Der traditionsreiche Versicherungsmarkt Lloyd's of London stellt sich dem Brexit und räumt eine monatelange Unsicherheit für Versicherungsnehmer aus der EU aus. Der 1688 gegründete Spezialversicherer – im Unterschied zu anderen Spezial- und Rückversicherern keine Firma, sondern ein Börsenplatz, an dem Versicherungen gehandelt werden – gründet eine eigene Gesellschaft in Brüssel. Das gab die Geschäftsleitung heute bekannt.

"Damit steht endlich fest, dass sich für tausende Versicherungsnehmer wie Vermögensberater, Versicherungsvermittler und Wertpapierfirmen, aber auch für viele Industriekunden, die ihre Spezialversicherungen bei Lloyd's abgeschlossen haben, weiterhin trotz Brexit rechtliche Sicherheit für deren Verträge besteht", sagt René Hompasz, Geschäftsführer des österreichischen Vermögenshaftpflichtspezialisten Höher, zu FONDS professionell ONLINE. Zum Beispiel bringt dies nun Sicherheit für zahlreiche Vermögensschadenshaftpflichtversicherungen, die heimische Versicherungsnehmer in London abgeschlossen haben.

Mit dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der Eurozone wären sämtliche steuerlichen und rechtlichen Vertragsgrundlagen obsolet geworden. Lloyd's hätte eine Kündigungswelle von Vertragskunden fürchten müssen – beziehungsweise, wäre ohne ein Standbein innerhalb der Union ungewiss gewesen, ob Lloyd's Geschäfte innerhalb der EU zeichnen darf.

Brüsseler Geschäft ab 2019
Die eigenständige Versicherungsgesellschaft in Brüssel werde ihr Geschäft mit der Vertragsverlängerungssaison ab 1. Jänner 2019 aufnehmen, heißt es nun in einer Mitteilung. Der Firmensitz bleibt indes unverändert in London. Die neue Gesellschaft werde nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU Risiken aus allen 27 Mitgliedstaaten der EU und den drei Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes zeichnen. Die belgische Hauptstadt sei ausgewählt worden, weil dort ein günstiges Regelwerk gelte und weil sie zentral in Europa liege, heißt es. Rund elf Prozent des Marktvolumens in Großbritannien kommt aus den EU-Ländern, sagte Lloyd's-Chefin Inga Beale.

In Österreich gibt es laut Höher sechs Coverholder (Agenten) für Lloyd's. Höher ist als Spezialist für Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen einer davon. Will eine heimische Versicherung oder ein Vermögensverwalter eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abschließen, organisiert Höher das Geschäft mit Lloyd's.

Das Lloyds-System
Die Versicherungsgeber, die hinter der Versicherungsbörse Lloyd's stehen, schließen in der Regel Verträge nicht direkt mit dem Versicherungsnehmer ab, sondern über Broker oder Coverholder. Der Coverholder ist dabei nicht Agent des Versicherungsnehmers, sondern Agent der Lloyd's Underwriter. Die Underwriter sind die in rund 100 Syndikaten (Schadensbereiche) geclusterten Versicherungsgeber, also die Investoren, die hinter dem Versicherungsgeschäft stehen und die ihr Vermögen für bestimmte Risiken verpfänden.

Lloyd's hat unter anderem einen Namen als Markt für Schiffs-, Transport- und Luftfahrtrisiken sowie für Sach- und Haftpflicht-Sparten, Ausfallrisiken, politische Risiken oder Spezialbereiche wie Kunst und Sport. In Österreich zeichnete Lloyd's 2012 (letzte auf der Homepage veröffentlichte Zahlen) Bruttoprämien in Höhe von 27,5 Millionen Euro. Davon entfielen 13,3 Millionen Euro auf Direktversicherung und 14,2 Millionen auf Rückversicherung. Die größten Sparten waren Sach-, Transport- und Unfallversicherung.

Schwieriges Jahr 2016
Für das Gesamtgeschäft gab der Markt heute aktuelle Zahlen bekannt: 2016 erwirtschaftete Lloyd's einen unveränderten Vorsteuergewinn von 2,5 Milliarden Euro. Die Combined Ratio (Schaden-Kosten-Quote) verschlechterte sich von 90 auf 97,9 Prozent, die Kapitalrendite rutschte auf 8,1 Prozent ab (Vorjahr 9,1 Prozent).

"Wir sehen uns mit extrem anspruchsvollen Marktbedingungen konfrontiert, wobei die Preisfindung weiterhin unter Druck steht, während jedoch die Versicherungswirtschaft als solche für traditionelles und alternatives Kapital attraktiv bleibt", erklärt Jan Blumenthal Hauptbevollmächtigter für Österreich und Deutschland in einer Aussendung.

Fünftgrößtes Verlustjahr
Die Großschäden beliefen sich demnach 2016 auf 2,5 Milliarden Euro, wodurch 2016 zum fünftgrößten Verlustjahr seit 2000 wurde. Sie waren vor allem auf den Hurrikan Matthew und die Brände in Fort McMurray im kanadischen Alberta zurückzuführen.

Lloyd's werde von Ratingagenturen weiterhin von A.M. Best mit A (excellent), von Fitch mit AA- (very strong) und von Standard & Poor’s mit A+ (strong) bewertet. (eml)