

vor der Tür steht. Wir konnten das nicht ver-
stehen und fragten uns: Haben wir etwas
übersehen? Darum haben wir damals viel mit
den Unternehmen gesprochen – und ein ganz
anderes Feedback bekommen als in der Fi-
nanzkrise 2008. Darum haben wir die Quote
an Exportwerten und Small Caps sogar noch
erhöht. Das hat sich 2012 dann voll bezahlt
gemacht. Wir müssen uns höchstens ankrei-
den lassen, dass wir das Portfolio in dieser
Phase besser taktisch abfedern hätten sollen.
Im Lehman-Jahr 2008 war uns das übrigens
gelungen, da schnitt der DWS Deutschland in
einer Abwärtsphase deutlich besser ab als der
Markt. Auf der anderen Seite partizipieren wir
auch nicht immer überproportional an steigen-
den Kursen. Die Jahresendrally 2016 haben
wir zum Beispiel nicht eins zu eins mitge-
macht, obwohl unser Investitionsgrad über
100 Prozent lag. Der Grund dafür ist, dass
Qualitätsaktien, die wir favorisieren, deutlich
schlechter liefen als Zykliker und Banken.
Sie hatten eben den Investitionsgrad an-
gesprochen. Gibt es da Unterschiede zwi-
schen den Fonds?
Auch da ist es so, dass der Aktien Strategie
Deutschland am aggressivsten ist, dort kann
der Investitionsgrad auch mal 130 Prozent be-
tragen. Mit dem Investa würden wir nur bis
rund 110 oder 115 Prozent gehen, der DWS
Deutschland liegt irgendwo in der Mitte.
Senken Sie den Investitionsgrad auch
mal deutlich unter 100 Prozent?
Richtung 90 Prozent können wir uns vorstel-
len, 70 oder 80 Prozent eher nicht. Die Asset
Allocation hat ja hoffentlich beim Kunden
stattgefunden. Wenn er uns das Geld gibt, will
er es in deutsche Aktien investiert wissen.
Möchte er nicht am deutschen Aktienmarkt
investiert sein, soll er sein Geld abziehen. Wir
sagen aber auch: Wenn wir sehen, dass sich
an den Märkten Unheil zusammenbraut, füh-
len wir uns in der Pflicht, die Risiken über
den Investitionsgrad etwas abzufedern. Dazu
setzen wir in aller Regel Dax-Futures ein.
Auch das vergangene Jahr war mit Blick
auf die Performance interessant: Sie
schafften es mit dem DWS Deutschland
unter die besten acht Prozent aller Fonds
aus der Morningstar-Vergleichsgruppe.
Der Aktien Strategie Deutschland dage-
gen wäre beinahe im schlechtesten Vier-
tel gelandet. Woran lag das – nach all
den guten Vorjahren?
Der Aktien Strategie Deutschland lag 2015
fast 15 Prozentpunkte vor dem H-Dax. Da
darf es nicht verwundern, dass es im Jahr da-
rauf auch mal weniger gut läuft. 2016 hatte
Henning Gebhardt bei der Investitionsgrad-
steuerung ein nicht ganz so glückliches Händ-
chen wie ich im DWS Deutschland. Zudem
hat natürlich die Rotation raus aus Growth
rein in Value seine Spuren imAktien Strategie
Deutschland hinterlassen.
Sind Sie eigentlich froh, dass diese Rota-
tion schon eingesetzt hat, als Sie noch
nicht für den Fonds zuständig waren?
Mich hätte es natürlich gefreut, wenn der
Aktien Strategie Deutschland auch 2016 bes-
ser abgeschnitten hätte. Wäre die Rotation erst
2017 passiert, hätte es aber womöglich schnell
geheißen: Seht her, die Nachfolger können es
nicht. Da werden schnell die wahren Ursa-
chen einer Underperformance ausgeblendet.
Die Herausforderung, zu beweisen, dass unser
Team den Fonds auch ohne Henning Geb-
hardt erfolgreich managen kann, bleibt aber
ohnehin groß.
Der DWS Aktien Strategie Deutschland
nimmt seit März 2016 kein frisches Geld
mehr an. Der Fonds wurde nach hohen
Mittelzuflüssen bei rund drei Milliarden
Euro gesperrt, um die Anlagestrategie
nicht verwässern zu müssen. Gab es
denn hohe Abflüsse – auch wegen Hen-
ning Gebhardts Abgang?
Aus dem Fonds kann per Definition nur Geld
abfließen, denn wir nehmen ja keine neuen
Mittel mehr an. Dennoch ist das Minus nicht
so hoch, wie wir es mit Blick auf Henning
Gebhardts Abschied befürchtet hatten. Der
Fonds verwaltet immer noch 2,8 Milliarden
Euro. Größere Abflüsse gab es schon nach
dem Brexit-Votum der Briten. Da begannen
Investoren, generell Geld aus Europa-Aktien-
fonds abzuziehen. Unsere Fonds wurden in
Sippenhaft genommen, obwohl sich deutsche
Unternehmen in Sachen Gewinnentwicklung
nicht verstecken müssen.
Wann würden Sie den Fonds wieder für
neues Geld öffnen?
Die Kapazität der Anlagestrategie ist mit dem
steigenden Markt etwas größer geworden.
Doch erst bei signifikanten Mittelabflüssen
könnten wir überlegen, den Fonds zu öffnen.
Ein solcher Schritt muss aber gut überlegt
sein. Denn wir wollen vermeiden, zu schnell
Gefahr zu laufen, erneut an die Kapazitäts-
grenze zu stoßen.
Vielen Dank für das Gespräch.
BERND MIKOSCH |
FP
markt & strategie I
tim albrecht | deutsche asset management
94
www.fondsprofessionell.de| 1/2017
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Wenn wir sehen, dass sich an
den Märkten Unheil zusammen-
braut, fühlen wir uns in der Pflicht,
die Risiken über den Investitions-
grad etwas abzufedern.
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Tim Albrecht, Deutsche AM
Foto: © Christoph Hemmerich
Tim Albrecht: „Was nicht geht, wäre eine Haltung nach dem Motto: Das ist mein Lieblingsfonds, den habe ich schon
immer gemanagt, da kommen die besten Titel rein, und die anderen Fonds behandeln wir stiefmütterlich.“