Am Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (LGZ Graz) fand am Donnerstag (9. Januar) die erste Verhandlung über eine vom Konsumentenschutz eingebrachte Sammelklage gegen den Versicherer Scottish Widows statt. Es ist der Auftakt für mehr als ein Dutzend österreichweiter Sammelklagen im Zusammenhang mit einem Spätrücktritt aus der Lebensversicherung.

Nach Ansicht des VKI, der die Sammelklagen im Auftrag des Sozialministeriums eingebracht hat, müssen die Versicherer sämtliche Prämien samt Zinsen zurückzahlen. Abzuziehen sei lediglich eine Risikoprämie. Die Versicherer hingegen gehen stets vom deutlich geringeren Rückkaufswert aus (wie bei einer Kündigung).

Sammelklage angenommen – Warten auf EuGH zur Versicherungssteuer
Das Gericht habe seine Zuständigkeit anerkannt, sagte Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im Verein für Konsumenteninformation (VKI), nach der Verhandlung gegenüber FONDS professionell ONLINE. "Das ist erfreulich, weil ein gesammeltes Einklagen von der Gegenseite massiv bestritten wurde", so Hirmke.

Allerdings habe das Gericht auch erklärt, dass es noch auf eine ausstehende EuGH-Entscheidung warten möchte. Bei dieser geht es um die Frage, ob die Versicherung bei einem Rücktritt auch die Versicherungssteuer zurückerstatten muss.

Hirmke bedauert im Gespräch das Abwarten des Gerichtes. Es handle sich bei der Versicherungssteuerfrage um ein Randthema. Scottish Widows antwortete auf eine redaktionelle Anfrage nicht.

Der Hintergrund für die Sammelklagen
Die meisten österreichischen Versicherungen haben im Jahr 2017 mit tausenden Kunden, die nach Jahren ihre schlecht laufenden Lebensversicherungsverträge rückabwickeln wollten, einen Millionenschweren Vergleich geschlossen. Nur drei Unternehmen hatten sich nicht beteiligt: FWU Life (vormals Skandia Leben), Nürnberger und die Scottish Widows Limited (Clerical Medical). Gegen sie führt nun der VKI im Auftrag des Sozialministeriums 16 Sammelklagen für 851 Personen. Der Streitwert soll laut VKI bei 14 Millionen Euro liegen.

Hirmke sieht die VKI-Klagen durch ein EuGH-Urteil aus dem Dezember gestärkt. Der Europäische Gerichtshof hatte kürzlich unter anderem eine Beschränkung der Zahlungen bei der Rückabwicklung auf den Rückkaufswert als unzulässig beurteilt.

Die Finanzierung und damit das Prozesskostenrisiko der Sammelklagen hat laut Aussendung die Roland ProzessFinanz AG aus Köln übernommen. In Graz sind jene Fälle eingeklagt, bei denen die Betroffenen ihren Wohnsitz im Gerichtsprengel Graz haben. Der Streitwert dieses Verfahrens beträgt rund 265.000 Euro, heißt es. (eml)