Seit die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli 2022 mit den Leitzinserhöhungen begonnen hat, hat sich die Qualität der Gewerbeimmobilienkredite in Österreich stark verschlechtert, warnt die Nationalbank (OeNB) in ihrem neuen Finanzstabilitätsreport. Während bei Immobilienkrediten an Privathaushalte keine deutliche Verschlechterung auftritt, stiegen die notleidenden Kredite (NPL) zwischen Ende 2022 und 2023 im gewerblichen Sektor von zwei Milliarden Euro auf 6,3 Milliarden Euro an. In relativen Werten ausgedrückt, liegt die NPL-Quote Ende 2023 bei 3,3 Prozent statt davor bei 1,1 Prozent. Der Trend setze sich im laufenden Jahr fort.

Im Vorjahr wurde der größte Anstieg im vierten Quartal 2023 verzeichnet, als sich die NPL-Quote verdoppelte. Ende 2023 ging der Signa-Konzern pleite, wobei dieser Effekt von der OeNB nicht gesondert erwähnt wird. 

46 Milliarden Euro bis Ende 2025 fällig
Drei Viertel des gewerblichen Kreditvolumens weisen eine variable Zinskomponente auf. Bis Ende 2025 wird ein Volumen von 46 Milliarden Euro an Gewerbeimmobilienkrediten fällig. Der überwiegende Teil davon habe keinen festen Tilgungszeitplan. Ende 2023 hatten 30 Prozent der Gewerbeimmobilienkredite eine Beleihungsquote von über 100 Prozent oder waren unbesichert. Sowohl das Exposure als auch die Beleihungsquote liegen über dem internationalen Durchschnitt, so die OeNB-Experten. Sie fordern die Banken auf, ihre Kapitalausstattung zu stärken "um sich auf weiteren Gegenwind im Gewerbeimmobilienmarkt vorzubereiten". 

Momentan seien die Institute in der Gesamtheit gut aufgestellt. Sie verbuchten vergangenes Jahr wegen der weiter hohen EZB-Zinsen starke Nettozinsmargen und schrieben in einem wirtschaftlich schwachen Umfeld einen Rekordgewinn von 14 Milliarden Euro. Die harte Kernkapitalquote stieg deutlich auf 17,5 Prozent. Auch die österreichischen Großbanken haben ihre Kapitalisierung erstmals über den Durchschnitt ihrer europäischen Mitbewerber gehoben, hebt die OeNB lobend hervor. Dies müsse jedoch nicht für jede Einzelbank gelten, so OeNB-Vize-Gouverneur Gottfried Haber. Ihm machen "bankindividuelle Risiken" Sorgen. Man müsse "zielgerichtet auf Einzelbankebene" blicken. Zum Beispiel haben etliche Häuser die Immobilienbewertungen noch nicht großflächig an das neue, herausfordernde Umfeld angepasst.

Wendepunkt
Das Bankensystem stehe an einem Wendepunkt, die Profitabilität gerate unter Druck: Zum einen weil die geopolitischen Risiken für Unsicherheiten bei den Unternehmen sorgen. Zum anderen, weil Einleger ihre Ersparnisse von Sicht- auf höher verzinste Termineinlagen verlagert haben, was zu höheren Refinanzierungskosten für die Banken führt. Auch die hohen Lohnabschlüsse und die inflationsbedingt gestiegenen Sachkosten erfordern eine Kostendisziplin. Zudem muss in neue Informationstechnologien investiert werden.

Insgesamt – Gewerbe und Haushalte – liegt die NPL-Quote der österreichischen Banken bei 2,6 Prozent (2021: zwei Prozent). Das Level ist damit weiter tief: Zu Spitzenzeiten 2015 waren es ungefähr sieben Prozent. (eml)