Allianz-Chef Oliver Bäte mahnt seine Zunft zur Vorsicht. Europas Versicherer sollten sich auf ein sehr langanhaltendes Niedrigzinsumfeld einstellen, wie es in Japan bereits seit Jahrzehnten existiert. Zugleich warnt er die Europäische Zentralbank (EZB) in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung“ (SZ) aber auch vor einem plötzlichen Zinsanstieg. In dem Gespräch geht er auch auf die Zukunft von Angestellten in der Assekuranz ein.

Bäte erwartet zwar, dass die EZB dem Beispiel der US-Notenbank Fed folgen und zeitverzögert ebenfalls die Zinsen erhöhen werde, da die Zinsentwicklung in den USA und Europa nicht auf Dauer auseinanderlaufen dürfe. Andererseits würde es ihn auch nicht wundern, wenn die EZB bei ihrer laxen Geldpolitik bleibt. "Es kann sogar sein, dass die Zentralbank erneut die Märkte flutet, um alle zu beruhigen. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir gehen vom Schlimmsten aus: Europa könnte ein Japan-Szenario mit Niedrigzinsen für lange Zeit erleben. Wenn sich das ändert, wäre das eine positive Überraschung“, zitiert die Zeitung Bäte.

Ein abrupter Zinsanstieg wäre aber auch nicht in seinem Sinne, da die Kurse vieler Anleihen mit niedrigem Kupon dann in den Keller rauschen würden – eine Horrorvorstellung für Lebensversicherer, weil dadurch das ohenehin angegriffene Kapitalpolster noch dünner wird. "Wir sagen unseren Gesprächspartnern: Ihr müsst aufpassen, dass ihr nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreibt und plötzlich Versicherer in die Insolvenz laufen.“ Für die Allianz schließt er solche existenziellen Probleme aber aus, Europas größter Versicherer habe hohe Reserven.

Sachbearbeiter sollten Berater werden
Der Allianz-Vorsteher hat sich in dem SZ-Interview nicht nur zu makroökonomischen Fragen geäußert. Bäte nimmt auch zu den Digitalisierungsbestrebungen und damit verbundenen Jobkürzungen im eigenen Haus Stellung.

Seiner Ansicht nach ist es nicht zu ändern, dass Angestellte Angst um ihren Arbeitsplatz haben. "Das ist so. Ich glaube nicht, dass diese Angst spezifisch etwas mit der Allianz zu tun hat, sie ist typisch für unsere Branche. Sie ist im Umbruch. Wir können den Mitarbeitern diese Unsicherheit nur begrenzt nehmen“, lauten seine klaren Worte.

Er appelliert vielmehr an die Beschäftigten im Innendienst, sich zu Vermittlern umschulen zu lassen. Seiner Ansicht brauche die Assekuranz weniger Personen für die Sachbearbeitung, sondern mehr für die persönliche Beratung, für dies es auch in Zukunft reichlich Bedarf gebe. "Wir müssen die Menschen, die heute Papier bearbeiten, fragen, ob sie bereit sind, sich ausbilden zu lassen für die Kundenberatung“, sagt er der Zeitung. (jb)