

den Vertrieb hinaus, um die Umsätze zu machen,
und dann ist er der Flaschenhals. Und dann ist
er noch provisionsorientiert. Das halte ich echt
für zu kurz gesprungen. Der Vertrieb hat kein
Zutrauen. Er hat Angst, die Produkte der Emit-
tenten zu empfehlen, weil in der Vergangenheit
zu viel passiert ist, und der Berater will nicht
weitere Kunden verlieren. Das Problem der Ver-
triebe ist, dass sie bis zu zwei Tage in der Woche
vor Gericht sind wegen irgendwelcher Anleger-
schutzanwälte und Emittentenprobleme, die sie
nicht selbst produziert haben. Das macht keinen
Spaß. Außerdem verlieren sie Kunden auch an
andere Segmente wie Investmentfonds. Die
Anbieter, die gut sind, etwa Jamestown, haben
doch gar kein Problem und würden nie sagen,
dass der Vertrieb ein Flaschenhals ist. Sie sagen,
dass es mit den Vertriebspartnern super läuft.
Böcher:
Ich habe 2006 als eines der ältesten
Schiffsemissionshäuser keine neuen Schiffsfonds
mehr gemacht
(gemeint ist die Norddeutsche
Vermögen; Anm.)
. Wir haben uns selbst abge-
schafft, das Emissionshaus ist nachher geschlos-
sen worden. Es ist also nicht richtig, dass man
bei den Schiffen nicht rechtzeitig entgegenwir-
ken konnte. Neue Fonds konnten sich nicht rech-
nen, und uns hat das Zutrauen in den Schiffs-
markt seit 2006 gefehlt. Trotzdem wurden
Schiffe en masse verkauft – und die sind
heute alle pleite. Damit wurde dem Ver-
triebsdruck nachgegeben. Schiffe mit acht
Prozent jährlicher Auszahlung konnten ein-
fach und schnell verkauft werden. Wer sich
damit richtig befasst hat und richtig ausge-
wählt hat, hätte sich zurückgehalten.
Heuser:
Die offenen Immobilienfonds der
großen Anbieter können sich teilweise
nicht vor Mittelzuflüssen retten. Vielleicht
tut sich der geschlossene Fonds gerade
mit Immobilien gegen diese Konkurrenz
schwer, weil die Kunden nicht nachvoll-
ziehen können, warum sie beim geschlos-
senen Fonds so lange gebunden sind,
beim offenen Fonds aber nicht.
Schulz-Jodexnis:
Ich glaube, da wird es eine
böse Überraschung geben. Denn der offene
Immobilienfonds ist durch die ganzen Sper-
rungen für den Kunden gar nicht so offen.
Er kann wegen der Kündigungsfrist nicht
jeden Tag zurückgegeben werden. Aber die
Vertriebsstory funktioniert offenbar sehr gut.
Dem Kundenwunsch nach möglichst kurzen
Laufzeiten muss der Vertrieb mit Argumen-
ten entgegnen. Denn eine direkt gehaltene
Immobilie kann steuerfrei auch erst nach zehn
Jahren verkauft werden. Die Initiatoren haben
einen besseren Marktzugang, und die Fonds
können die Immobilie managen.
Böcher:
2010 haben wir Wohnimmobilien in
Hamburg und Umgebung gekauft, mit denen
wir stabile sechs Prozent Ausschüttung erwarten
konnten. In einem halben Jahr haben wir einen
einzigen Kunden gewonnen, obwohl wir in der
Branche gut verdrahtet sind. Keiner wollte
Wohnimmobilien haben. Seit vier Jahren gibt es
einen Boom. Die Käufer überschlagen sich und
zahlen mittlerweile das 25- bis 30-Fache der Jah-
resmiete für Wohnimmobilien. Aber damals ist
es mir nicht gelungen, dieses Produkt zu platzie-
ren. Also machen wir Brot-und-Butter-Geschäft
mit langfristig vermieteten gewerblichen Immo-
bilien, die wir in erster Linie über Banken ver-
kaufen. Wir wundern uns, warum solche Pro-
dukte im freien Vertrieb nicht ankommen. Meine
Vermutung ist, dass sie zu langweilig sind und
Produkte, die mehr Rendite versprechen, bevor-
zugt werden.
Endlweber:
Meinen Sie, dass der Vertrieb
mehr Rendite fordert oder der Anleger?
Böcher:
Ich glaube, es ist nicht der Anleger.
Wenn wir mit ihm sprechen, versteht er das und
interessiert sich für das Produkt. Aber wir haben
keinen eigenen Vertrieb, insofern sind wir auf
Vertriebspartner angewiesen. Anscheinend haben
wir da Schwierigkeiten, unsere Botschaften zu
platzieren.
Schulz-Jodexnis:
Wir versuchen den Anlegern
bewusst zu machen, dass man auf die Qualität
achten sollte und dass Qualität Auswirkungen
auf die Rendite hat.
Endlweber:
Wie soll denn der Anleger die
Qualität der Produkte beurteilen können?
Schulz-Jodexnis:
Bei Angeboten mit acht Pro-
zent Rendite in einer Zeit, in der die Märkte
schon in einem Zustand sind, in dem über eine
mögliche Preisblase diskutiert, könnte der Anle-
ger auf jeden Fall kritisch hinsehen.
Endlweber:
Das tut er aber nicht. Es werden
noch immer bevorzugt die Produkte mit der
höchsten Verzinsung gekauft.
Katelhoen:
Das glaube ich nicht.
Schulz-Jodexnis:
Das glaube ich auch nicht. Und
beim Vertrieb habe ich das Gefühl, dass er ab-
wandert. Wenn ich als Plattform ein Produkt
nicht forciere, dann reicht er die Zeichnungs-
scheine eben woanders ein. Es stellt sich tatsäch-
lich die Frage, ob der Anleger die höhere Ren-
dite will oder ob der Vermittler von sich aus
sagt, dass er etwas mit höherer Rendite hat.
Katelhoen:
Warnen Sie Ihre Vertriebspartner vor
gewissen Produkten, die Sie nicht gut finden?
Schulz-Jodexnis:
Ja, das machen wir. Das ist
aber leider ziemlich brotlos.
Thomas Soltau,
Fondsdiscount.de:„Ich sehe in der Digita-
lisierung ein Problem. Es ist zu leicht zu investieren, ohne
dass der Kunde ausreichende Überlegungen anstellt.“
154
www.fondsprofessionell.de| 1/2017
roundtable I
sachwer te
Fotos: © Christoph Hemmerich
»
Das Problem der Vertriebe ist,
dass sie bis zu zwei Tage in der
Woche vor Gericht sind wegen
irgendwelcher Anlegerschutz-
anwälte und Emittenten-
probleme, die sie nicht selbst
produziert haben.
«
Helmut Schulz-Jodexnis, JDC