Die vergangenen Krisen haben gezeigt, dass der deutsche Immobiliemarkt besonders belastbar ist. Gleichwohl stehen mit der aktuellen Symptompolitik der Bundesregierung, dem Brexit, der Digitalisierung der Branche und ihrer zunehmenden Ökologisierung einige Herausforderungen ins Haus. fondstelegramm sprach mit Dr. Andreas Mattner vom Zentralen Immobilienausschusses, ZIA.

Der Immobilienmarkt boomt, von Überhitzung und Blasenbildung ist mittlerweile die Rede. Mietpreisbremse, Änderung des Mietspiegels, Brexit – wie sieht der Interessenverband ZIA die zurückliegenden Monate? Was steht der Branche bevor?
Andreas Mattner: Die zurückliegenden Monate waren geprägt von einer anhaltend hohen Nachfrage und einem wachsenden Druck auf die Immobilienmärkte insbesondere in den angespannten Groß- und Universitätsstädten Deutschlands. Dies spiegelte sich auch in der politischen Diskussion wider. So brachte die Bundesregierung mehrere Vorschläge ein, um steigenden Kauf- und Mietpreise entgegenzuwirken. Als Beispiele sind etwa das zweite Mietrechtsnovellierungspaket von Bundesjustizminister Maas zu nennen oder auch die Verschärfung der Mietpreisbremse, wie sie die SPD erst vor wenigen Wochen wieder in einem kurzen Positionspapier beschrieben hat.

Darüber hinaus gab es aber auch sinnvolle Maßnahmen wie die Novellierung des BauGB und dem neuen Gebietstypen „Urbanes Gebiet“. Dieser kann dazu beitragen, das vorhandene Wachstumspotenzial unserer Innenstädte weiter auszuschöpfen und bietet neue Perspektiven für die bezahlbare Stadtentwicklung. Der vorgelegte Referentenentwurf hat allerdings noch Verbesserungspotenzial, an dem wir gemeinsam mit der Politik arbeiten werden. Der Gebietstyp muss so schnell wie möglich eingeführt werden. Das ist ein wichtiger Schritt, um gegen die Anspannung insbesondere in den Metropolregionen vorgehen zu können.
Der Klimaschutz ist ein weiteres allumfassendes Thema, das aktuell mit dem Klimaschutzplan 2050 und der Novellierung des Energieeinsparrechts im Fokus steht. In den ersten Entwürfen hat die Politik leider Vorschläge vorgelegt, die gegen die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Technologieoffenheit verstoßen. Die Immobilienwirtschaft versteht sich seit vielen Jahrzehnten als treuer Partner der Politik, wenn es darum geht, die klimaschutzpolitischen Ziele gemeinsam zu erreichen. Dennoch müssen wir die Möglichkeit erhalten, auch eigene Vorschläge einzubringen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Aus diesem Grund haben wir im ZIA eine Task Force Energie gegründet, die eigene, wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen entwickelt, um die Ökobilanz unserer Branche weiter zu verbessern. Erster großer Erfolg ist die jüngste Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums in dieser Legislatur die EnEV für Privatgebäude nicht zu verschärfen.

Die nächsten Monate werden geprägt sein vom Bundestagswahlkampf. Traditionell werden dabei mehrere Forderungen in die Öffentlichkeit gestreut, die mitunter auch gefährliche Eingriffe für die Immobilienwirtschaft bedeuten. Einzelne Ansätze wie eben die Verschärfung der Mietpreisbremse sind bereits jetzt erkennbar. Als ZIA werden wir uns auch in diesem Wahlkampf dafür einsetzen, die Interessen unserer Branche zu vertreten und den Bedürfnissen der Immobilienwirtschaft eine starke Stimme zu verleihen.

Wo steht der deutsche Immobilienmarkt gerade?
Andreas Mattner: Insgesamt befindet sich der deutsche Immobilienmarkt aktuell in einem guten und stabilen Zustand. Die hohe Nachfrage der vergangenen Jahre hat jedoch dazu geführt, dass das Angebot an verfügbaren Immobilieninvestments insbesondere in den Top 7-Städten in Deutschland spürbar knapper wurde. Ein Grund für das starke Interesse insbesondere aus dem Ausland ist die solide wirtschaftliche Lage Deutschlands als größte Marktwirtschaft der Europäischen Union. Insbesondere die unsicheren Zeiten der Finanzkrise haben eindrucksvoll belegt, dass Deutschland ein „sicherer Hafen“ für Anleger ist.
Eine besondere Herausforderung ist momentan die innerdeutsche sowie internationale Wanderungsbewegung. Während insbesondere die deutschen Metropolregionen sowie Groß- und Universitätsstädte weiter wachsen, weisen andere Städte und Gemeinden eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung auf. Die Immobilienwirtschaft und die Stadtentwicklungspolitik stellt das vor besondere Herausforderungen, bei denen sämtliche Nutzungsarten gleichermaßen Berücksichtigung finden müssen. Die Immobilienwirtschaft darf nicht müde werden, diesen Aspekt immer wieder zu betonen, denn beim öffentlichen und politischen Diskurs geht es fast ausschließlich nur um das Wohnsegment. So sieht die Bundesregierung etwa beim neuen Gebietstypen „Urbanes Gebiet“ bislang lediglich Wohn- und Handelsflächen vor. Das ist absurd, wenn man bedenkt, dass Bewohner in urbanen Zentren auch eine Stadt der kurzen Wege – also auch kurze Wege zum Arbeitsplatz – suchen. Diese Möglichkeit der urbanen Quartiersentwicklung wäre laut aktuellem Referentenentwurf nicht gegeben. Die wirtschaftliche Stärke unserer Städte aber beruht auf der Kombination aus allen Bereichen – Wohnen, Arbeiten, Versorgen und Erholen. Dafür braucht es die gesamte Vielfalt unserer Branche.

Wo sehen Sie Risiken? Was sind die größten Herausforderungen für den Immobilenmarkt in den kommenden?
Andreas Mattner: Die finanzmarktpolitischen Diskussionen wurden in den letzten Monaten stark dominiert durch ein erhöhtes Schutzbedürfnis vor Überhitzungen im Finanzierungssegment. Deutschland als stabiler Immobilienmarkt mit geringer Überhitzungsgefahr wurde von den neuen Regulierungen aus Europa ebenfalls beeinflusst. Im März etwa wurde die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Deutschland eingeführt, die insbesondere für ältere und jüngere Wohnimmobilienkäufer den Zugang zu Fremdkapital erschwert. Demnächst soll auch ein Wohnimmobilienkreditregister als Vorstufe der makroprudenziellen Aufsicht erarbeitet werden. Die neuen Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht tragen ebenfalls dazu bei, dass sich das Finanzierungsumfeld für die deutsche Immobilienwirtschaft verschlechtern könnte. Die Immobilienwirtschaft ist als kapitalintensive Branche aber ganz besonders auf ein stabiles Investitionsklima angewiesen. Unüberlegte Eingriffe der Politik könnten die ehrgeizigen Ziele unserer Branche, allen voran die Bezahlbarkeit und Klimaschutz, nachhaltig gefährden.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexits ein?
Andreas Mattner: Der Brexit könnte dazu führen, dass die internationalen Kapitalmärkte verunsichert werden – stellenweise hat sich bereits die Abstimmung in Großbritannien entsprechend ausgewirkt. Nun muss es auf EU-Ebene darum gehen, die Rahmendaten der neuen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Großbritannien für den Fall des Austritts zu formulieren. Unsere Branche, aber auch alle anderen Wirtschaftszweige in Deutschland brauchen Klarheit. Eine europäische Kapitalmarktunion, wie sie die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan vom Herbst 2015 formuliert hat, ist deshalb aktuell so dringlich wie selten zuvor. Eine Auswirkung könnte zudem sein, dass sich internationale Investoren, die zuvor überwiegend in Großbritannien investiert haben, nun auch den deutschen Immobilienmarkt insbesondere in Frankfurt sondieren.

Wie sind die zurückliegenden Änderungen der Politik heute aus Ihrer Sicht zu bewerten?
Andreas Mattner: Die zurückliegende Novellierung des Mietrechts und Einführung der Mietpreisbremse war eine reine Symptombehandlung. Durch die Mietpreisbremse wurde keine einzige Wohnung neu errichtet, die Politik wollte lediglich den Mietenanstieg künstlich stoppen. So funktioniert der Markt allerdings nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Die Diskussion um die Mietpreisbremse hat dazu geführt, dass Entwickler, Vermieter und Finanzierer verunsichert wurden. Dabei ist gerade die Privatwirtschaft angesichts der historisch großen Herausforderungen, die die Immobilienwirtschaft aktuell meistern muss, von enormer Bedeutung. Die Politik sollte also eher daran arbeiten, passende Anreize zu setzen, um das Kernproblem zu lösen, nämlich den erhöhten Wohnraumbedarf und die aktuell noch zu niedrigen Fertigstellungszahlen. Sobald die angespannten Märkte wieder über fungiblen Leerstand verfügen, wird sich die Mieten- und Kaufpreisentwicklung auch normalisieren. Reine Symptompolitik wird keine Wirkung zeigen.

Welche rechtlichen Änderungen stehen der Branche noch bevor? Auf welche rechtlichen Änderungen haben Sie derzeit als Verband ein besonderes Augenmerk?
Andreas Mattner: Neben dem Klimaschutzplan 2050, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auch neue Auflagen für die Immobilienwirtschaft mit sich bringt, und der Einführung des neuen Gebietstypen „Urbanes Gebiet“ müssen wir auch die Reform der Grundsteuer kritisch begleiten. Hessen und Niedersachsen haben hier einen neuen Gesetzentwurf der Länder entwickelt, da das bisherige System der Wertermittlung vom Bundesfinanzhof als nicht mehr verfassungsgemäß beanstandet wurde. Im Rahmen dieser Reform müssten rund 35 Millionen Grundstücke mit unterschiedlichsten Nutzungsarten vollständig erfasst und laufend aktualisiert werden. Zudem ist die Aufkommensneutralität, wie sie von zahlreichen Seiten gefordert wird, gefährdet. Kommunen könnten die Möglichkeit nutzen, die Grundsteuer verdeckt zu erhöhen. Das könnte insbesondere die Nebenkosten für Mieter steigen lassen.

Eine weitere Änderung ist die sogenannte makroprudenzielle Aufsicht. Das Bundesfinanzministerium erarbeitet bereits seit einiger Zeit einen neuen Gesetzentwurf, um gesetzliche Voraussetzungen für eine Obergrenze für Beleihungen von Wohnimmobilien bei der Kreditvergabe zu schaffen. Im ersten Schritt soll ein Berichtssystem geschaffen werden, das Wohnimmobilienkreditregister. Darin sollen der Beleihungsauslauf sowie das Verhältnis der Kredithöhe zum Einkommen des Kreditnehmers erfasst werden. In einem zweiten Schritt sollen dann für die Bundesregierung oder die Bafin die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um im Bedarfsfall eine temporäre Obergrenze für die Beleihung von Immobilien in Deutschland vorzuschreiben. In Anbetracht der hierzulande traditionell konservativen Beleihungsausläufe erscheint ein solcher Schritt nicht notwendig und stellt lediglich einen neuen Hemmschuh für die Kreditvergabe dar.

Wie bewertet der ZIA die steigende Kapitaleinwerbung für Immobilien durch Crowdfunding?
Andreas Mattner: Alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie das Crowdfunding tragen dazu bei, ein lebendiges und vielfältiges Investitionsumfeld für die Immobilienwirtschaft sowie Privatanleger herzustellen, die von der gesunden Entwicklung des Marktes profitieren wollen. Natürlich fehlt in diesem relativ jungen Segment noch die Langzeiterfahrung. Wichtig ist aber, dass die Betreiber der Plattformen darauf achten, eine höchstmögliche Transparenz für die Anleger herzustellen, um auch auf vorhandene Risiken hinzuweisen.

Wo steht der deutsche Immobilienmarkt kurzfristig, wo langfristig?
Andreas Mattner: Angesichts der aktuell gesunden Entwicklung der Märkte können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken. Dennoch müssen wir auch weiterhin mit allen Kräften daran arbeiten, die großen Herausforderungen unserer Branche gemeinsam zu meistern. Unsere angespannten Städte müssen bezahlbar und ganzheitlich wachsen, um neuen Lebensraum für sämtliche Haushalte bieten zu können. Unsere Branche muss sich für die digitale Zukunft wappnen und darf den Anschluss nicht verpassen. Und dabei müssen wir auch den Klimaschutz als Grundlage unserer Arbeit ansehen und die Ökobilanz weiter verbessern. Natürlich ist der Immobilienmarkt auch von äußeren Einflüssen abhängig, auf die wir stets ein Auge werfen müssen, etwa die Situation der deutschen Wirtschaft oder die Lage der Finanzmärkte. Doch haben die vergangenen Krisen gezeigt: Der deutsche Immobilienmarkt ist besonders belastbar.

Dr. Andreas Mattner ist Präsident des Zentralen Immobilienausschusses, ZIA.