Steigen die Zinsen, wird normalerweise die Dynamik am Immobilienmarkt schwächer. Schließlich verteuern sich ja die Kredite für Käufer. Und noch dazu erscheinen bei höheren Zinsen sichere Geldanlageformen wie Sparbuch oder Anleihen gegenüber dem aufwendigen Immobilieninvestment attraktiver. Nichts davon ist jedoch momentan in Österreich zu merken. Vielmehr steigen die Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 weiter, als gäbe es keine Notenbankinterventionen. Das zeigen neue Zahlen der OeNB.

Sowohl in Wien als auch im restlichen Bundesgebiet gab es bei Wohnimmobilien bereits das siebte Quartal in Folge Preiszuwächse über der Zehn-Prozent-Marke im Vorjahresvergleich. Im zweiten Quartal 2022 lag die Steigerung österreichweit bei rund 13 Prozent. Im ersten Quartal waren es etwas mehr als plus zwölf Prozent zum Vorjahr gewesen. Allein im kurzen Abstand von Q1 auf Q2 2022 legten die Preise um 3,2 Prozent zu. Sehr stark war diese Entwicklung vom Preiswachstum bei Einfamilienhäusern im Bundesgebiet ohne Wien getrieben: Mitte 2022 zahlte man hier um 15 Prozent mehr als Mitte 2021.

Wertmäßig nicht gerechtfertigt – Überhitzung befürchtet
Alarmierend ist, dass sich der Abstand zwischen den von der OeNB berechneten Fundamentalpreisen ("gerechtfertigter Wert") und den Wohnimmobilienpreisen stark ausweitet. Demnach weichen die Immobilienpreise österreichweit mittlerweile um historisch hohe 39 Prozent von den gerechtfertigten Preisen ab. In Wien erreicht die Abweichung sogar 45 Prozent. Die OeNB-Experten sehen darin "zunehmende Signale einer Überhitzung im österreichischen Wohnimmobilienmarkt".

Der OeNB-Fundamentalpreisindikator untersucht, ob die Immobilienteuerung durch grundlegende Faktoren erklärbar ist oder diese auf Übertreibungen beruht. In diesen Indikator fallen Elemente wie die Leistbarkeit und die Rentabilität von Immobilieninvestments sowie das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Baukosten oder Zinsanhebungsrisiken und anderes. Besonders die Risiken aus möglichen Zinssteigerungen wiegen laut den OeNB-Analysten momentan schwer. Die Autoren des aktuellen "Property Market Review" weisen darauf hin, dass die aktuellen Zinsen unter dem eigentlich erwartbaren Niveau liegen und demnach bald noch deutlich höher ausfallen könnten.

Gesetz schränkt Vergabe ein – aber erst seit August
Auf mögliche gesetzlich bedingte preistreibende Effekte gingen die OeNB-Analysten nicht ein. Möglich wäre es nämlich, dass Käufer im Wissen um später höhere Eigenkapitalanforderungen im zweiten Quartal verstärkt zugegriffen haben: Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat mit August die Vergabekriterien für Immobilienkredite verschärft. Hintergrund ist unter anderem die Angst, dass in einem Umfeld steigender Zinsen vermehrt Kredite ausfallen könnten und es somit zu einer Gefährdung der Bankenstabilität kommen könnte. Ein hoher Anteil der Immobilienkredite in Österreich ist variabel verzinst – die Rückzahlung könnte also bei einer starken Zinsanhebung für viele Kreditnehmer unleistbar teuer werden. (eml)