Eine Reform der Altersvorsorgesysteme scheint unausweichlich – allein wegen der demografischen Entwicklung. Robert Merton, Finanzprofessor an der MIT Sloan School, hat eine andere Antwort auf die Herausforderung gefunden: "Selfies". Das hat nichts mit Selbstporträts per Smartphone zu tun, sondern ist die Abkürzung für "Standard-of-Living indexed, Forward-starting, Income-only Securities".

"Es geht dabei um eine Lösung für ein Rentensystem, das supereinfach ist und das sich auch für Menschen eignet, die im informellen Sektor arbeiten und vielleicht nur wenig finanzielle Bildung haben", sagt Merton im Interview mit der Redaktion, das in voller Länge in FONDS professionell 4/2022 erschienen ist.

Laufende Zahlungen für 22 Jahre
Selfies sind Staatsanleihen mit einem ganz bestimmten Auszahlungsprofil. Bei einer normalen Staatsanleihe kaufen Anleger das Papier und erhalten anschließend regelmäßig eine Kuponzahlung. Bei Fälligkeit der Anleihe bekommen die Investoren ihr Geld zurück. "Selfies haben ein anderes Auszahlungsprofil", erläutert Merton, der 1997 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. "Wenn Sie heute ein Selfie erwerben, zahlen Sie dafür den Kaufpreis. Bis zu einem bestimmten Datum, dem Startdatum, erhalten Sie keine Kupons. Ab dann erhalten Sie laufende Zahlungen. Diese erhalten Sie 22 Jahre lang, und dann passiert nichts mehr, Sie erhalten also ihren ursprünglich angelegten Betrag nicht zurück."

Merton nennt als Beispiel einen 29-Jährigen, der heute vermutlich Selfies mit dem Startdatum 2058 kaufen würde. Dann wäre er 65 Jahre alt, hätte also sein gewünschtes Rentenalter erreicht. Möchte er eine Rentenzahlung von 50.000 Euro im Jahr, und jedes Selfie zahlt zehn Euro aus, benötigt er 5.000 Selfies. Ab 2058 erhält er dann für die nächsten 22 Jahre Zahlungen aus dem Selfie.

Die Auszahlungen steigen mit der Inflation
Bei der Absicherung des "Langlebigkeitsrisikos", also den Fall, dass man länger als 22 Jahre eine Rente benötigt, kommen die Lebensversicherer ins Spiel. Sparer könnten ihre Selfies an Versicherer verkaufen, die ihnen im Gegenzug eine Leibrente garantieren.

Auch für das Problem der steigenden Lebenshaltungskosten hat der Finanzwissenschaftler eine Lösung parat. "Die Auszahlungen der Selfie-Bonds werden an den jeweiligen Konsumausgabenindex angepasst", erläutert Merton. "Der beinhaltet dann zwei Dinge: erstens die Inflation und zweitens eine Anpassung an den allgemeinen Lebensstandard im jeweiligen Land."

"Ich habe da kein Patent drauf"
Konkret umgesetzt wurde Mertons Konzept noch nicht. Aber: "Einige Länder haben mich bereits kontaktiert und wollten mehr über die Idee erfahren", berichtet er. "Im Prinzip kann jedes Land Selfies einführen, auch in abgewandelter Form; ich habe da kein Patent drauf." (ad/bm)


Das vollständige Interview mit Robert Merton lesen Sie in FONDS professionell 4/2022 ab Seite 190. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin abrufen.