Aus der Not eine Tugend zu machen ist wohl die größte Herausforderung für Topmanager. Wenn es "läuft", gibt es wenig zu tun, aber wenn es "hakt", ist Führungsqualität gefragt. Das gilt insbesondere für Krisenzeiten, denen sich nahezu keine Branche entziehen kann – das jüngste Beispiel war beziehungsweise ist die immer noch nicht überwundene Corona-Pandemie, die auch für den Lebensversicherungsvertrieb eine unerwartete Vollbremsung bewirkte.

Bei der HDI Lebensversicherung Österreich, einer Gesellschaft der deutschen Talanx-Gruppe, hat man sich rückblickend rasch auf die neue Situation eingestellt. So berichtet Niederlassungsleiter Michael Miskarik, dass man innerhalb von drei Tagen alle Mitarbeiter breitflächig auf Homeoffice umstellen konnte. "Wir waren damit durchgehend voll funktionsfähig, alle Mitarbeiter waren für unsere Kunden und Vertriebspartner erreichbar. Der Servicelevel konnte somit auf demselben Niveau gehalten werden wie bisher. Das hat uns bei unserem Vermittlernetzwerk österreichweit positives Feedback eingebracht", so der HDI-Leben-Chef in Österreich. 

Frühzeitig auf das Thema Weiterbildung gesetzt
Von Vorteil war dabei vor allem auch die Tatsache, dass sehr rasch Videoberatung empfohlen und auf digitale Signatur umgestellt wurde. Bei Letzterer wurden verschiedene Varianten angeboten, um den individuellen Bedürfnissen der Vermittler zu entsprechen. Besonders stolz ist Miskarik allerdings darauf, dass das Unternehmen bereits in der ersten Woche des Lockdowns mit dem Thema Aus- und Weiterbildung das Vermittlernetzwerk unterstützt hat.

„Nachdem die Vermittler damals nicht zum Kunden durften und alle Präsenzveranstaltungen und Roadshows abgesagt waren, wollten wir den Vertriebspartnern die Möglichkeit bieten, die Zeit zu nutzen, um ihre verpflichtende Weiterbildung vorzuziehen und online zu absolvieren. Unsere Überlegung war, dass die Berater dadurch nach dem Lockdown mehr Zeit für die eigentliche Arbeit und den Kundenkontakt hätten, da dann große Teile der verpflichtenden Aus- und Weiterbildung bereits erledigt wären. Über die Nachfrage, die wir dadurch hervorgerufen haben, war ich dann zugegebenermaßen selbst überrascht. Wir sind in kürzester Zeit an die Grenzen unserer Webinar-Lizenzen gestoßen und mussten dementsprechend aufrüsten. Bei den Vorträgen haben wir mit externen Bildungsanbietern zusammengearbeitet. In Summe konnten wir es über die Zeit des Lockdowns rund 3.000 Vermittlern ermög­lichen, einen großen Teil ihrer Weiterbildungsstunden zu absolvieren. Wir haben den Vermittlern in einer schwierigen Zeit somit eine Perspektive geboten. Die Branche hat hier anfangs etwas verhalten reagiert, und so konnten wir mit unserem Angebot mit Sicherheit eine Benchmark setzen", erklärt Miskarik.

Absatzziele könnten noch erreicht werden
Auch wenn das Geschäft der HDI Leben, so gibt Miskarik zu, am Anfang der Lockdown-Phase nahezu zum Stillstand kam, hat sich die Situation durch die digitale Beratung dann wieder etwas beruhigt. Zwar waren die Eingänge beim Tagesgeschäft natürlich nicht auf demselben Niveau wie vor dem Lockdown. "Aktuell liegen wir jedoch nur noch 4,1 Prozent hinter unseren Absatzzielen für dieses Jahr. Läuft das Geschäft nur annähernd so weiter, wie dies aktuell der Fall ist, dann sehe ich es durchaus im Bereich des Möglichen, unseren Geschäftsplan trotz Coronakrise noch zu erfüllen. Natürlich weiß man nie, ob einen in einem so unberechenbaren Jahr am Ende nicht doch noch eine Stornowelle erreicht. Wir rechnen zwar nicht damit, aber gerade wenn die Corona-Pausen bei den Prämienzahlungen auslaufen, könnte hier vielleicht noch etwas kommen", so Miskarik. 

Versicherungsteuer reduzieren und mehr Anreize für die private Altersvorsorge
Von der Regierung wünscht sich Miskarik nun ein entschlossenes Vorgehen und auch Unterstützung für die Versicherungswirtschaft. "Die Versicherungsteuer gehört massiv reduziert. In Zeiten einer Nullzinsphase eine vierprozentige Steuer auf bereits versteuertes Kapital einzuheben, ist völlig inakzep­tabel. Auch bei frühzeitigem Rückkauf elf Prozent Steuer zu verlangen, ist unverständlich. Wie oft wollen wir uns noch besteuern lassen? Gleichzeitig müsste es deutlich mehr Anreize für die private Altersvorsorge geben", so der HDI-Leben-Chef abschließend. (gp)


Das vollständige Gespräch mit Michael Miskarik lesen Sie in der neuesten Heftausgabe 3/2020 von FONDS professionell ab Seite 204 oder hier im E-Magazin (Anmeldung erforderlich).