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vertrieb & praxis I

michael ritzau | honorarberater und buchautor

Foto: © Fanny Taboada

W

enn Michael Ritzau am antiken

Esstisch in seinem Wohnzim-

mer sitzt und den Blick ins Tal

schweifen lässt, wirkt er völlig ausgegli-

chen. Den Autor eines Buches, das mit

einer ganzen Branche abrechnet, würde

sich der Leser vielleicht eher streitlustig

vorstellen. Doch das ist der gebürtige

Hannoveraner, der in Inzlingen nahe

Basel lebt, keineswegs. Der promovierte

Chemiker ist als Wissenschaftler daran

gewöhnt, Daten zu sammeln, Studien aus-

zuwerten, logische Zusammenhänge her-

zustellen. Viele Jahre war er bei großen

Pharmaunternehmen tätig. 2013 hat er

sich dafür entschieden, seine zweite Lei-

denschaft zum neuen Beruf zu machen –

die Geldanlage. Seitdem ist er selbststän-

diger Honorarberater. Kürzlich hat er sein

Buch mit dem Titel „Die große Fondslüge“

verfasst. Darin geht er mit dem aktiven

Fondsmanagement hart ins Gericht.

Herr Ritzau, im Oktober 2016 ist Ihr

Buch „Die große Fondslüge“ erschienen.

Mit diesem provokanten Titel müsste es

sich ja gut verkaufen. Ist das so?

Michael Ritzau:

Ich habe noch keine Abrech-

nungen bekommen, aber wie ich gehört habe,

sind wohl bisher etwa 2.100 Exemplare ver-

kauft worden, womit ich als unbekannter Erst-

autor sehr zufrieden bin. Nun melden sich

Leute aus ganz Deutschland, die das Buch

gelesen haben und daraufhin von mir beraten

werden wollen.

Wann haben Sie so schlechte Erfahrun-

gen mit aktiv gemanagten Fonds ge-

macht, dass Sie sich entschlossen haben,

in einem Buch mit der ganzen Branche

abrechnen?

Das Buch hatte ich schon lange im Kopf. Ich

bin natürlich wie wir alle in der Schule über-

haupt nicht auf das Thema Geldanlage vorbe-

reitet worden. Als ich meinen ersten Job hatte,

stand ich am Anfang einer langen Lernkurve

und habe zuerst auch in Fonds, die fünf Sterne

bei Morningstar hatten, investiert. Mit Anfang

30 bin ich nach Großbritannien gegangen.

Dort habe ich schließlich Zugang zu wissen-

schaftlichen Studien zur Konsistenz der Wert-

entwicklung von Fonds bekommen. Dabei ist

mir klar geworden, dass es keine vernünftige

Strategie ist, auf die Gewinnerfonds der Ver-

gangenheit zu setzen. Für Spitzenfonds

braucht man nämlich gar keine Spitzenmana-

ger. Man braucht lediglich eine große Zahl an

Fonds und den Zufall.

Den Zufall?

Ja, man kann es sehr gut mit einem Würfel-

experiment vergleichen: Niemand käme auf

die Idee, jemanden, der fünfmal hintereinan-

der eine Sechs gewürfelt hat, als besonders

begabten Würfelspieler anzusehen. Aber ein

Fondsmanager, der fünf Jahre seine Bench-

mark geschlagen hat, gilt als besonders talen-

tiert. Dabei gibt es viele tausende Fonds und

Fondsmanager und deshalb auch eine statt-

liche Anzahl, die ein paar Jahre Glück haben

oder hatten.

Es gibt aber auch extrem erfolgreiche

Fondsmanager, die über viele Jahre hin-

weg eine Outperformance gegenüber

ihrer Benchmark erzielen.

Über viele Jahre hinweg – und dann

nicht mehr. Ein extremes Beispiel ist Bill

Miller, der frühere Manager des US-Ak-

tienfonds Legg Mason Capital Manage-

ment Value Trust. Er hat es geschafft, ab

1990 stolze 15 Jahre hintereinander seine

Benchmark, den S&P 500, zu schlagen.

Ein solches Kunststück ist noch nie einem

anderen Asset Manager gelungen. Aber ab

Januar 2006 verlor Miller in den sieben

Jahren und vier Monaten, in denen er

noch Fondsmanager blieb, auf seinen

Vergleichsindex im Durchschnitt acht

Prozent.

Immerhin hat er aber 15 Jahre lang

sein Können unter Beweis gestellt. Sie

wollen doch nicht im Ernst behaupten,

sein Erfolg sei nur Zufall gewesen.

Natürlich war das eine absolut außergewöhn-

liche Serie. Die Tatsache, dass derselbe Ma-

nager seine gesamte Outperformance binnen

weniger Jahre „verspielte“, spricht jedoch

gegen die These vom Können. Führende

Wirtschaftswissenschaftler wie die von mir im

Buch interviewten Nobelpreisträger Eugene

F. Fama und William F. Sharpe schließen

übrigens nicht aus, dass es begabte Fondsma-

nager gibt. Aber ich halte es mit Sharpe, der

im Buchinterview das echte Kriterium mit

Prognosekraft bei Fonds nennt: „Das Einzige,

was mit einiger Zuverlässigkeit vorhersagt,

welche Investmentfonds in der Zukunft am

besten abschneiden werden, sind ihre laufen-

den Kosten.“

Nun steht es aber jedem Privatanleger

frei, sich für günstige Indexfonds zu ent-

scheiden.

Richtig. Fast alle Fondsanbieter haben eine

Indexfondssparte. Allerdings treiben viele pri-

vate Banken ebenso wie öffentliche Sparkas-

sen und Genossenschaftsbanken auf dem für

Privatanleger bestimmten Teil ihrer Webseiten

ein regelrechtes Versteckspiel mit ETFs.

Die Commerzbank macht aber kein

„Für

Spitzenfonds

braucht ma

»

In einem

transparenten

Fondsmarkt würde sich

das Provisionssystem

ganz von selbst

erledigen.

«

Michael Ritzau, Honorarberater und Autor

Michael Ritzau

, selbstständiger Honorarberater und Autor des Buches

„Die große Fondslüge“

, über das

vermeintliche Können erfolgreicher Portfoliomanager, die fragwürdige Aussagekraft von Fondsratings, seine

Kritik an „Finanztest“ und die Frage, warum Banken ihre ETFs vor Privatanlegern regelrecht verstecken.

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www.fondsprofessionell.de

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