Die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) verlangt, dass Kunden alle relevanten Informationen in einem kurz gehaltenen Dokument ausgehändigt bekommen, bevor sie einen Versicherungsvertrag unterschreiben. Der Sinn liegt auf der Hand: Kunden sollen Produkte besser vergleichen und damit eine wohlinformierte Entscheidung treffen können. In der Realität bieten die IPIDs (Insurance Product Information Documents) diesen Komfort jedoch nicht. Weil es in zentralen Punkten keine Standardisierung gibt, fehlt die Vergleichbarkeit, wie eine Untersuchung der Arbeiterkammer Wien (AK) nahelegt, die Haushalts- und Lebensversicherungen im Detail durchforstet hat.

Fragezeichen bei Deckungsumfang und Versicherungssummen
So ist ein echter Produktvergleich schon allein deshalb kaum möglich, weil der Deckungsumfang relativ frei angegeben werden kann. Zum Beispiel enthält die Mehrheit der IPIDs keine Information zu optionalen Zusatzdeckungen, wie die AK feststellt. Man erkennt also nicht, ob diese nicht möglich sind oder einfach nicht angegeben wurden. In der Praxis werde auch meist die Laufzeit nicht angegeben, obwohl das gesetzlich vorgegeben ist (die Anbieter verweisen hier nur auf den Vertrag). Ein weiteres Problem: Bei Individualverträgen, die vom Basistarif abweichen, fehlen in den meisten Fällen Informationen zu abweichenden Versicherungssummen.

Mit den gebotenen Angaben geht die AK hart ins Gericht: Aus Verbrauchersicht sei "der Informationsgehalt von IPIDs für den von der Regierung intendierten Produktvergleich weitgehend unbrauchbar". Informationsblätter könnten sogar zu falschen Entscheidungen führen: Häufig erwecke der IPID-Vergleich einen falschen Eindruck – Produkte wirken besser oder schlechter, obwohl das nicht den Tatsachen entspricht.

Keine Information für Individualverträge
Die Erkenntnisse hat die AK aus einer "Mystery Shopping"-Aktion im Sommer 2022 gewonnen. Darin zeigte sich auch, dass die allermeisten Versicherer ein IPID nur für den Standard-, nicht aber für Premium-Tarife zur Verfügung stellen – angeboten wurde das nur in drei von elf Fällen. IPIDs für Produktvarianten sind damit die Ausnahme. Der Grund liegt darin, dass gesetzlich unklar ist, ob es für jede Variante ein Dokument braucht. Doch selbst wenn Anbieter solche spezifischen Dokumente aushändigen, fehlen darin Detailinformationen zu Deckungsbausteinen oder abweichenden Versicherungssummen, wie die AK-Experten schreiben.

Schuld am Chaos ist auch die IDD selbst, wie es bei der AK heißt. Denn die Regulierung legt nicht schlüssig dar, wie individuell ein IPID sein muss: Einerseits ist das IPID ein standardisiertes vorvertragliches Informationsblatt, andererseits treffen aber Angaben zur Versicherungssumme und zur Laufzeit immer nur auf den Einzelfall zu. "Es gibt keine Hinweise darauf, dass in der Praxis eine Individualisierung in der vorvertraglichen Phase erfolgt", so die AK-Experten.

Verbesserungsvorschläge
Sie fordern, dass Laufzeit und Versicherungssumme jedenfalls individualisiert werden müssten. Gleichzeitig müssten die zentralen Informationsinhalte standardisiert werden. Insbesondere geht es um den Infoblock "Was ist versichert?", "Was ist nicht versichert?" und "Gibt es Deckungsbeschränkungen?". Versicherungsvermittler könnten durch Ankreuzen im Beratungsgespräch die einzelnen Punkte individualisieren. Damit ließe sich das Fehlen separater IPIDs für Produktvarianten beheben.

IPIDs sollten außerdem in einem eigenen Feld Prämienhöhe, etwaige Dauerrabatte, Kündigungsstichtag und -frist enthalten. Dazu fordert die AK, dass die Aufsichtsbehörden mehr Kompetenzen erhalten, um die vorvertraglichen Informationen zu prüfen. Konkret fordert die AK die Möglichkeit, dass die Aufsicht "Mystery Shopping" durchführt. In Österreich ist dies den Behörden nicht erlaubt, wie ein Sprecher der FMA unlängst betonte.

Ablebensversicherungen: Selten gibt es gleich das LIPID
Verdeckt eingekauft hat die AK auch im Ablebensversicherungsbereich. Hier wurde bereits 2020 nachgeschaut, ob die Versicherer die standardisierten Produktinformationen überhaupt mitliefern, die für diesen Bereich LIPID heißen. Das Ergebnis: Von 16 angefragten Versicherungen meldeten sich 13 zurück. Acht legten schlussendlich ein Offert, und nur vier davon schickten auch ein LIPID mit. (eml)