Die Versicherungsgesellschaften in den Deutschland, Österreich und der Schweiz ändern ihre Strategie: Statt immer nur höhere Margen im Visier zu haben, setzen sie nun auf Wachstum. Der Strategieschwenk hat auch Auswirkungen auf ihre Produkt- und Vertriebsanstrengungen. Dies geht aus dem Trendbarometer Assekuranz 2017 hervor. Für die Kurzstudie befragte die globale Strategieberatung Simon-Kucher & Partners mehr als 150 Führungskräften in der Assekuranz. Die Unternehmensberater sparen in ihrem Report auch nicht mit Kritik an den Gesellschaften.

Der Studie zufolge rüsten sich die Versicherer über alle Sparten hinweg für den Kampf um den Kunden: Das Ziel, Marktanteile zu steigern, zeigt sich deutlich in den operativen Maßnahmen der Unternehmen. So arbeiten 81 Prozent der befragten Versicherer aktuell an der Neukundengewinnung. Zudem plant ein Großteil (73 Prozent) der Versicherungshäuser, die Verwaltungs- und Prozesskosten zu reduzieren.

Keine übergeordnete Strategie
Auffällig sei in diesem Zusammenhang jedoch die fehlende Arbeit an Preisen. "Die Einsparungen bei Verwaltung und Prozessen stellen tendenziell nur einen einmaligen Hebel auf die Marge dar", erklärt Dirk Schmidt-Gallas, Member of the Board bei Simon-Kucher & Partnern. "Um langfristig zu wachsen, sollten die Unternehmen Pricing als starken Hebel für die Zielsteuerung nutzen und zudem unterschiedliche Zahlungsbereitschaften von Kundensegmenten berücksichtigen", ist der Experte überzeugt. 

Die Studie zeigt weiter, dass viele Versicherungshäuser nicht strategisch an die großen Vertriebsthemen wie Digitalisierung oder Multikanal herangehen. "Es stehen aktuell Einzelthemen wie Produktentwicklungen und Optimierung des Onlinekanals auf der Agenda", erläutert Schmidt-Gallas. "Anstatt vom Detail zur Strategie zu gehen, sollten die Unternehmen sich ein übergreifendes Ziel setzen und die konkrete Steuerung daraus ableiten."

Lebensversicherung: Biometrie als Wachstumstreiber
Im Bereich der Lebensversicherung, die mit Solvency II, Niedrigzinsen sowie dem Digitalisierungsdruck vor Herausforderungen steht, setzen die Versicherer auf Biometrie- und nicht mehr auf klassische Lebenspolicen. "Die Absicherung biometrischer Risiken ist das richtige Thema", so Schmidt-Gallas. Es hapere aber grundsätzlich nicht am Angebot, sondern am Verkauf. Entscheidend sei die übergeordnete Argumentation für das Lebensversicherungsangebot. In der Vergangenheit lautete diese unter anderem: "Partizipieren Sie am Kapitalmarkt!", heute heißt sie: "Schließen Sie Ihre Versorgungslücke!". Aber auch das funktioniere nicht mehr. "Das Argument müsste lauten: 'Sichern Sie Ihre biometrischen Risiken ab!'", sagt der Versicherungsexperte.

Kompositversicherung: der Wachstumsmotor
Angesichts der angespannten und unsicheren Marktlage in der Lebens- und Krankenversicherung kommt der Kompositversicherung die Bedeutung des Wachstumsmotors zu. So ist in dieser Sparte ein noch stärkerer Fokus auf Markt- und Wachstumsstrategien zu sehen als in der Branche insgesamt. Das Wachstumsziel findet sich auch in der operativen Umsetzung wieder: 84 Prozent der Kompositversicherer arbeiten aktuell an der Neukundengewinnung. Hohe Priorität haben auch Vertriebsthemen. (jb)