Workshop. Am 19. Mai fand in Frankfurt der Workshop „Due Diligence bei Seniorenimmobilien“ von Managment-Circle statt. Seminarleiter Nikolaos Tavridis, Geschäftsführer der auf Seniorenimmobilien spezialisierten Unternehmensberatung Axion Consult GmbH, stellte sich unter anderem folgenden Problematiken bei der Einschätzung von Seniorenimmobilien.

Wer pflegt. Mit steigendem Grad an Dienstleistungen und sinkendem Wohnaspekt wird zwischen seniorengerechtem Wohnen, betreutem Wohnen und Pflegeheimen unterschieden. Gegenwärtig werden 32 Prozent der Pflegebedürftigen stationär betreut. Dieser Anteil soll bis zum Jahr 2020 nur um ein Prozent steigen. Die durchschnittliche Belegung von Pflegeheimen ist von 89 Prozent im Jahr 2000 auf schätzungsweise 85,5 Prozent im Jahr 2009 gesunken. Das Wachstum im Bereich der ambulanten Betreuung sieht Nikolaos Tavridis von 24 auf 28 Prozent der Gesamtversorgung optimistischer. Den jeweiligen Rest übernehmen Angehörige.

Pflegeversicherung. Zum 1. Juli 2008 wurde der Beitragssatz für die Pflegeversicherung auf 1,95 Prozent des Bruttoeinkommens (2,2 Prozent für Kinderlose) erhöht. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit reicht dieser Betrag aus, um die Leistungen bis in das Jahr 2013 hinein zu finanzieren. Bis Ende 2013 werden die Leistungen der Pflegeversicherung in der vollstationären Pflege der Pflegestufen I und II nicht an die Inflation angepasst, nur leider lässt sich diese nicht wegdiskutieren. Kalkulierte Erlössteigerungen der Heimbetreiber sind folglich oftmals Illusionen. Wie sich die Leistungen der Pflegeversicherung ab dem Jahr 2014 darstellen, bleibt momentan ungewiss. Eines scheint jedoch klar, wesentliche Einschneidungen in der Pflegeversicherung würden zu massenhaften Insolvenzen von Pflegeheimen führen.

Standort. Die Standortqualität ist von allerhöchster Bedeutung. Eine zentrale Rolle spielen die Bedürfnisse der künftigen Heimbewohner oder Angehörigen, die sich letztendlich für ein Heim entscheiden sollen. Befinden sich Einrichtungen in der Nähe, aus denen potentielle Pflegebedürftige in das Heim vor Ort wechseln könnten? Weil überschlägige Berechnungsformeln hier oft zu unsinnigen Ergebnissen und die Festlegung ungeeigneter Einzugsgebiete zu falschen Bedarfszahlen führen ist eine stufenweise, akribische Ermittlung der momentan und zukünftig zu erwartenden Anzahl an Pflegebedürftigen vor Ort unabdingbar.

Immobilie. Es ist nicht nur der Betreiber, der den Baukörper bestimmen sollte. Eine möglichst hohe Flexibilität in der Gestaltung könnte die Immobilie bei notwendig gewordenen Nutzungsänderungen retten. Energiesparendes Bauen hebt nicht nur den Gebäudewert, sondern unterstützt vor allem langfristig die Möglichkeit des Betreibers, die Immobilie nachhaltig zu bewirtschaften. Die Bewohner sollten ein Ambiente vorfinden, in dem sie sich wohlfühlen.

Betreiber. Die Auswahl des Betreibers erfordert dessen wirtschaftliche Tiefenprüfung. Wie arbeitet das Management, nach welchem Geschäftskonzept, über welche Personalkapazitäten verfügt das Unternehmen, durch welche Kooperationspartner können Patienten hinzugewonnen werden? Investoren müssen zwingend darauf achten, dass der Betreiber sein Heim tatsächlich wirtschaftlich betreiben und die Miete nachhaltig erwirtschaften kann. Es gibt Betreiber, die beispielsweise an Instandhaltungsaufwendungen sparen, um ihre Pflegeleistungen sichern zu können.

Schwieriger werdende Bedingungen für Pflegeheime. Pflegeheime unterliegen einem vielschichtigen Verdrängungswettbewerb hinsichtlich der Bauqualität, des Angebots und der Preise, die ein Pflegebedürftiger zahlen muss. Die gesetzlichen und kostenmäßigen Voraussetzungen sind dabei in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden. Als zunehmend problematisch stellen sich die Personalkosten dar, die zwischen 70 bis 75 Prozent der Gesamtkosten verursachen. Fachpersonal ist knapp und wird teurer, mit steigender Tendenz in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Allerdings können diese Kostenerhöhungen nicht vollständig weitergegeben werden – die Zahlungen für die vollstationäre Pflege der Pflegeversicherungsstufen I und II bleiben unverändert und Sozialversicherung sowie Pflegebedürftige sind kaum bereit, alle Erhöhungen zu übernehmen. Zahlt der Betreiber darüber hinaus eine zu hohe Miete, kann weniger Personal eingestellt werden als geplant – übrigens wird die finanzierende Bank in diesem Fall auch sparsamer bei ihrer Darlehensbereitstellung. Der geringere Personaleinsatz wird gegenüber der Öffentlichkeit meist verschwiegen. Kein Problem für den Pflege-TÜV, denn der benotet nicht, ob genügend Pflegepersonal eingesetzt wird. Eine mangelhafte Betreuung der Heimbewohner dürfte sich jedoch früher oder später herumsprechen und die Zukunftsträchtigkeit des Hauses ernsthaft gefährden.

Betreutes Wohnen, ja – aber kostengünstig. Investoren konzentrieren sich im Segment Seniorenimmobilien derzeit auf Pflegeheime. Betreutes Wohnen unterliegt geringeren gesetzlichen Vorschriften. Im Unterschied zu Pflegeheimen können für gleiche Pflegeleistungen auch Zahlungen der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Die gesetzlichen Reglementierungen beispielsweise im Personaleinsatz oder bezüglich des Gebäudes sind wesentlich eingeschränkter. Allerdings bestehen Überkapazitäten an betreuten Wohnungen mit Mieten über 30 Euro je Quadratmeter. Nur an wenigen Standorten konnten sich diese etablieren. Ist betreutes Wohnen gepaart mit erträglichen Mieten bestehen jedoch Investitions-Chancen.

fondstelegramm-Meinung. Ein Seniorenheim rechnet sich für einen Investor nur, wenn wirklich alles stimmt – Standort, Betreiber, Vertragssituation, Immobilie, Konzept. Ein Heim, das nur über den Weg der personellen Unterdeckung existieren kann, hat kaum Zukunftschancen. Bis in das Jahr 2013 hinein bleiben die Leistungen der Pflegeversicherungen der Stufen I und II im vollstationären Bereich unverändert, bei steigenden Kosten. Ab 2014 werden neue Pflegesätze ausgehandelt. Ob das Ergebnis Erhöhungen sein werden oder eher der Rotstift angesetzt wird, ist ungewiss. Gewiss, aber unverständlich ist nur, dass für Pflegebedürftige im vollstationären und im ambulanten Bereich für gleiche Leistungen unterschiedlich viel gezahlt wird, denn ambulant Betreute erhalten auch Leistungen von der Krankenkasse. Betreutes Wohnen erfreut sich folglich eines finanziellen Vorteils und ist darüber hinaus mit weniger gesetzlichen Vorschriften konfrontiert als ein Pflegeheim.

Die Investition in kostengünstiges Betreutes Wohnen könnte derzeit mehr Chancen bieten als die Investition in ein Pflegeheim.