"In letzter Zeit häufen sich die Fälle, wo Vermittler aufgrund einer Tippgebertätigkeit Produkte vertreiben", sagt René Hompasz, Chef des Vermögenschadenhaftpflichtversicherers Höher Insurance. Dahinter stehe die Annahme, mit dem Status als Tippgeber könne man sich aus der Haftungsschlinge ziehen, sollte der Kunde später wegen einer Fehlberatung klagen. Hompasz hat daher ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

Der Abschluss einer Versicherung nur über einen Tippgeber geht schon per se nicht, erklärt darin nun Gutachter Johannes Neumayer (Neumayer, Walter & Haslinger): Im Prinzip sei es nämlich kaum möglich, an Kunden Produkte zu vermitteln, wenn dabei nur ein Tippgeber zum Einsatz kommt und nicht eine zweite Person, die als Berater auftritt ("Zweiphasenverkauf"). In der Regel besteht ja eine umfassende Beratungspflicht.

Ausnahmen gebe es nur bei echten Execution-Only-Geschäften (iSd § 46 WAG 2007), wo dafür ganz enge Spielräume bestehen – etwa, dass der Kunde bereits mit dem konkreten Produktwunsch ("Kaufen Sie mir fünf Tesla-Aktien") herantreten muss, es sich um kein komplexes Finanzinstrument handelt, er auf Interessenskonflikte aufmerksam gemacht wird und auch schriftlich klargelegt wird, dass nicht beraten wird.

Versicherung steigt aus
Sollte ein Kunde etwa einen Unternehmer klagen, stünde dieser vor einer problematischen Entscheidung: Entweder er muss zugeben, dass er nicht beraten hat (das führt direkt zur Haftung), oder, dass die Beratung durch einen gewerblich nicht befugten Tippgeber durchgeführt wurde. Die Vermögenschadenshaftpflichtversichererung deckt aber in der Regel nur gewerblich befugte Tätigkeiten ab, erklärt Neumayer.

Viele Tippgeber würden auch "Anträge des Kunden ausfüllen und naturgemäß mit dem Kunden über das Produkt sprechen". Das ist per Gesetz nicht erlaubt. Schon das reine Anbieten oder Vorschlagen eines Produktes ist ausschließlich dem gewerblichen Versicherungsvermittler vorbehalten. Auch das Durchführen jeglicher anderer Vorberatungsarbeiten zum Vertragsabschluss und natürlich auch das Abschließen von Versicherungsverträgen und das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung steht nur dem Versicherungsvermittler zu (§137 GewO).

Keine Unterschrift einholen!
Insbesondere ist dem freien Gewerbe des Tippgebers untersagt, jemanden einen Vertrag unterschreiben zu lassen. Auch darf ein Tippgeber keine Infos über einen bestimmten Versicherungsbedarf aufnehmen; lediglich die allgemeinen Daten des Kunden darf er annehmen und weitergeben. (§ 376 Z 18 Abs 8).

In der Praxis sehe der Verlauf oft so aus, erklärt Neumayer: Der Kunde wird vom Tippgeber angesprochen. Der unternehmensintern zuständige Vermögensberater und Chef des Tippgebers hat keine Zeit, sodass der Tippgeber die Beratung durchführt. Auf dem Beratungsprotokoll unterschreibt aber der gewerblich befugte Vermögensberater.

Dies sei erstens eine Lugurkunde (der unterschreibende Vermögensberater war gar nicht anwesend bei der Beratung). Zweitens wird sich bei einem Prozess herausstellen, dass der Vermögensberater den Kunden gar nicht gesehen hat und die Vermögensberatung allein durch den gewerblich nicht befugten Tippgeber erfolgte. War die Beratung nicht vollständig und nicht richtig, haftet das Unternehmen. Das Unternehmen wiederum kann sich am Tippgeber schadlos halten, da dieser seine Befugnis überschritten und seine Vertragspflichten verletzt hat, so Neumayer.

"Name unbekannt"
Der Tippgeber muss sich jedenfalls vergegenwärtigen, dass er prinzipiell auch dann haftet, wenn er im Auftrag eines Unternehmens agiert. Wenn zum Beispiel der Auftraggeber in Konkurs geht oder nicht mehr auffindbar ist und der klagende Kunde nur noch den Namen "seines Beraters" weiß, der eigentlich nur Tippgeber war, dann haftet der Tippgeber. Es sei denn, er kann beweisen, dass er den Kunden ausreichend aufgeklärt hat, dass er nicht in eigenem Namen sondern im Namen eines Auftraggebers, wie etwa Vermögensberater, Banken, Fonds oder Versicherung aufgetreten ist.

Eine Tippgebertätigkeit sei nur so möglich, dass ein echter Zweiphasenkauf stattfindet, mahnt Neumayer: Der Tippgeber spricht den Kunden an, es wird ein Beratungsgespräch mit einem Vertreter des Unternehmens vereinbart, im Beratungsprotokoll steht idealerweise auch ein Vermerk, dass der Tippgeber nicht beraten hat, sondern nur der dazu befugte Vertreter.  

Zwar führe eine richtige Beratung durch einen gewerblich nicht befugten Tippgeber nicht automatisch zu einer Haftung wegen Fehlberatung, "doch habe ich in all den bisherigen 32 Jahren meiner Tätigkeit keinen einzigen Fall erlebt, bei dem ein nicht befugter Berater vom Gericht eine ordnungsgemäße Beratung attestiert erhalten hat", schreibt Neumayer.  (eml)