Faszination Start-up. Als im Jahr 2011 im deutschsprachigen Raum die Schwarmfinanzierung aufkam, sonnte sich die Szene in dem Lebensgefühl, dass die Crowd nun die Welt aus den Angeln heben würde oder, wenn nicht das, zumindest der deutschen Start-up-Szene Leben eingehaucht würde. Dabei sind Crowdfunding- und Crowdinvesting-Plattformen selbst Start-ups, die noch vor ihrer Bewährungsprobe stehen. Denn in den vergangenen beiden Jahren ließ der anfängliche Boom spürbar nach und gleichzeitig summierten sich die Ausfälle schwarmfinanzierter Unternehmen.

Die Player. Die wichtigsten Plattformen für Start-ups sind Companisto und Seedmatch, weil sie die größte Marktdurchdringung haben und bislang mit großem Abstand die meisten Projekte finanziert haben. Bei Companisto sind nach eigenen Angaben 68.000 Investoren registriert, die gemeinsam rund 37 Millionen Euro in Startups und Wachstumsunternehmen investiert haben. Seedmatch meldet ein Fundraisingvolumen von etwa 31 Millionen Euro.
Eine der kompetenteren Plattformen ist Fundernation, weil sie im Verbund mit der Venture-Capital-Gesellschaft Triangle steht. Ihre geschäftsführenden Gesellschafter Uli Fricke und Bernd Geiger sind profilierte Managern der deutschen Venture-Capital-Branche. Fricke war zudem von 2006 bis 2012 im Vorstand des europäischen Branchenverband Invest Europe (früher European Venture Capital Association, EVCA) tätig, 2010 und 2011 sogar Vorstandsvorsitzende. Fundernation hat aber erst fünf Start-up- und zwei Immobilienfinanzierungen erfolgreich abgeschlossen.
Bis auf Companisto und Seedmatch hat bislang kaum eine Plattform eine hohe Durchschlagskraft bei den Schwarmfinanzierern erreicht, wenngleich es natürlich Mitbewerber wie die Plattformen Fundernation, Kapilendo, Aescuvest und Innovestment gibt. Marktwachstum können die Player jedoch nicht generieren. Im Gegenteil: Während der gesamte Crowdinvesting-Markt voriges Jahr zulegen und laut crowdfunding.de insgesamt 63,8 Millionen Euro bei Anlegern eingesammelt hat, erreichten Start-ups, kleine und mittelständische Unternehmen 2016 nur 18,8 Millionen Euro.

Markt tritt auf der Stelle. Dass der Start-up-Markt stagniert und nicht zurückfällt, dürfte der zunehmenden Größe der einzelnen Finanzierungsrunden zuzuschreiben sein. Denn nach Angaben des Online-Portals Für-Gründer.de ist die Zahl der Finanzierungen 2016 gegenüber 2013 bei nahezu gleichem Volumen von 64 auf 42 Unternehmen gesunken. „Faktisch tritt der Bereich jedoch schon seit 2013 auf der Stelle. Der anfängliche Hype ist verflogen“, meint René Klein, Geschäftsführer von Für-Gründer.de. Die Crowd habe entschieden: für Immobilien und aufgrund des schlechteren Risikoprofils gegen Start-ups.
Marktbeobachter Klein führt das Ende der Euphorie auf mehrere Gründe zurück, zwei macht er besonders stark: Erstens sei die Vertragsgestaltung für die Crowd nicht ideal. Ihre Position sei gegenüber den Unternehmen und anderen Investoren (wie Business Angels) schwach und eine attraktive Rendite sei kaum möglich. Zweitens leide der Markt auch unter der Rolle der Plattformen. Sie würden zwar für den Dealflow sorgen, sich aber nach dem Fundraising zurückziehen. „Aus meiner Sicht ist auch die Rolle bzw. das Selbstverständnis der Plattform nach wie vor ein großes Problem. Besonders deutlich wird dies im Falle von Pleiten. Hier weisen die Plattformen dann schnell darauf hin, dass sie hierfür nicht verantwortlich sind und Start-ups natürlich häufig scheitern – und dies müsse doch jedem Investor bewusst sein“, so Klein. An dieser Stelle würden die Plattformen vergessen, dass sie selbst maßgeblich die Entscheidung für die Finanzierung dieses Start-ups getroffen hätten. Schließlich seien sie für den Dealflow verantwortlich und entscheiden, welches Start-up auf die Plattform kommt.

In der Zwickmühle. Fairerweise muss man sagen, dass die Plattformen rechtlich gesehen nicht viel mehr machen können. Solange sie die Ausnahmeregelungen des Kleinanlegerschutzgesetzes für Schwarmfinanzierungen nützen, dürfen sie nur als Vermittler auftreten und nur partiarische Darlehen und qualifizierte Nachrangdarlehen an die Crowd vermitteln. „Die Crowdinvesting-Plattform kann die Aufgabe übernehmen, zu prüfen, ob alles mit rechten Dingen zugeht“, ergänzt Fundernation-Geschäftsführerin Uli Fricke. Dabei gilt aber, dass die Plattform für das, was sie kommuniziert, auch haften muss. Aus Erfahrung berichtet Fricke, dass es wichtig ist, bei den Investments am Ball zu bleiben. „Es zählt nicht allein die Idee für den Erfolg eines Start-ups. Ich habe viele Unternehmen an der Umsetzung ihrer guten Ideen scheitern gesehen“, so Fricke. In diesem Zusammenhang sind aber wegen der grundlegend vorhandenen Informationsasymmetrie eine hohe Transparenz und eine offene Kommunikation heikle Punkte. Beides ist wichtig, versichern Fricke und ihr Branchenkollege Tamo Zwinge, Geschäftsführer von Companisto. Dabei gibt es aber ein Problem: Einerseits sind die Start-ups nicht gewohnt, regelmäßig und professionell zu kommunizieren. Abgesehen davon fehlen den Jungunternehmen meistens die erforderlichen Ressourcen. Andererseits steigt das Informationsbedürfnis der Investoren und der Öffentlichkeit, wenn das Unternehmen in eine Krise gerät. Die Krisenkommunikation überfordert aber viele Start-ups, weil sie dann ohnehin viele Themen gleichzeitig bewältigen müssen. „Wir wollen kommunizieren, können die Informationen aber nicht erzwingen. Die Erfahrung zeigt jedenfalls, dass die Investoren positiv auf eine offene Kommunikation reagieren, auch wenn sich das Unternehmen in Schwierigkeiten befindet“, berichtet Zwinge. Er vertritt überdies aber die Ansicht, dass die gemeine Öffentlichkeit keinen Anspruch auf Informationen von dem und über das Start-up hat. „Die Emission eines Crowdinvestments rechtfertigt diese Forderung nicht“, meint Zwinge.

Teil II stellt einzelne Start-up Projekte vor und zeigt die Erkenntnisse aus deren Entwicklung auf.

Der Beitrag ist Teil der Fondszeitung 2/2017 zum Thema "Digitalisierung, Dynamisierung und die Crowd". Die Ausgabe kann beim Verlag angefordert werden: mail@welther-verlag.de