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www.fondsprofessionell.de

| 1/2017

steuern & recht I

sammelklagen

Foto: © fotolia rdnzl, Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte

E

r hätte den Moment kaum

schlechter wählen können:

Die friedliche Vorweih-

nachtszeit hatte gerade begonnen, da

zog Bundesjustizminister Heiko Maas

(SPD) einen frisch überarbeiteten

Referentenentwurf aus der Schub-

lade und schickte ihn eilends zur

Abstimmung in die Ressorts der

Bundesregierung. Der Kern des

Entwurfs: Verbraucherschutzorgani-

sationen sowie die Industrie- und Han-

delskammern sollen die Möglichkeit erhalten,

künftig Musterverfahren gegen Unterneh-

men zu führen und dabei wichtige Rechts-

fragen klären zu lassen. Seit Anfang De-

zember 2016 geistert er nun wieder ein-

mal durch die Medien – der gefürchtete

Begriff „Sammelklage“.

„Sammelklagen werden in Deutschland

nicht zum ersten Mal diskutiert“, sagt

Matthias Kroll, Fachanwalt für Versiche-

rungsrecht und Sozius der Hamburger

Kanzlei Dr. Nietsch & Kroll Rechtsan-

wälte. Zuletzt sorgte dieses Wort vor al-

lem bei börsennotierten Gesellschaften

für Unsicherheit, als die Bundesregierung

im Jahr 2005 das Kapitalanleger-Muster-

verfahrensgesetz (KapMuG) auf den Weg

brachte. Doch während das KapMuG es

mutmaßlich geschädigten Anlegern erleichtern

soll, Schadenersatzansprüche durchzusetzen

(siehe Kasten nächste Seite), greift der Vor-

schlag von Heiko Maas wesentlich weiter.

Denn: Im Sinne des Verbraucherschutzes will

der Bundesjustizminister dafür sorgen, dass

Kunden von Unternehmen aller Branchen

über sogenannte Musterfeststellungsklagen

leichter an ihr Recht kommen. Damit sind

nun auch Banken, Sparkassen, Versicherer

oder Bausparkassen im Spiel.

Kein Wunder, dass sich nicht nur bei den

Finanzinstituten und in der Assekuranz selbst

ein gewisses Unbehagen breitmacht, sondern

ebenso bei Beratern und Versicherungsver-

mittlern. „Ich glaube eigentlich nicht, dass wir

von dem Gesetz betroffen wären“, überlegt

Thomas Mertens, Anlageberater bei einer gro-

ßen Sparkasse. „Aber was passiert denn zum

Beispiel, wenn ich 100 Kunden ein neues Fi-

nanzprodukt vermittle und sich später heraus-

stellt, dass ein Passus in den Allgemeinen Ge-

schäftsbedingungen nicht rechtens war?“,

fragt er. Da er nicht genau weiß, was da kom-

men soll, hat er schon ein etwas mulmiges

Gefühl. Doch Experten sind sich einig: Nach

dem aktuellen Stand der Dinge gibt es dafür

keinen Grund.

„Schönes Wahlkampfthema“

„Ich kann mir gut vorstellen, dass das Ge-

setz in dieser Legislaturperiode gar nicht mehr

beschlossen wird“, sagt Norman Wirth, Part-

ner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte in Ber-

lin. Denn: Wirth bezieht sich auf einen inter-

nen Briefwechsel, der darauf hindeutet, dass

die unionsgeführten Ressorts den Referenten-

entwurf ablehnen werden. „Im Zusammen-

hang mit der Diesel-Affäre bei VW ist ein sol-

ches Gesetz natürlich ein schönes Wahl-

kampfthema“, ist Wirth überzeugt. Kommt es

bis zur Bundestagswahl jedoch nicht zur

Verabschiedung, so werden die Karten neu

gemischt. „In einer rot-grünen Regierung

hätte der Vorschlag von Maas sicher gute

Chancen“, sagt Wirth. Die CDU würde ver-

mutlich aber versuchen, ein solches Gesetz

zu blockieren. Schließlich sei es ganz und

gar nicht wirtschaftsfreundlich.

Rechtsanwalt Kroll ist sich nicht so si-

cher, dass der Entwurf des Bundesjustiz-

ministers in dieser Legislaturperiode nicht

mehr in ein Gesetz gegossen wird. „Aber

auch wenn es so sein sollte, haben Finanz-

berater und Versicherungsmakler aller Vor-

aussicht nach nichts zu befürchten“, erklärt

er. Zum einen sieht Kroll durch den aktuel-

len Entwurf in erster Linie die Emittenten von

Finanzprodukten betroffen. „Dass Verbraucher

auch gegen einzelne Berater klagen, halte ich

für eher unwahrscheinlich“, erläutert der

Experte. Ausgeschlossen sei es aber

nicht. Doch sogar in diesem Fall ginge

das Risiko, in einem einzigen Prozess

mit vielen Klagen gleichzeitig überzo-

gen zu werden, gegen null.

Elektronisches Klageregister

Entwarnung liefern Kroll zufolge

ganz klar die Formulierungen des aktu-

ellen Referentenentwurfs selbst. „Grundsätz-

lich haben die Pläne von Heiko Maas viel

Ähnlichkeit mit dem Kapitalanleger-Muster-

verfahrensgesetz“, sagt er. Ebenso wie das

KapMuG sieht der neue Entwurf ein elektro-

nisches Klageregister für Musterfeststellungs-

klagen vor, das beim Bundesamt für Justiz in

Bonn geführt wird. Darin sollen Informatio-

nen zu beabsichtigten oder bereits laufenden

Verfahren veröffentlicht werden.

„Verbraucher, die sich geschädigt fühlen,

können sich einem Musterfeststellungsver-

fahren anschließen, indem sie ihre Ansprüche

in das Register eintragen“, erklärt Kroll. Der

Eintrag bewirkt, dass die angemeldeten

Ansprüche nicht verjähren. Aber: Anders als

das KapMuG legt der Entwurf für das neue

Gesetz nicht fest, dass Verbraucher durch ihre

Anmeldung auch automatisch an einem Mus-

terverfahren teilnehmen.

Keine Angst vor

Klage-Stapeln

Gestapelte Akten: Finanzberater und Versicherungsvermittler müssen

nicht befürchten, dass sie künftig in einem einzigen Prozess mit einer

Vielzahl von Klagen konfrontiert sein werden.

Justizminister Heiko Maas hat die Diskussion um Sammelklagen erneut angeheizt.

Finanzberater müssen dennoch nicht befürchten, von Klagen überrollt zu werden.