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www.fondsprofessionell.de| 1/2017
die eine mit Anleihen vergleichbare Rendite
bieten“, so der Berater einer Volksbank aus
Hamburg, der Kunden ab einem anlagefähi-
gen Vermögen von 100.000 Euro betreut.
„Exotische Strukturen mit spekulativem Cha-
rakter werden bei uns nicht geordert.“
Es überrascht somit nicht, dass aktuell rund
70 Prozent des Umsatzes im Sekundärmarkt-
geschäft auf einfache Discountzertifikate mit
neun bis 15 Monaten Restlaufzeit entfallen.
Für die Ertragsseite der Banken bedeutet diese
Entwicklung jedoch einen Einschnitt. „In den
komplexen Produkten der vergangenen Jahre
konnten Finanzintermediäre höhere Vertriebs-
provisionen besser verstecken. Dies ist heute
aufgrund der hohen Produktstandardisierung
und des herrschenden Wettbewerbs zwischen
den Emittenten anders“, sagt Krause. „Die
durchschnittliche Marge beträgt aktuell zwi-
schen 1,0 und 1,5 Prozent. Vor zehn Jahren
waren das in der Regel zwei Prozent mehr.“
Erwerb über die Börse
Damals waren Bankberater in Sachen Zer-
tifikate fast ausschließlich auf Zeichnungsan-
gebote aus dem eigenen Haus angewiesen. So
war es üblich, dass die örtliche Sparkasse Pro-
dukte der Landesbanken anbot und die Volks-
bank auf die Strukturen der DZ Bank verwies.
Heute sieht die Welt ganz anders aus. Mittler-
weile lohnt sich der Weg über die Börse, da
eine große Zahl von Emittenten auch Provi-
sionen für Zertifikate zahlen, die Banken über
den Sekundärmarkt handeln.
In der alten Welt galt der Erwerb von
Strukturen über die Börse noch als Tabu, da
neben den Order- und Depotbankgebühren für
die Bank keine zusätzlichen Erträge erzielt
werden konnten. Jetzt profitiert auch der Kun-
de von der größeren Auswahl, er kann pass-
genauer beraten werden und so sein ge-
wünschtes Auszahlungsprofil erhalten. Insbe-
sondere der gehobene Privatkundenvertrieb
nutzt das reichhaltige Angebot der rund
600.000 Anlagezertifikate, die an der Frank-
furter und der Stuttgarter Börse notieren.
Abseits der Garantieprodukte können
Bankberater ihren Kunden zahlreiche Alter-
nativen anbieten. Neben den Discountzertifi-
katen profitierten auch Express- und Bonus-
strukturen, die einen partiellen Schutz des in-
vestierten Kapitals bieten, von den volatilen
Wertpapiermärkten. Denn die höheren Kurs-
schwankungen sorgen für attraktive Preise für
die Optionen, die den strukturierten Produkten
innewohnen. Dies kommt auch den Kunden
zugute. So erzielten Anleger mit Expresszerti-
fikaten auf den Euro Stoxx, die sich mit einem
Sicherungslevel von 70 Prozent zufrieden ga-
ben, 2016 im Schnitt ein Plus von 11,4 Pro-
zent. Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld macht
sich das auch imAbsatz bemerkbar. Allein die
in Expressstrukturen und Aktienanleihen in-
vestierten Beträge summieren sich inzwischen
auf 18,8 Milliarden Euro. „Der Trend einer
verstärkten Nachfrage nach Teilschutzproduk-
ten wird sich nach unserer Einschätzung auch
in diesem Jahr fortsetzen“, sagt DDV-Ge-
schäftsführer Lars Brandau.
Dezente Zurückhaltung
Trotz der eigentlich guten Rahmenbedin-
gungen scheint vor und hinter dem Bank-
schalter jedoch eine gewisse Scheu vor Zerti-
fikaten zu bestehen. Viele Anleger und Berater
halten die Papiere für zu komplex. „Tatsäch-
lich sind strukturierte Produkte nicht komple-
xer, häufig aber transparenter als alternative
Anlagen“, so Wissenschaftler Johanning. „So
kennen Anleger und Berater wie beim ETF
den Basiswert und das Auszahlungsprofil.“
Auch die Diskussion um ein Verbot von
Bonitätsanleihen hat sicherlich nicht zur Be-
lebung des Marktes beigetragen. Die Branche
hat zwar schnell mit einer Selbstverpflichtung
reagiert und konnte den drohenden Bann ab-
wenden (siehe Kasten unten). Das Volumen
dieser Papiere – zuletzt immerhin fast sechs
Milliarden Euro – dürfte auf absehbare Zeit
dennoch sinken, erwarten Branchenkenner.
„Bonitätsabhängige Schuldverschreibungen
stehen auf der Beobachtungsliste der Bafin,
dies wird für den Produktabsatz grundsätzlich
nicht förderlich sein“, sagt Dericon-Chef
Krause: „Die Compliance Officer der Banken
möchten sicherlich keine zusätzlichen Haf-
tungsrisiken eingehen.“
Auch wenn sich viele Anlageberater eher
zurückhalten, gibt es durchaus Wertpapier-
experten, die gern mit strukturierten Papieren
arbeiten. Denn ein Vorteil von Zertifikaten im
Kundendepot ist die relativ hohe Umschlags-
Andreas Krause, Dericon: „Der Kreativwettbewerb, den
wir vor der Lehman-Krise gesehen haben, ist vorbei.“
Bonitätsanleihen: Selbstverpflichtung contra Produktverbot
Drohendes Verbot:
Nachdem die Finanzaufsicht Bafin
Mitte 2016 ein mögliches Verbot der sogenannten Boni-
tätsanleihen ins Spiel gebracht hat, reagierte die Branche
schnell. In einer Selbstverpflichtung, die aus insgesamt
zehn Punkten besteht, gelobten die Deutsche Kreditwirt-
schaft (DK) und der Deutsche Derivate Verband (DDV)
Besserung – und verpflichteten sich zu mehr Transparenz
und Anlegerschutz. Dadurch konnte das drohende Ver-
triebsverbot nach Paragraf 4b Wertpapierhandelsgesetz
für Anleihen, deren Zins- und Rückzahlung von einem so-
genannten Kreditereignis abhängig ist, verhindert werden.
Die wichtigsten Punkte:
Um private Anleger besser
zu schützen, wird mehr Klarheit in die Begrifflichkeiten
gebracht. Zukünftig dürfen Bonitätsanleihen
ausschließlich als „bonitätsabhängige Schuld-
verschreibungen“ bezeichnet und vermarktet
werden. Gleichzeitig werden die Produkte nur
noch mit einer Mindeststückelung von 10.000
Euro emittiert, dadurch fallen Kleinanleger als
Zielgruppe heraus. Damit ausschließlich risi-
kobereite Kunden in diese Produktart investie-
ren, ist der Vertrieb darüber hinaus lediglich
an Anleger ab Risikobereitschaftsstufe 3 er-
laubt. Und Zertifikate, die mehrere Referenz-
schuldner als Basiswert besitzen, dürfen nur
noch angeboten werden, wenn damit eine tatsächliche Ri-
sikostreuung für den Kunden erreicht wird.
Bafin beobachtet:
Die Gefahr eines
Verbots ist jedoch noch nicht vollständig
gebannt. „Wir werden in den nächsten
sechs Monaten sehr genau beobachten,
ob die Selbstverpflichtung Privatanleger,
die in bonitätsabhängige Schuldver-
schreibungen investieren, in ausreichen-
dem Maße schützt“, sagt Elisabeth Roe-
gele, die für den Verbraucherschutz zu-
ständige Exekutivdirektorin der Bafin. So-
weit dies nicht vollständig sicherzustellen
sei, werde die Aufsicht erneut Produkt-
interventionen einleiten. Bis dahin stelle sie diese zurück
– allerdings nur vorläufig.
Bafin-Exekutivdirektorin
Elisabeth Roegele