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www.fondsprofessionell.de

| 1/2017

alten Produkte, zum Beispiel die Steuerspar-

modelle, oder über die Probleme etwa bei den

Schiffen oder Medienfonds?

Soltau:

Unsere Erfahrung ist, dass die Kunden

dankbar sind, wenn man ihnen zur Seite steht

und mit ihnen spricht. Das versteht keiner so

richtig im normalen Retailvertrieb, habe ich das

Gefühl. Auf unserem Zweitmarkt erleben wir

Kunden, die erstens nicht gewusst haben, was

sie im Portfolio hatten, und zweitens bei den

steuerorientierten Fonds, die nicht gut gelaufen

sind, die immense Steuerersparnis nicht sehen.

In diesen Fällen wurde falsch beraten. Die Auf-

gabe des Vertriebs ist, den Kunden klarzuma-

chen, dass es wirtschaftliche Risiken gibt, die

man eingehen muss, und dass sie die Renditen

nicht geschenkt bekommen.

Helmut Schulz-Jodexnis (Jung, DMS & Cie.):

Das ist sehr kopflastig. Für große Marktverwer-

fungen wie in der Schifffahrt kann der Vertrieb

nichts, da kann er auch nicht fehlberaten. Die

Charterraten gehen auch durch bessere Beratung

nicht hoch. Es leiden schon viele Vermittler

unter den Marktkrisen. Der Vertrieb, der keine

Neukunden gewinnt und sehr eng im Bestand

arbeitet, kann sich schwer erholen. Die, die keine

Probleme haben, weil sie erst nach der Schiff-

fahrtskrise eingestiegen sind, boomen geradezu.

Denn der Bedarf beim Kunden ist da. Wir mer-

ken, dass man mit einer guten Leistungsbilanz

kein Problem hat, Geschäft zu machen.

Soltau:

Wir machen das meiste Geschäft mit

Bestandskunden und daher auch mit Kunden,

die Schiffe im Portfolio haben.

Schulz-Jodexnis:

Die Frage ist, wie man damit

umgeht. Ich habe voriges Jahr 500 Kunden ge-

sehen, weil wir mit ihnen proaktiv Krisen-Work-

shops gemacht haben. Wir haben ihnen gezeigt,

wie die Prüfungsprozesse und die Märkte aus-

gesehen haben und wie damals die Sicht auf die

Produkte war. Das war sehr erhellend für die

Kunden. Wir hatten Kunden dabei, die 150.000

Euro mit Schiffen verloren, aber im Workshop

gesehen haben, dass es nicht an uns gelegen hat.

Mehr kann man nicht erreichen.

Achim Bauer (Flex Fonds):

Wir sehen nach wie

vor den Vertrieb als den Flaschenhals im Betei-

ligungsmarkt. Der Vermittler, der sich auf die

neue Situation und auf die Regulierung einge-

stellt hat, macht Geschäft. Aber die Breite der

Vermittler ächzt unter der Regulierung und unter

den Skandalen, die wir in den letzten sieben Jah-

ren hatten. Diese beiden Faktoren zusam-

men haben in den Absatzmarkt eine Brem-

se hineingebracht. Ein anderes Problem im

konventionellen Vertrieb ist die totale Über-

alterung. Es kommen einfach zu wenige

junge Berater nach, um den Absatz in der

Breite zu generieren.

Böcher:

Wir sehen auch, dass die Vertriebs-

partner der Flaschenhals sind. Die Kunden

sind durchaus offen und würden auch kau-

fen, aber nicht über den Vertrieb. Der Ver-

trieb ist blockiert durch die schlechten

Vermittlungsergebnisse und Skandale der

Vergangenheit. Bei den Häusern, die letztes

Jahr Erfolg hatten, muss man sehen, dass

es sich um Spezialisten handelt: Immac bei

Seniorenheimen, Jamestown und TSO in

den USA, HEH mit Regionalfliegern. Das

klassische Immobilienprodukt in Deutsch-

land, wie wir das anbieten, ist aber schwie-

rig über den Vertrieb zu verkaufen.

Alexander Endlweber (FONDS professio-

nell):

Das heißt, Nichtspezialisten haben

keine guten Platzierungschancen?

Böcher:

Sie tun sich im freien Vertrieb

schwer. Wir haben ein klassisches Immo-

bilienprodukt mit 4,2 Prozent erwarteter Rendite

imAngebot und müssen eine Mindesthaltedauer

von zehn, elf Jahren in Kauf nehmen. Das zu

verkaufen fällt vielen schwer. Es geht aber noch

weiter: Im Moment ist es schwer, die 4,2 Pro-

zent zu erreichen, wenn man sich die Einkaufs-

preise ansieht. Die Spezialisten können mit ihren

Produkten die Lücke schließen, die der Vertrieb

gut besetzen kann.

Endlweber:

Leidet Ihre Branche nicht sehr

stark darunter, dass die großen Geschäfts-

banken kaum noch Vertrieb für die Beteili-

gungsprodukte machen?

Böcher:

Genau, also bleiben nur die institutio-

nellen Investoren übrig, die mit drei Prozent

Rendite ganz gut leben können. Unser Produkt

wird von Stiftungen und Pensionskassen nach-

gefragt, aber für den freien Vertrieb ist das nicht

der Renditebringer, den man gern nach außen

darstellt. Ich habe aber auch die Erfahrung ge-

macht, dass es Anleger mit Interesse an unserem

Produkt gibt, die auf keinen Fall über ihre Bank

zeichnen würden. Im B2C-Geschäft könnten wir

sie gewinnen. Vielleicht bleibt nichts anderes

übrig, als es direkt zu versuchen.

Bauer:

Wir sind mit einer Anfangsausschüttung

von 3,8 Prozent in unseremAIF auf dem Markt.

Da tun sich einige schwer, gerade weil es andere

Produkte gibt, bei denen eine Sechs vor dem

Komma steht. Dagegen sehen 3,8 Prozent zu-

nächst mal schlecht aus. Man kann das aber er-

klären: Der Unterschied bildet sich im Produkt

über das Risiko ab. Wenn man die Vorzüge des

Produkts wie Qualität, Stabilität und die hohe

Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite stabil

gehalten werden kann, aufzeigt, ist das in der

Beratung ein gutes Argument.

Schulz-Jodexnis:

Das ist die typische Emitten-

tensicht. Das finde ich super. Zuerst jagt man

Thomas Böcher, Paribus: „Ich habe die Erfahrung ge-

macht, dass es Anleger mit Interesse an unserem Produkt

gibt, sie aber nicht über ihre Bank zeichnen würden.“

»

Nur weil ein Produkt reguliert

ist, muss es nicht wirtschaftlich

erfolgreicher sein. Die Regu-

lierung ist keine Garantie für den

Erfolg, aber die Voraussetzungen

sind bei den AIF deutlich besser.

«

Achim Bauer, Flex Fonds