Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder großer Versicherungsunternehmen im deutschsprachigen Raum zeigen sich sehr optimistisch für das laufende Jahr. Trotz weitgehend gesättigter Märkte und intensivem Verdrängungswettbewerb rechnen sie mit einem Prämienwachstum von 4,5 Prozent. Das ergab eine Befragung durch die Managementberatung Horváth in der DACH-Region. Im Vorjahr lag das Plus in der Region demnach bei 3,9 Prozent.

Getrieben werde das Wachstum vor allem durch die Schaden- und Unfallversicherung sowie die Krankenversicherung – die Lebensversicherung stagniert hingegen. Über alle Versicherungssparten hinweg sehen die Assekuranzen den Weg zum Wachstum mehr in Prämienerhöhungen (55 Prozent) und weniger durch Neuvertragsabschlüsse (45 Prozent).

Kostendruck höher als in den Vorjahren
Unter Druck steht allerdings die Ertragsseite: "Das Thema Profitabilität beschäftigt die Versicherer derzeit deutlich stärker als in den Vorjahren und ist eines der Top-Themen auf ihrer Agenda", sagt Martin Müller, Partner und Insurance-Experte bei Horváth. "Die stark gestiegenen Schaden- und Leistungsaufwände, enorme Ausgaben für digitale Transformation und operative Resilienz sowie hohe Umsetzungsaufwände für regulatorische Muss-Themen treiben die Kosten in die Höhe", so der Experte. 

Der starke Margendruck wird sich auf die Versicherungsprämien auswirken. Neun von zehn Befragten in der Schaden- und Unfallversicherung geben an, dass Beitragserhöhungen (von teilweise bis zu 20 Prozent) ein wichtiger oder sehr wichtiger Hebel sind. 92 Prozent halten die Optimierung der Schadenquote für wichtig oder sehr wichtig, um ein stabiles Niveau zu halten. Auch die gezielte Sanierung der Bestände ist ein häufiges gewähltes Mittel (60 Prozent).

Kunden- und Beraterinformation wichtig
Die Konsequenz und Intensität dieser Hebel ist aus der Sicht von Horváth-Experte Müller stärker als in den Vorjahren. In dieser Situation der Preissteigerungen sei die Kommunikation gegenüber dem Kunden wichtig. Auch der Vertrieb müsse rechtzeitig vorbereitet werden – insbesondere dürfe der Service nicht leiden. "Die operativen Bereiche müssen auch in Lastsituationen die Service-Level halten können. Sonst sagt der Kunde: 'Höhere Preise für schlechteren Service? Da gehe ich woanders hin'."

Ein weiteres Problemfeld ortet der Experte: Für neue Geschäftsmodelle, Vertriebspartnerschaften oder Gedankenspiele über innovative Ökosysteme und Optionen abseits des Kerngeschäfts würden häufig die Ressourcen fehlen. Auch Nachhaltigkeit sei kein strategisches Top-Thema mehr, da dies bereits im regulatorischen Pflichtprogramm angekommen sei.

Entspannung in der Leben-Sparte
In der Sparte Leben hat sich die Situation durch die gestiegenen Zinsen etwas entspannt – der enorme Druck auf die Lebensversicherer in den Niedrigzinszeiten, Garantien zu erfüllen, hat etwas nachgelassen. Über die Kapitalanlageseite sei nun Profitabilität wieder leichter erreichbar. Das Geschäft mit Einmalzahlungen ist jedoch massiv eingebrochen. Indexgebundene und biometrische Produkte sind dagegen auf dem Vormarsch. Auch hier bleibe Kostendisziplin weiterhin sehr wichtig (75 Prozent). "Sobald die Zinssituation sich ändert, werden wieder Themen wie Run-off diskutiert werden, die aktuell nicht so stark im Vordergrund stehen", so Horváth-Partner Müller. (eml)