Mit ihrer Sammelaktion zu Lebensversicherungen hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) einen Nerv getroffen. Der österreichische Versicherungsverband VVO hat sich entschieden gegen die Darstellung der Verbraucherschützer ausgesprochen, wonach in zwei Drittel aller Fälle fehlerhaft über das Rücktrittsrecht belehrt worden war. Es seien "nur Einzelfälle betroffen", so die umgehende Replik.

Seit März dieses Jahres sammelt der VKI Polizzen von Versicherungsnehmern, die eine Überprüfung veranlassen wollen. Hintergrund ist der Vorwurf an österreichische Lebensversicherer, bei Millionen von Polizzen die Rücktrittsbelehrung nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Konkret sollen anstatt der vorgeschriebenen 30 Tage nur zwei Wochen mitgeteilt worden sein. Dieses Fehlverhalten soll dem Vernehmen nach über einen Zeitraum von 1994 bis 2012 Praxis gewesen sein.

Fondsgebundene im Fokus
Rund ein halbes Jahr später zieht der VKI via Aussendung eine erste Zwischenbilanz: "Rund 1.300 Versicherte nahmen das Angebot der Aktion bis dato in Anspruch. In zwei Drittel der Fälle ergab die Prüfung, dass die Betroffenen fehlerhaft über ihr Rücktrittsrecht belehrt worden waren." Laut Ulrike Wolf vom VKI wäre in diesen Fällen ein nachträglicher Vertragsrücktritt möglich. Die Juristin verweist auf eine Entscheidung des OGH, wonach eine fehlerhafte Rücktrittsbelehrung so zu behandeln sei, als hätte gar keine Belehrung stattgefunden. "Aus unserer Sicht bedeutet das, dass Kunden bei einer Rückabwicklung alle Beiträge inklusive Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Zinsen von den Versicherungsunternehmen zurückerhalten müssen."

Das Augenmerkt des VKI gilt insbesondere Inhabern von Fondspolizzen, die Mehrheit der überprüften Fälle beziehe sich auf sie. "Wenn eine fondsgebundene Lebensversicherung stark an Wert verloren hat, können sich die Verluste bei einem Rücktritt massiv reduzieren. Gerade hier macht ein Vertragsrücktritt oft wirtschaftlich Sinn", so Wolf.

Keine Relation zur Gesamtzahl
Dienstagabend folgte dann die Stellungnahme des VVO: "Betrachtet man die rund 600 vom VKI beanstandeten Verträge und stellt diese in Relation zur Gesamtanzahl der bestehenden Lebensversicherungsverträge von rund zehn Millionen Verträgen, so kann man wohl zurecht von Einzelfällen sprechen." Darüber hinaus spricht sich der VVO gegen "unüberlegte und voreilige Vertragsrücktritte" aus und warnt vor den Risiken: "In Zeiten von historisch extrem niedrigen Zinsen und steigender Lebenserwartung wäre ein Rücktritt mit großen Nachteilen verbunden wie zum Beispiel dem Verlust eines attraktiven Garantiezinses. Garantieversprechen sind gerade im derzeitigen Umfeld für den Kunden sehr wertvoll."

Eine Lebensversicherung biete aber noch viele weitere Vorteile gegenüber anderen Vorsorgeprodukten, so beinhalte sie nicht nur die Sparkomponente, sondern diene vor allem auch der Vorsorge bei Schicksalsschlägen. "Gerade für junge Familien kann die Absicherung des Ablebensrisikos existenzsichernd sein. Diese Absicherung geht im Falle eines Rücktritts vom Lebensversicherungsvertrag verloren. Ein erneuter Versicherungsabschluss zur Abdeckung dieser Risiken kostet in der Regel mehr."

Online-Rechner soll Klarheit bringen
Der VKI schätzt die Zahl der Betroffenen, die von einem Rücktritt profitieren könnten, viel höher ein als die von ihm "ermittelten" Fälle und bietet Versicherten, die sich einen Überblick verschaffen wollen, mit einem Online-Schnellrechner ein Tool an, mit dem im Einzelfall sofort errechnet werden könne, ob ein Rücktritt lohnenswert wäre. Auch eine Anmeldung zur Sammelaktion sei gegen einen "Unkostenbeitrag" von 95 Euro weiterhin möglich. (dw)