bank zu

einem Einstellungsgespräch einge-

laden wird, dem kann es passieren,

dass er nicht mehr einem Personaler aus

Fleisch und Blut gegenübersitzt, sondern statt-

dessen eine Datenbrille aufgesetzt bekommt.

Der Bewerber taucht damit in eine künstliche,

am Computer erstellte Welt ein, kann sich dort

frei bewegen und mit Objek-

ten interagieren. In

der Scheinwelt der

Virtual Reality (VR)

löst der Bewerber

dann Aufgaben, die für seinen zukünftigen

Job relevant sein sollen.

Lange Historie

Die Idee von virtuellen Welten ist keine Er-

findung des 21. Jahrhunderts, sie treibt die

Menschen schon länger an. „In dem 1901

erschienenen Kinderbuch ‚The Master Key‘

findet der Protagonist Rob eine Brille, die

man heute als Datenbrille bezeichnen wür-

de. Sieht man durch diese Brille, kann man

gute von bösen Menschen unterscheiden,

denn auf der Stirn der Menschen erscheint

der Buchstabe ‚G‘ für ‚good‘ oder ‚E‘ für

‚evil‘“, so Stefan Heng, Professor an der

Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Erste Versuche mit echten Datenbrillen

gab es in den 1950er- und 1960er-Jahren.

Wegen der anfangs sehr hohen Preise für

Hard- und Software und der enormen

Komplexität der Geräte war die Technik da-

mals jedoch noch der Wissenschaft, dem

Militär und der Großindustrie vorbehalten.

Mittlerweile ist die Technik jedoch erheblich

günstiger zu haben. „Das Einsatzfeld spannt

sich weit über das Entertainment hinaus bis

hin zu Bildung, Gesundheit und Prozessopti-

mierung, hier insbesondere auch im Kontext

des Megathemas Industrie 4.0“, so Heng.

Jetzt möchten auch deutsche

Banken VR für den Vertrieb nutzen. Der-

zeit testen die Sparkassen aus Detmold-Pader-

born, Berlin und Würzburg den Einsatz von

Datenbrillen im Beratungsgespräch mit priva-

ten Anlegern. „Wir wollen die Beratung emo-

tionalisieren. Eine Segeljacht oder ein Sport-

wagen ist an sich schon sexy, da muss der

Verkäufer nur noch einen geeigneten Rahmen

schaffen. Dies ist bei Bankprodukten weitaus

schwieriger“, erklärt Jens Wünderlich von der

Firma Engram, die für das Projekt „View“ das

technische Know-how beisteuert.

Dabei soll VR die traditionelle Beratung,

die in der Filiale stattfindet, nicht ersetzen,

sondern sinnvoll ergänzen. „Im Beratungs-

prozess stößt selbst der versierteste Be-

rater manchmal auf Hinder-

nisse“, so Wünderlich.

„Wenn beispielsweise

im Fondsvertrieb ein

Totschlagargument in

der Art von ‚Wertpa-

piere sind nichts für

mich‘ kommt, kann

der Berater dem Kun-

den die VR-Brille

überreichen und da-

durch Hürden über-

winden.“

In der dreidimensio-

nalen Welt betritt der

Anleger dann beispiels-

weise eine virtuelle

Küche, in der ein Joghurt von Danone im

Kühlschrank steht und der Autoschlüssel von

BMW auf dem Tisch liegt. Wenn die Augen

des Kunden die Gegenstände fokussieren,

erfährt er, dass diese ihm bekannten und viel-

leicht sogar geschätzten Alltagsgegenstände

von börsennotierten Unternehmen stammen,

deren Aktien er kaufen könnte und somit

praktisch deren Miteigentümer würde.

3-D-Filme erklären Fonds

„Gerade bei Kunden mit wenig Wertpa-

piererfahrung können die neuen Darstel-

lungsmöglichkeiten die Beratung sehr gut

unterstützen“, sagt Dirk Huppert von der

Deka, die auch beim Projekt mitmacht

(siehe Interview Seite 312). Das Fonds-

haus der Sparkassen fängt mit den Grund-

lagen an und erklärt mithilfe von selbst

erstellten 3-D-Filmen die Funktionsweise

von Wertpapieren und Investmentfonds.

Damit möchte man insbesondere jüngeren

und technikaffinen Kunden die Fondsan-

lage näher bringen – und den Beratungs-

prozess lebendiger gestalten. VR kann

Immer mehr Branchen nutzen Virtual Reality. Auch Banken experimentieren mit

digitalen Scheinwelten. So testen einige Sparkassen Datenbrillen in der Beratung.

Virtuelle

Hilfe

Früher waren

Virtual-Reality-Brillen

sehr teuer. Heute reicht eine

Halterung aus Karton, mit der das

Smartphone zur VR-Brille wird.

Prognostizierter Boom

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte

traut dem Virtual-Reality-Markt große Sprünge zu.

Quelle: Deloitte

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