Eine neue Analyse des Gutachters Matthias Kopetzky zur Causa Wienwert zerpflückt nach einem Bericht der Tageszeitung "Der Standard" die Gebarung des Immobilienentwicklers beziehungsweise der Muttergesellschaft WW Holding AG und der Tochter Wienwert AG. Demnach sieht Kopetzky beim Anleihenverkauf wörtlich eine "Loch-auf-Loch-zu-Politik". "Spätestens ab 2013, als erste Tilgungen von schon begebenen Anleihen zu refinanzieren waren, hatten neu aufgenommene Anleihegelder auch den Zweck, Anleiheverbindlichkeiten wieder zurück zu zahlen“, zitiert die Zeitung aus dem Gutachten. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Bei der Pleite im Jahr 2018 besaßen Anleger Anleihen im Volumen von 38 Millionen Euro.

Treuhandkonstrukt als "Feigenblatt"
Werbung sei auch mit dem Argument gemacht worden, dass diese Wertpapiere mit Wienwert-Immobilien abgesichert seien. Der Gutachter kommt laut Bericht zu anderen Ergebnissen: Von den jemals eingetragenen Pfandrechten in Höhe von 15,5 Millionen Euro seien nur 59.100 Euro treuhändisch zugunsten von Anleihegläubigern hinterlegt worden. Also nur 0,38 Prozent aller Pfandrechte. Schlussfolgerung: "Die Sicherungswirkung kann betriebswirtschaftlich betrachtet daher getrost als nicht existent beschrieben werden. (…)", so der Sachverständige. Die Treuhandkonstruktion der früheren Manager hält er für ein "Feigenblatt". Den Anleihezeichnern sollte damit "Scheinsicherheit" vermittelt werden.

Auch die Vergütungen für Vorstand und Aufsichtsrat erachtet der Sachverständige im Vergleich mit Branchenriesen als unverhältnismäßig. 2017 habe das Jahresfixgehalt des damaligen Geschäftsführers demnach 600.000 Euro brutto betragen. Das sei ungefähr gleich viel, wie der Chef der börsennotierten Immofinanz, die allerdings auf eine Bilanzsumme von fast sechs Milliarden Euro kam. Nur der Vorstandsvorsitzende der Buwog (Bilanzsumme: rund vier Milliarden Euro) habe mit 720.000 Euro im Jahr mehr kassiert. Dem damaligen CEO Stefan G. sei innert nur zwei Jahren eine Akkumulierung von Vorstandsremunerationen gelungen, für die seine Vorgänger immerhin noch fünf Jahre gebraucht hätten, schreibt die Zeitung. Wohlgemerkt sei das Unternehmen seit 2016 bereits als "Abbaugesellschaftsgruppe" betrieben worden.

"Begehrlichkeiten auf Vorstandsebene"
"Das Instrument der Anleihen als Geldbeschaffung (…) scheint auch erhebliche Auswirkungen auf die remunerativen Begehrlichkeiten auf Vorstandsebene gehabt zu haben", wird der Gutachter zitiert. Diese Gehaltsvorstellungen seien "in faktisch völliger Absenz eigener Umsätze in relevantem Umfang de facto zu 100 Prozent von Anleihegläubigern zu bezahlen gewesen", so Kopetzky. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

Norbert Wess, der Anwalt des damaligen Geschäftsführers Stefan G., sagt hingegen, die Vorstandsvergütungen an seinen Mandaten seien vom Aufsichtsrat beschlossen und marktüblich gewesen. Sie hätten den bisherigen Einkommensverhältnissen von G. entsprochen, heißt es in dem Zeitungsbericht.

G. sei von dem von ihm neu aufgesetzten Geschäftsmodell überzeugt gewesen und habe stets ausgewiesene Experten als Berater beigezogen, wird Wess zitiert. Einige der Berater seien mittlerweile Beschuldigte im Verfahren. G. sei laut Wess' Stellungnahme seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen und habe die Insolvenz angemeldet, als sich die Begleitumstände "leider nachhaltig verändert haben". (eml)