

auswirken werden. Dabei gilt es, stän-
dig die Daten zur Entwicklung von An-
gebot und Nachfrage sowie zu Produk-
tion und Output einzelner Branchen und
Einzelwerte imAuge zu haben genauso
wie deren Zinssensitivität, aber auch die
allgemeine demografische Entwicklung.
Aus einem entsprechend umfangreichen
Datenkranz lässt sich dann ableiten, für
welche Branchen und Werte in der
Zukunft mit einem besonders starken
Rückenwind zu rechnen sein wird. Ich
habe mein eigenes ökonomisches Mo-
dell stets präsent, anhand dessen ich im-
mer wieder hinterfrage, wie bestimmte
Märkte sich entwickeln werden, wo wir
im Zyklus einzelner Branchen gerade
stehen und welche Unternehmen davon
stärker profitieren werden als andere. Es
geht vor allem darum, frühzeitig zu er-
kennen, wo wir mit unserer Aufstellung
im Fonds vielleicht gerade etwas ver-
passen oder einfach nur schiefliegen.
Solche Überlegungen sind inzwischen
ein fester Bestandteil unserer Strategie
geworden. Ich verbringe rund 20 bis 30
Prozent meiner Arbeitszeit damit.
Detlef Glow (Lipper):
Was ist der zweite
wichtige Aspekt, den Sie ansprachen?
Horvat:
Rund 70 bis 80 Prozent meiner Ma-
nagementarbeit bestehen in der Bottom-up-
Analyse von Unternehmen und Branchen. Ich
bin ein großer Verfechter des sogenannten
GARP-Ansatzes, also der Suche nach Wachs-
tum zu einem angemessenen Preis. Wir
haben, wie viele andere Manager auch, eigene
Screenings entwickelt, nach denen wir
GARP-spezifische Metriken beobachten.
Dazu gehören Kennzahlen wie ein Kurs-Ge-
winn-Wachstums-Verhältnis, das möglichst
geringer als eins sein sollte, ein KGV bezie-
hungsweise ein zukünftig zu erwartendes
KGV, das möglichst unter dem Branchen-
durchschnitt liegen sollte, aber auch das Ver-
hältnis von Verschuldung zu Eigenkapital, um
nur einige zu nennen. Vor meiner Zeit war der
Managementprozess in erster Linie auf
Qualität und Werthaltigkeit einer Branche
oder eines Unternehmens sowie auf die Beur-
teilung von Managementteams ausgerichtet.
Glow:
Muss man daraus schließen, dass Ih-
nen das Gespräch mit dem Management
eines Unternehmens nicht so wichtig ist?
Horvat:
Keineswegs, im Gegenteil! Wir ver-
bringen sehr viel Zeit in Gesprächen mit den
Managementteams von Unternehmen. Das ist
ein enorm bedeutender Teil von aktivem
Fondsmanagement, wie wir es verstehen. Wir
hatten im vergangenen Jahr mehr als 330
Meetings mit dem Führungspersonal von Un-
ternehmen, wobei sich das nicht nur auf die
jeweiligen Vorstände beschränkt, wir sprechen
beispielsweise auch mit den Entscheidern in
Personalabteilungen, um zu erfahren, wie und
auf welcher Basis Führungspersonen in einem
Unternehmen eingestellt werden. Auch die
Frage, wie ein Unternehmen sogenannte
ESG-Kriterien in seiner Strategie ein- und
umsetzt, spielt aus unserer Sicht eine wesent-
liche Rolle für den Erfolg oder Misserfolg ei-
ner Gesellschaft. Wir haben zudem ein großes
Netzwerk an weiteren Spezialisten in den un-
terschiedlichsten Branchen aufgebaut. Ich
würde schätzen, dass ich mit drei oder vier
Telefonaten in der Lage bin, nahezu alles in
den wichtigsten Industriezweigen zu
erfahren.
Heuser:
Was unterscheidet Ihre
Herangehensweise denn von Fonds-
managern der Konkur-
renz?
Horvat:
Wir verstehen uns
als echte Aktionäre, das
heißt, wir wollen Anteils-
eigner eines Unter-
nehmens sein statt ledig-
lich simpler Stockpicker. Dementspre-
chend versuchen wir, so genau und so
tief wie möglich in die jeweilige Bi-
lanz eines Unternehmens hineinzu-
schauen, um ein weitreichendes Ver-
ständnis dafür zu entwickeln, wie das
Unternehmen sein Geschäft heute und
in der Zukunft finanziert beziehungs-
weise welche Instrumente es dafür
einsetzt. Zudem wollen wir am Ende
natürlich vor allem ergründen, was für
uns als Aktionär aus dem entsprechen-
den Geschäft an Ertrag übrig bleiben
wird.
Glow:
Was hat sich im Investmentprozess
geändert, und wie sieht die Struktur des
Fonds heute aus?
Horvat:
Es reicht nach meiner Auffassung
nicht mehr aus, auf Themen wie Value und
gute Managementteams in Unternehmen zu
setzen, um die entsprechenden Aktien dann
möglichst preiswert einzukaufen. Wer will
heutzutage schon sagen, was preiswert ist,
wenn man nicht gleichzeitig die Wachstums-
möglichkeiten eines Unternehmens mit-
einbezieht? Wir fragen uns deshalb eher, ob
eine bestimmte Branche tatsächlich wächst
und worin der Vorteil eines bestimmten
Unternehmens gegenüber dessen Wettbewerb
liegt, um daraus zu erschließen, zu welchem
Preis man eine Aktie kaufen sollte oder eben
lieber nicht.
Heuser:
Auf welchen Kennzahlen basiert
dabei Ihre Auswahl?
Horvat:
Wir schauen uns die Dreijahres-
planung eines Unternehmens an und ob die-
se Pläne eingehalten werden. Für uns spielt
zudem die Ausweitung des generierten
Cashflows eine wichtige Rolle genauso wie
die Rendite des freien Cashflows und der
Ertrag auf das investierte Kapital. Daraus
ergibt sich im Grunde von selbst, dass der
Fonds ein All-Cap-Portfolio ist. Ich bin schon
Jamie Horvat: „Wir versuchen, so genau und so tief wie möglich in die
Bilanz eines Unternehmens hineinzuschauen.“
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www.fondsprofessionell.de| 1/2017
markt & strategie I
fondsmanager im kreuzverhör
KREUZ
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Rund 70 bis 80 Prozent meiner
Managementarbeit bestehen in
der Bottom-up-Analyse von
Unternehmen und Branchen.
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Jamie Horvat, M&G Investments
Alle Fotos: © Christoph Hemmerich