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www.fondsprofessionell.de

| 1/2017

versicherung, das wir fokussiert zur Wieder-

anlage ablaufender Lebensversicherungen an-

bieten. Der Kunde zahlt dabei einen einmali-

gen Betrag von, sagen wir, 100.000 Euro ein

und muss sich dann nach maximal fünf

Jahren Aufschubzeit entscheiden, ob er das

angesparte Kapital verrenten oder ob er das

Geld wieder abziehen möchte.

Sie erwähnten, dass die Gothaer den

Schwenk hin zur fondsgebundenen Ver-

sicherung früher als andere vollzogen

hat. Was bedeutet das vor dem Hinter-

grund, dass mit der anstehenden Umset-

zung von IDD und Mifid II auch eine

Geeignetheitserklärung für die Vermitt-

lung von Fondspolicen Pflicht werden

soll? Segen oder Fluch für den Vertrieb?

Kurtenbach:

Darauf gibt es eigentlich nur eine

ambivalente Antwort. Zunächst mal ist es na-

türlich ein Fluch, und zwar – das zeigt die Er-

fahrung aus der Umsetzung von Paragraf 34f

der Gewerbeordnung – für beide Seiten, für

Kunden und für Vermittler. Ganz einfach, weil

ein Beratungsprotokoll oder demnächst eine

Geeignetheitserklärung ja nicht zwingend die

Beratungsqualität erhöhen, wie die Praxis

zeigt. Andererseits ist es insofern ein Segen,

als künftig sozusagen für alle Marktteilnehmer

die gleichen Voraussetzungen gelten und es

damit zu einer standardisierten Beratung des

Kunden auch im Hinblick auf komplexe Ver-

sicherungsanlageprodukte kommen wird. Eine

für mich noch offene Frage ist, ob der Gesetz-

geber bereit sein wird, die Bedarfsermittlung

gegenüber dem Kunden wirklich an die Be-

ratungspraxis anzupassen. Denn so wie es

heute in der Beratung läuft, geht es in vielen

Fällen noch am wirklichen Kundenbedarf vor-

bei. Die Ermittlung der Risikotragfähigkeit ei-

nes Kunden wird doch noch immer bestimmt

von dem jeweiligen Produkt, ob nun Fonds

oder Fondspolice, zu dem der Kunde gerade

beraten wird. Hier stimmen Praxis und Rege-

lungswut überhaupt nicht überein.

Sie meinen, es müsste zu einer Art ganz-

heitlichem Blick in der Beratung kom-

men, über das einzelne Produkt hinaus?

Kurtenbach:

Ganz genau. Heute ist es doch

so, dass IDD und Mifid II gewissermaßen ne-

beneinander herlaufen. Wer eine fondsgebun-

dene Rente erwerben will, erhält unter Um-

ständen eine ganz andere Risikoklassifizie-

rung als bei einem vielleicht zusätzlich abge-

schlossenen Fondssparplan oder einem Ein-

malinvestment in Fonds. Und zwei Bera-

tungsprotokolle oder demnächst Geeignet-

heitserklärungen erhält er obendrein. Das ver-

steht doch kein Kunde mehr, das ist einfach

nicht praxistauglich – gerade weil es in Zu-

kunft darauf ankommen wird, Fondswelt und

Versicherungswelt stärker zu verzahnen. Wir

sind da im Vergleich zu anderen Gesellschaf-

ten schon einen Schritt weiter, zumindest in

der Fondsberatung.

Was meinen Sie damit konkret?

Kurtenbach:

In der Fondsberatung haben wir

diesen Gedanken insofern bereits umgesetzt,

als dass bei der Fondsauswahl über eine ei-

gens entwickelte Software genau ermittelt

wird, wie ein optimales Portfolio für einen

Kunden in Bezug auf dessen Risikotragfähig-

keit sowie dessen Anlagehorizont zusammen-

gestellt sein sollte. Dafür sind entsprechend

standardisierte Portfolios hinterlegt, auf die

der Vermittler zugreifen kann. Und wenn sich

im Laufe der Zeit entweder an der Lebenssi-

tuation des Kunden etwas ändert oder die Ri-

sikoklasse seiner Fonds nicht mehr stimmt,

dann erhält der Vermittler einen entsprechen-

den Hinweis und kann seinen Kunden darauf

ansprechen. Von daher sind wir im Publi-

kumsfondsvertrieb bereits sehr gut darauf

vorbereitet, den Kunden in seinem jeweiligen

Lebensabschnitt adäquat zu begleiten.

Daraus darf man aber schließen, dass

das für die Bereiche Leben und Fonds-

policen noch nicht der Fall ist, richtig?

Kurtenbach:

Das stimmt, allerdings sind wir

seit dem 1. Januar dabei, das auch für diese

beiden Bereiche umzusetzen und dann auch

gleich mit dem Fondssegment zu verzahnen.

Deshalb haben wir die Gothaer Invest- und

Finanzservice, die bisher im Finanzressort an-

gesiedelt war, in das Ressort Leben eingeglie-

dert, gerade um solche Synergien einer ganz-

heitlichen Beratung nutzen zu können. Damit

haben wir künftig das notwendige Know-how

wie auch die entsprechenden Instrumente, um

den Ansatz, den wir bereits im reinen Fonds-

geschäft umgesetzt haben, auch für die Bera-

tung zu Fondspolicen nutzen zu können. Das

bringt unseren Vertriebspartnern den Vorteil,

ihre Kunden künftig auch über die gesamte

Laufzeit hinweg sinnvoll und auf seine ver-

änderte Lebenssituation hin beraten zu kön-

nen. In der Produktneuentwicklung findet

dieser ressortübergreifende Austausch bereits

heute in ersten Ansätzen statt.

Vielen Dank für das Gespräch.

HANS HEUSER |

FP

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In der Neuentwicklung von

Produkten findet ein ressort-

übergreifender Austausch bereits

heute in ersten Ansätzen statt.

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Michael Kurtenbach, Gothaer Leben

Michael Kurtenbach: „Wer eine fondsgebundene Rente erwirbt, erhält unter Umständen eine ganz andere Risikoklassi-

fizierung als bei einem vielleicht zusätzlich abgeschlossenen Fondssparplan oder dem Einmalinvestment in Fonds.“