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www.fondsprofessionell.de| 1/2017
vertrieb & praxis I
ausgabeaufschlag
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D
ie 40-jährige Ingenieurin ist seit ihrer
Kindheit treue Kundin der örtlichen
Sparkasse. Vor mehr als 30 Jahren
leerte sie in der Filiale noch ihr Sparschwein,
heute investiert sie regelmäßig fünfstellige
Beträge – eine Traumkundin für das Institut
aus dem Badischen. Doch der jüngste Anla-
gevorschlag, den ihr Berater ihr aushändigte,
hat das Zeug, sie zu vergraulen. Eine seiner
Empfehlungen lautet, ein Fünftel des Erspar-
ten in den Deka-Immobilien Europa zu
stecken – versehen mit fünf Prozent
Ausgabeaufschlag. Der offene Immo-
bilienfonds mag tatsächlich zur Kundin
passen, aber das Agio? In den vergan-
genen Jahren hat der Fonds pro Jahr im
Schnitt nur 2,3 Prozent an Wert gewon-
nen. Behält das Portfolio diese Perfor-
mance bei, wäre die Kundin erst im
dritten Jahr im Plus.
Das Beispiel zeigt, wie überholt der
Ausgabeaufschlag in Zeiten magerer
Kapitalmarktrenditen wirkt. Denn jeder
Cent an Kosten schmälert zusätzlich
noch die ohnehin schon geringen Erträ-
ge. Tatsächlich scheint das Agio ein
Auslaufmodell zu sein. So bieten Direktban-
ken Fonds fast nur noch mit rabattiertem
Ausgabeaufschlag an. Dieses Modell macht
Schule. Auch viele freie Berater lassen mit
sich über die Provision reden, zeigt eine Um-
frage von FONDS professionell unter Fonds-
plattformen und Pools. Zuletzt haben sogar
die großen Filialbanken erkannt, dass ein Stra-
tegieschwenk vonnöten ist. Damit scheinen
die Tage des Ausgabeaufschlags gezählt.
Vor nicht einmal 20 Jahren schien diese
Entwicklung undenkbar. Der Ausgabeauf-
schlag war eine feste Größe im Fondsvertrieb.
„Allein Gespräche über eine Rabattierung des
Agios kamen einer Todsünde gleich“, berich-
tet Dieter Rauch, Geschäftsführer des Ver-
bunds Deutscher Honorarberater (VDH).
Rauch kämpfte seit der Jahrtausendwende
darum, Fonds ohne Aufgeld zu verkaufen.
„Wir stießen damals auf großen Widerstand
der Fondsgesellschaften“, berichtet der Pionier
der Honorarberatung. „Manche ließen uns bei
den Plattformen sperren, oder wir durften die
Fonds nur mit vollem Agio verkaufen.“
Rauch und seine Weggefährten erstellten Ex-
cel-Dateien, um den Kunden den Auf-
preis zurückerstatten zu können.
Die Skepsis gegen den agiofreien
Vertrieb mündete gar in juristischen Schar-
mützeln. „Wir kassierten mehrere Abmahnun-
gen von den Gesellschaften“, erinnert sich
Rauch. „Doch wir haben seither nicht eine
einzige gerichtliche Auseinandersetzung ver-
loren.“ Der Grund für den erbitterten
Widerstand: Die Gesellschaften wollten ihre
anderen Vertriebe nicht verärgern. „Sie fürch-
teten, dass der Verkauf ohne Agio eine Lawi-
ne auslöst“, erläutert Rauch. „In der heutigen
Zeit ist das kaum mehr vorstellbar, welcher
Kampf der Vertrieb ohne Agio war.“
In der Revoluzzer-Rolle
Nach zähen Verhandlungen hatte Rauch mit
Attrax einen Partner gefunden. „Den Verzicht
auf das Agio ließ sich unsere damalige
Depotbank aber teuer bezahlen. Wir
verzichteten im ersten Jahr komplett
auf die Bestandsprovision. Im zweiten
Jahr bekamen wir dann 50 Prozent. Es
dauerte zehn Jahre, bis wir bei 100 Pro-
zent angelangt waren“, erzählt Rauch.
„Heute zahlen wir eine Pauschale an
unsere Depotbanken. Angesichts der
überdurchschnittlich großen Depots
unserer Kunden ist das für die Banken
durchaus attraktiv.“
Neben Rauch und seinen Mitstrei-
tern sägte noch eine weitere Gruppe an
der einstmaligen Institution. „Dank
Onlinebrokern und Direktbanken sind
Lange labte sich der Fondsvertrieb am Ausgabeaufschlag. Doch nun lösen
zeitgemäßere Gebührenmodelle das Agio zunehmend ab – auch in den Banken.
Vom
Aussterben
bedroht
Dinosaurier in der Urzeit-Steppe: Die Tiere konnten sich dem veränderten Umfeld nicht anpassen – und starben aus.
Genauso steht der Ausgabeaufschlag bei Fonds auf der Liste der bedrohten Arten.
Immer häufiger ohne
Langsam, aber kontinuierlich gewinnt der Fondsvertrieb ohne Agio an
Bedeutung.
*Differenz zu 100 %: Rundungsfehler | Quelle: Ebase
0 %
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
2016
2015
2014
%
11
%
45
%
46
%
14
%
39
%
48
%
12
%
41
%
Volles Agio Rabattiertes Agio Ohne Agio