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www.fondsprofessionell.de

| 1/2017

brief der herausgeber

D

as „Belastungspaket“, das in diesem Jahr von den Börsen ver-

daut werden muss, hat es in sich. Die Liste der Probleme

reicht vomAustritt der Briten aus der Europäischen Union bis

zu Wahlen in einigen europäischen Staaten und der damit verbunde-

nen Gefahr eines Zerfalls des Euro. In den USA hat Präsident Trump

zwar angekündigt, Infrastrukturinvestitionen in die Wege zu leiten

und gleichzeitig die Steuern zu senken, dabei aber zu erwähnen ver-

gessen, wie er das finanzieren will. Parallel dazu will die amerikani-

sche Notenbank die Zinsen anheben, und in Europa nähert sich lang-

sam, aber sicher das Ende des Anleihenkaufprogramms der Euro-

päischen Zentralbank. In Asien lässt das Tempo des Wirtschafts-

wachstums von China weiter nach, und das Land gibt inzwischen

selbst mehr oder weniger offen zu, dass es ein Schuldenproblem hat.

Einer oder zwei dieser Faktoren für sich genommen würden schon

ausreichen, die Anleger in Panik und die Kurse in den Sinkflug zu

versetzen. Und so gesehen wäre es fast schon überraschend, wenn

die Aktienmärkte dieses Jahr mit Wertzuwächsen beenden würden.

Trotzdem oder gerade deshalb sollte man durchaus auch mit dieser

Variante rechnen, denn so schwierig sich die Situation Mitte März

präsentiert, so rasch kann sich eine scheinbar so aussichtslose Lage

wieder ändern. Stellen wir uns nur vor, dass die anstehenden Wahlen

in Europa nicht den befürchteten Rechtsruck bringen, die EU mit den

Briten zu einem vernünftigen Kooperationsabkommen findet, Donald

Trump von seiner eigenen Partei in die Schranken gewiesen wird und

die US-Notenbank die Zinsen langsamer anhebt, als derzeit befürchtet

wird. Eine Kombination einiger dieser günstigeren Entwicklungen

könnte genügen, um die Aktienmärkte tatsächlich noch einmal ein

kräftiges Stück nach oben zu bringen.

Man muss aber gar kein solcher Optimist sein, um aktuell lieber

Aktien als Anleihen zu besitzen, denn vor allem dann, wenn sich die

Situation in Europa ungünstig entwickelt, dürfte es an den Renten-

märkten zu heftigen Turbulenzen kommen. Carmen Reinhart, die

derzeit einflussreichste Ökonomin der Welt, erklärte anlässlich des

Institutional Money Kongresses in Frankfurt Ende Februar, dass sie

– obwohl sie betont, nie eine Euro-Skeptikerin gewesen zu sein – in-

zwischen nicht mehr daran glaubt, dass die gemeinsame Währung in

ihrer aktuellen Form überlebensfähig ist. Zu groß seien die wirtschaft-

lichen Divergenzen zwischen den einzelnen Euroländern, als dass

sich das Konzept in seiner aktuellen Form aufrechterhalten ließe.

Ökonomen wie Hans-Werner Sinn sagen dies schon seit längerer Zeit,

und auch die jüngsten Daten geben ihnen recht. Spanien, Italien,

Portugal und Griechenland haben es bis heute nicht geschafft, ihr

volkswirtschaftliches Volumen wieder auf Vorkrisenniveau anzuheben

– und das trotz aller Anstrengungen der EZB, diesen Staaten auf die

Sprünge zu helfen.

Ein Blick auf die Target-2-Salden der Deutschen Bundesbank zeigt,

dass die Ungleichgewichte innerhalb des Eurosystems, die bereits

2012 für heftige Diskussion gesorgt haben, zuletzt noch einmal deut-

lich zugenommen haben. 2012, als dieses Thema erstmals in den

Schlagzeilen war, lag der Saldo der Bundesbank bei 750 Milliarden

Euro. Salopp gesprochen ist das der Betrag, mit dem die anderen

europäischen Zentralbanken bei der Bundesbank in der Kreide stehen.

Im Anschluss sank dieser Wert bis 2014 auf rund 450 Milliarden

Euro, zuletzt kletterte er auf einen neuen Rekordwert von rund 820

Milliarden Euro. Man hat Hans-Werner Sinns Warnungen seinerzeit

mit dem Hinweis abgetan, dass dies im Grunde nur Rechengrößen

innerhalb der Union seien. Solange diese bestehe, sei das kein Pro-

blem. Nun ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Union die nächsten

Jahre unbeschadet übersteht, in letzter Zeit nicht unbedingt gestiegen,

womit die Gefahr besteht, dass Deutschland auf diesen „Verbindlich-

keiten“ sitzenbleibt. Pessimistische Schätzungen beziffern den mög-

lichen Schaden mit bis zu 750 Milliarden Euro. Sollte die Lage also

2017 aus den Fugen geraten, werden mit Sicherheit auch Aktien

darunter leiden. Wer aber in dividendenstarke Unternehmen investiert

hat, die auch eine weitere konjunkturelle Prüfung überstehen werden,

ist da wohl besser aufgehoben als in vielen anderen Vermögenswer-

ten. Und da der Kauf einzelner Aktien für die meisten Privatanleger

kein Thema sein sollte, wäre es eine gute Gelegenheit, in entspre-

chende Fonds zu investieren.

Wir bedanken uns an dieser Stelle wie gewohnt bei allen Besu-

chern des FONDS professionell KONGRESS, die diese Veranstal-

tung Ende Januar mit ihrer Teilnahme an den vielen Diskussionen,

Vorträgen und Workshops einmal mehr bereichert haben.

Gerhard Führing

Mamdouh El-Morsi

2017 hält für Geldanleger eine beträchtliche Anzahl ernst zu nehmender Risiken bereit,

kurioserweise scheinen Aktienfonds dabei noch die sicherste Anlagealternative zu sein.

Aktien bleiben

alternativlos

Foto: © Marlene Fröhlich

Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi