Eigentlich müssten die EU-Regeln, die für die Versicherungsbranche neue Standards bringen, bis bis 23. Februar 2018 in nationales Recht umgesetzt werden. Das steht seit zwei Jahren fest. Doch wegen allseitiger Verzögerungen dürfte die EU-Kommission den Termin verschieben.

Wie ein Sprecher kürzlich gegenüber FONDS professionell ONLINE sagte, arbeitet die EU-Kommission an einem Gesetzesvorschlag, der den Start auf den 1. Oktober 2018 nach hinten verlegt. Sie dürfte damit der Empfehlung des EU-Parlaments folgen, das sich bereits Ende Oktober für eine spätere Umsetzung der Richtlinie ausgesprochen hatte. Auf EU-Ebene fehlen nämlich selbst noch delegierte Rechtsakte, die Umsetzungsdetails zur IDD enthalten.

Nägel mit Köpfen kaum möglich
Die IDD zeigt perfekt, wie wenig eingespielt die Umsetzung von EU-Gesetzgebungen ist. In Österreich ist zum Beispiel – anders als in Deutschland – weitgehend unbekannt, wie streng die IDD ausformuliert wird. Das heißt, die heimische Versicherungsbranche weiß zwar seit rund zwei Jahren, wie der Rahmen grundsätzlich aussieht, doch Nägel mit Köpfen können die Versicherungsunternehmen, Makler oder Agenten aufgrund dieser Vorgaben nur bedingt machen. Die Vorsicht der Branche ist mit Blick nach Deutschland angebracht: Lange Zeit wurde die Betroffenen dort auf eine strikte Trennung zwischen Provisions- und Honorarberatung eingeschworen, erst in letzter Sekunde wurde der entsprechende ­Passus geändert – viele Makler hätte er vor Existenzfragen gestellt.

In Österreich sieht es zusammengefasst so aus: Es wird kein eigenes Gesetz erlassen, sondern bestehende werden angepasst. Das Wirtschaftsministerium (BMWFW) arbeitet in seinem Zuständigkeitsbereichen noch an Novellierungen: Eine BMWFW-Sprecherin erklärte kürzlich, dass ein entsprechender Entwurf im vierten Quartal 2017 in Begutachtung gehen werde. Dieser werde voraussichtlich Änderungen der Gewerbeordnung, des Bankwesen- und des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes enthalten.

Entwurf von Finanzministerium schon kommentiert
Das Finanzministerium (BMF) hingegen hat für seinen Kompetenzbereich bereits im August einen Begutachtungsentwurf mit Änderungsvorschlägen präsentiert. Der Entwurf sieht Novellierungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016 (VAG), des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG) und des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG) vor. Die knapp 20 Stellungnahmen der Branche zeigen vordergründig keine allzu lauten Proteste. Doch hinter den Kulissen gibt es durchaus Diskussionen.

Gebot oder Verbot?
Verunsicherung gibt es zum Beispiel bei den Vergütungen. Besonders die Makler – die zwar ungebunden agieren, aber bei Vertragsabschluss Provisionen von einem Versicherungsunternehmen erhalten – sind in diesem Punkt sensibel. Mit den bisher am Papier stehenden österreichischen Formulierungen sind sie nur bedingt einverstanden.

Streitpunkt sind insbesondere die Versicherungsanlageprodukte (Lebensversicherungen): Grundsätzlich sieht die IDD in Absatz 2 des Artikels 29 vor, dass Provisionen für Versicherungsanlageprodukte erlaubt sind, sofern diese sich nicht nachteilig auf die Qualität für den Kunden auswirken oder die Pflicht des Vermittlers nicht beeinträchtigen ("… im besten Interesse seiner Kunden ehrlich, redlich und professionell zu handeln"). Demgegenüber ist der Vorschlag des Finanzministeriums negativ formuliert. Im Entwurf steht, dass Provisionen verboten sind, außer sie wirken sich nach vernünftigem Ermessen nicht nachteilig aus (§ 135 (4) VAG).

Für den Obmann des Fachverbandes der Versicherungsmakler, Christoph Berghammer, ist das mehr als nur ein Formulierungsunterschied: "Das halte ich für ganz gefährlich. In Österreich wird ein Gebot zum Verbot gemacht. Dann kann es sein, dass uns die FMA ein paar Ausnahmen rausstreicht, und wir sind sehr schnell de facto bei einem Provisionsverbot", warnt er.

Aus dem Finanzministerium lässt man anklingen, dass die Branche bei den Provisionen ohnehin gut davongekommen sei – sowohl national als auch auf EU-Ebene: "Trotz von mancher Seite während des europäischen Gesetzgebungsprozesses erhobener Forderungen besteht kein Provisionsverbot ohne Ausnahme“, betont eine Sprecherin. Am Ende überlässt es die EU den Staaten, ob sie Versicherungsvertreibern Provisionen oder Gebühren verbietet (Artikel 22, Abs. 3).

Gut möglich also, dass sich das Finanz­ministerium mit seiner negativen Formulierung bewusst den Durchgriff offen lässt. Aus dem Ministerium heißt es gegenüber FONDS professionell jedenfalls: „Die Botschaft ist klar: Schwarze Schafe, die provisionsgetriebenen Vertrieb zulasten der Kunden machen, werden nicht geduldet.“

Anlageprodukt oder nicht?
Doch gerade die Versicherungsanlageprodukte zeigen, dass die Ministerien den Betroffenen noch entscheidende Infos schuldig sind: Es ist nämlich noch nicht klar, welche Lebensversicherungsprodukte überhaupt als Anlageprodukte eingestuft werden. Das ist kein unwesentliches Detail, denn für die Vermittlung der sogenannten IBIP (Insurance-Based Investment Products) sieht die IDD strengere Regelungen vor als für gewöhnliche Versicherungsprodukte (Artikel 26 bis 30). Außerdem muss für anlagebasierte Versicherungsprodukte ein Basisinformationsblatt nach der PRIIP-Verordnung bereitgestellt werden, während für nichtanlagebasierte Polizzen ein "Beipackzettel" nach der IPID-Verordnung nötig ist. Selbst die deutsche Aufsicht Bafin hat im Sommer bestätigt, dass die Einstufung, was nun ein IBIP ist, "nicht leicht" werde.

Mit Spannung erwartet die Branche auch die Antwort auf die wichtige Frage, ab wann eine Provision nun "schädlich" ist. Das lässt die IDD nämlich im Detail offen. Hier wird erwartet, dass die EIOPA als europäische Versicherungsaufsicht beziehungsweise die FMA als nationaler Regulator bald Beispiele für gute oder schlechte Verfahrensweisen liefern. Laut Johannes Muschik, Obmann des Branchenverbandes der selbstständigen ­Versicherungsvermittler und Finanzberater ­(AFPA), sind da zumindest keine Überraschungen zu erwarten: "Die Blaupause für viele Bestimmungen aus der IDD stammt ja aus der Mifid-Regulierung. Insofern gehe ich davon aus, dass sich EIOPA oder FMA im Wesentlichen auch bei Best- und Worst-Practice-Beispielen für die IDD an den Leitlinien orientieren, die wir aus der Mifid-Regulierung schon kennen", ist er überzeugt.

Rolle der FMA
Derzeit sieht Paragraf 128 (4) der VAG-­Novelle vor, dass die FMA per Verordnung festlegen kann, welche Vergütungspraktiken schädlich sind. Der Maklerverband hätte diese Verordnungsermächtigung aber gern gestrichen. Argument: Die FMA wäre dann Kontroll- und Rechtsetzungsorgan in einem. Damit stehen also auch die Kompetenzen der FMA noch zur Diskussion.

Punkto Vergütung muss die Branche "Neuland" beschreiten, weil die IDD verlangt, dass qualitative Kriterien ebenso belohnt werden, wie quantitative, sagt Muschik. "Es geht nicht nur darum, wie viel ich verkauft hab. Kundenzufriedenheit, die Häufigkeit von ­Reklamationen, wie lang der Kunde bleibt, das sind alles messbare Parameter, die auch darüber Aufschluss liefern, ob die Qualität stimmt. Man wird dem Versicherungsvermittler künftig auch sagen, wir wollen, dass diese Kunden gut betreut werden. Und das kann man sehr wohl mit einer Provision vergüten", so Muschik.

Bereinigung und Konzentration
Unabhängig davon, wie die nationalen Regeln am Ende wirklich aussehen, dürfte eine Konsequenz bereits feststehen: Es wird nach Ansicht der meisten Branchenvertreter eine Bereinigung am Versicherungsvermittlermarkt stattfinden. "Man sieht ja schon einen Wettkampf der Systeme. Es gibt Maklerpools, regionale Verbände und Franchisesysteme. Kleine Betriebe, die nicht die Ressourcen haben, diese Regelungen umzusetzen, werden aufgeben oder sich einem größeren System anschließen, einfach damit diese ganze Organisation und Compliance für sie abgewickelt wird", so Muschik.

Und damit wird es auch für die auf Margen bedachten Versicherer spannend. Denn große beziehungsweise größer werdende Pools und Vertriebsunternehmen könnten ihre wachsende Marktmacht durchaus dafür einsetzen, Vorteile für ihre Mitglieder auszuhandeln. (eml)


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