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www.fondsprofessionell.de

| 1/2017

häufigkeit, was für regelmäßige Gesprächs-

anlässe sorgt. Fonds oder Vermögensverwal-

tungen werden in der Regel länger gehalten.

„Mit der Anlage in Zertifikaten kann ich eine

schöne Fälligkeitsstruktur in die Depots brin-

gen“, so der Bankberater aus Hamburg.

Unternehmen wie Dericon oder EDG, ein

Tochterunternehmen der VWD-Gruppe, hel-

fen Banken dabei, den Überblick über den

Markt zu behalten und Beratungsprozesse

rechtssicher zu gestalten. So bietet Dericon ei-

ne Plattform, auf der der bankinterne Produkt-

manager die Rahmendaten für die Zertifikate

vorgibt. Dericon filtert die passenden Papiere

heraus, aus denen der Berater für seinen Kun-

den dann eine individuelle Auswahl trifft.

Factsheets, Produktinformationsblätter und

das Reporting liefert Dericon zu. Derzeit nut-

zen Bankbetreuer von rund 60 Instituten im

Tagesgeschäft die Plattform. Es ist also durch-

aus möglich, auch andere Zertifikate zu ver-

treiben als die einst beliebten Kapitalschutz-

papiere. Die Berater müssen sich nur trauen,

sie auch anzubieten.

MARCUS HIPPLER |

FP

bank & fonds I

zer tifikate

Foto: © WHU – Otto Beisheim School of Management

Lutz Johanning | WHU – Otto Beisheim School of Management

„Zertifikate sind sehr

transparent

Lutz Johanning von der WHU – Otto Beisheim School of Management über Zertifikate in Privatanlegerportfolios,

Alternativen zu Garantieprodukten und die Frage, wie Berater die Papiere sinnvoll einsetzen können.

L

utz Johanning ist seit 2007 Inhaber des

Lehrstuhls für Empirische Kapitalmarkt-

forschung an der privaten Hochschule

WHU in Vallendar bei Koblenz. Er ist Mit-

glied im wissenschaftlichen Beirat des Ver-

bands unabhängiger Vermögensverwalter und

berät auch den Deutschen Derivate Verband.

Herr Johanning, für welche Kategorien

von Privatanlegern eignet sich dieAnlage

in Zertifikaten? Auch für Kleinanleger?

Lutz Johanning:

Grundsätzlich eignen sich

Zertifikate für alle Anlegergruppen, also auch

für Kleinanleger. Das gilt für alle Produkte,

deren Funktionsweise, Kosten und Risiken

transparent sind und solange die Anlagen ins-

gesamt gut diversifiziert sind. Bei Zertifikaten

sind die Basiswerte sowie die Auszahlungs-

profile, Kosten und Risiken typischerweise

sehr transparent.

Privatanleger zeichneten früher oft kapi-

talgeschützte Zertifikate. Diese Produkt-

art hat es derzeit aufgrund des niedrigen

Zinsniveaus sehr schwer. Müssen Anle-

ger zukünftig auf Garantien ganz ver-

zichten? Welche Papiere könnten die

Garantiezertifikate ablösen?

Im Niedrigzinsumfeld können Anleger mit

Kapitalgarantien kaum noch Renditen erzie-

len. Das trifft nicht nur Zertifikate mit Kapi-

talschutz, sondern auch andere Anlagen wie

das beliebte Tagesgeld. Anleger müssen des-

halb nicht auf Garantien verzichten, aber sie

müssen sich mit einem Kapitalerhalt bezie-

hungsweise nach Inflation sogar mit einem

kleinen Kapitalverlust zufrieden geben. Ist ein

Anleger bereit, ein geringes, aber doch etwas

höheres Risiko als die Vollabsicherung einzu-

gehen, gibt es interessante Alternativen. Dazu

zählen Discountzertifikate, Aktienanleihen

und Expresszertifikate mit sehr konservativen

Ausstattungen. Anleger können mit solchen

Produkten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine

Rendite erzielen, aber es können eben auch

Verluste eintreten. Wie immer bei der Kapital-

anlage müssenAnleger also Risiko- und Ren-

diteerwartung gegeneinander abwägen.

Wie können Bankbetreuer strukturierte

Produkte in der Endkundenberatung

sinnvoll einsetzen?

Zertifikate bieten häufig Anlagealternativen

und sinnvolle Ergänzungen. Beispielsweise

ähnelt das Auszahlungsprofil einer sehr siche-

ren Aktienanleihe dem einer Fest- oder Spar-

geldanlage. Selbst im Negativfall erhält der

Anleger die Aktie, die sich im Zeitverlauf

noch erholen kann. Entscheidend für die

Endkundenberatung ist die Gegenüberstellung

von Renditemöglichkeiten, Risiken und Kos-

ten für den Anleger sowie die Einordnung in

das bestehende Portfolio. Für die Kosten- und

Risikotransparenz hat der Branchenverband

DDV Standards etabliert, die ab 2018 über die

EU-PRIIPs-Verordnung in ähnlicher Form für

alle verpackten Anlageprodukte wie Fonds

und Lebensversicherungen angewendet wer-

den müssen. So wird ein transparenter Ver-

gleich der verschiedenenAnlageformen in der

Beratung ermöglicht.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die „Zer-

tifikate von der Stange“ im Endkunden-

bereich langsam aussterben und jeder

Kunde individuell nach seinem Risiko-

profil zukünftig sein „eigenes Zertifikat“

erstellt bekommt?

Die Anzahl der Plattformen, die den Bau des

eigenen Zertifikats ermöglichen, nehmen zu.

Zertifikate von der Stange werden dennoch

vorerst erhalten bleiben. Die bestehenden

Plattformen bilden die technischen Vorausset-

zungen für den Bau individueller Zertifikate,

zudem sind die Kosten für die Emission sehr

gering. Nur weil ein Produkt individuell

zusammengestellt ist, muss es jedoch nicht

zwangsläufig besser sein als ein Zertifikat von

der Stange. Gerade durch den ausführlichen

Vergleich der vielen verschiedenen Produkte

am Markt können erfahrene Anleger interes-

sante Produktausstattungen aufspüren. Am

Ende entscheiden auch in diesem Fall die

Präferenzen des Anlegers.

MARCUS HIPPLER |

FP

Lutz Johanning, WHU: „Zertifikate bieten häufig Anlage-

alternativen und sinnvolle Ergänzungen.“