Während im ersten Halbjahr 2022 noch Corona-Krise, Ukraine-Krise, Energie-Krise und steigende Inflationswerte eine Trendwende vermuten ließen, haben die starken und raschen Zinserhöhungen ab der zweiten Jahreshälfte 2022 sowie die Verschärfungen im Bereich der Hypothekarkreditfinanzierungen, KIM-V (Kreditimmobilienmaßnahmen-Verordnung), ab September 2022 den Markt tatsächlich schwer getroffen, berichten die Immobilienexperten von Remax Austria.

Die KIM-V hat dabei – auch im Vergleich zu Deutschland – die Bedingungen zusätzlich und laut den Experten teilweise unverständlich erschwert. Denn, "die um mittlerweile rund vier Prozent gestiegenen Kreditzinsen und die immer bereits geltenden strengen Vergaberichtlinien – speziell bei variablen Krediten – haben die Immobilien-Preisentwicklung schon ausreichend gedämpft. Durch die KIM-V wurden grundvernünftige Zwischenfinanzierungslösungen unnötig erschwert und alle Kreditnehmer vom 'Normalverdiener' bis zu 'Einkommens-Millionären' über einen Kamm geschoren", berichtet etwa Bernd Ebner von Realfinanz, einem bankenunabhängigen Hypothekarvermittler. Laut Ebner gehen derzeit alle Branchenexperten davon aus, dass die KIM-V im jetzigen Marktumfeld obsolet ist. Der politische Fokus sollte daher  – speziell für Jungfamilien – auf angepasste Wohnbauförderungsmodelle gelegt werden. Für Ebner braucht es hier Eigenmittel-Unterstützungslösungen für förderungswürdige Gruppen und wieder flexiblere Rückzahlungs- und Ratenmodelle, die sich an die Lebens-Einkommensentwicklung anpassen.

Starker Einbruch bei teureren Immobilien
"Konkret sind Immobilien im Bereich von 400.000 bis eine Million Euro von einem massiven Nachfrageeinbruch betroffen. Darunter lässt es sich leichter finanzieren, darüber brauchen die Interessenten oft dank 'gefüllter Portokassa' eher kaum oder wenig Kreditunterstützung", erklärt Anton Nenning von Remax Austria. Wie stark der Einbruch von den schlechteren Finanzierungsmöglichkeiten getrieben ist, zeigen erste Mengenerhebungen: Jene Immobilienformen, die als besonders finanzierungsabhängig gelten, haben den Remax-Analysen zufolge die höchsten Rückgänge: Doppelhaushälften (-34 %) und Reihenhäuser (-33 %). Denn wer liquider ist, kauft sich ein Einfamilienhaus (-16 %), eine Villa (-17 %) oder einen Hausanteil (-25 %), und wer sparsamer sein will/muss, muss zu einer (kleineren) Wohnung (-24 %) greifen.

Situation in den Bundesländern
Auch wenn der Rückgang an Kaufakten national minus 21,6 Prozent beträgt, so sind die Bundesländer unterschiedlich betroffen und daraus ergeben sich auch Verschiebungen im Ranking. Mit 11.864 Objekten und minus 22,1 Prozent behält Niederösterreich die Nase vorne. Aufgrund des geringeren Rückgangs in der Steiermark (-17,9 %) kämpft sie sich mit 9.313 Kaufakten auf Rang zwei und verdrängt Wien mit 9.295 Immobilien (-24,8 %) auf Platz drei. Oberösterreich mit 8.424 Transaktionen (-19,3 %) und Tirol mit 5.368 (-18,9 %) halten unverändert die Ränge vier und fünf. Kärnten rutscht mit 4.592 Objekten (-14,8 %) auf Platz sechs und verdrängt Salzburg – mit 3.627 Kaufakten und mit minus 34,2 Prozent dem größten Rückgang im Bundesgebiet – auf Rang sieben. Auch das Burgenland und Vorarlberg tauschen das erste Mal seit 2020 wieder die Plätze: Burgenland mit 3.156 Einheiten und minus 13,8 Prozent, dem geringsten Rückgang unter allen Bundesländern, kommt nach oben auf Rang acht, während Vorarlberg mit dem zweithöchsten Rückgang unter den Bundesländern (-30,6 %) und 2.556 Immobilien das schlechteste Ergebnis seit acht Jahren einfährt.

Trend noch unverändert
Beim Frühindikator, den "Tagebuchzahlen", also den eröffneten Verbücherungsverfahren im Grundbuch, zählte Immounited im ersten Quartal um 15,4 Prozent weniger als 2022, im zweiten Quartal um 19,1 Prozent und im Juli und August um 27,3 Prozent weniger. Gegenüber 2021 ist der Rückgang noch stärker (Q1 -14,0 %; Q2 -23,5 %; Juli-August -38,5 %). "Ein Silberstreif für die Gesamtwirtschaft sieht anders aus. Die Hoffnung, dass die Talsohle bereits erreicht wäre, lässt sich mit diesen Zahlen im Moment noch nicht belegen", meint Nenning. (gp)