Sammelklage. Das Modell der Sammelklage bringt für Anleger einen entscheidenden Vorteil: Ein Einzelner oder ein Verband kann stellvertretend Ansprüche für viele Geschädigte durchsetzen, ohne dass jeder Einzelne eine Klage einreichen muss. Eine Klageerhebung ist jedoch für jeden einzelnen erforderlich, da Ansprüche sonst verjähren. Bei Sammelklagen erhöht sich die Chance, sich über einen Vergleich zu einigen, weil sich auf den Gegner der Druck enorm erhöht. Vor allem Prozesse in den USA zeigen, dass die Vergleichsbereitschaft bei Sammelklagen hoch ist.

Modelle. Es gibt vier Modelle einer Sammelklage. Erstens: die Sammelklage nach US-Typ, bei der einer für alle klagt. Zweitens: die Gruppenklage, bei der alle gemeinsam klagen. Es gibt die Repräsentativklage; hier klagt ein Vertreter nur für sich selbst, das Urteil kann aber auch für andere wirken. Und schließlich das Musterklageverfahren, das eine Entscheidung über die Fehlerhaftigkeit etwa von Prospekten herbeiführt, jedoch keine Entscheidung über die einzelnen Ansprüche bewirkt. Rechtsanwalt Peter Mattil hält das US-Verfahren für das effektivste, gibt aber zu bedenken, dass sich die unterschiedlichen Verfahren in vielen Ländern noch in einer Experimentierphase befinden und daher kaum Erfahrungen vorliegen.

Europa. Die europäische Kommission plant die Einführung einer europäischen Sammelklage. Dazu holt sie derzeit Expertenmeinungen und Gutachten ein. Bis Ende dieses Jahres will die Kommission einen ersten Bericht und eventuell auch ein Konzept vorlegen. „Die Lobby der Finanzbranche bemüht sich massiv, die Pläne zu verhindern“, beobachtet Peter Mattil. Der Anlegeranwalt geht jedoch davon aus, dass sich die Kommission nicht beirren lassen wird. Einige europäische Staaten haben bereits Modelle umgesetzt, die einer Sammelklage zumindest nahe kommen.

Hürden. Eine entscheidende Frage für eine europäische Sammelklage wird sein, wie sich alle Besonderheiten in den Rechtssystemen der einzelnen Staaten unter einen Hut bekommen lassen. „Die Vorschriften über die Prospekthaftung sind praktisch in jedem Land anders. Die meisten Staaten kennen gar keine spezialgesetzliche Prospekthaftung“, gibt Peter Mattil zu bedenken. In Deutschland besteht eine Ausschlussfrist von sechs Monaten für Prospektansprüche, während sich Anleger in Frankreich je nach Anspruch zehn bis 30 Jahre Zeit lassen können. In manchen Ländern sind die Gerichtskosten abschreckend hoch, während andere Staaten gar keine Gerichtskosten erheben. Auch Sprachbarrieren werden zu überwinden sein, wenn sich etwa deutsche Anleger einem Sammelverfahren in Griechenland anschließen.

Kapmug. Mit dem Beginn des Telekom-Prozesses ist das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz – kurz: Kapmug – stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Über das Kapmug lässt sich allerdings lediglich klären, ob eine Kapitalmarktinformation, etwa ein Prospekt oder eine Adhoc-Mitteilung, falsch ist. Jeder Geschädigte muss seinen Schaden gerichtlich geltend machen und beweisen. Es gibt keinen Schadensersatz, wenn ein Anleger Wertpapiere nicht auf Grund eines Prospekts oder mehr als sechs Monate nach Prospektveröffentlichung erworben hat oder wenn seine Ansprüche verjährt sind. Das Kapmug gilt außerdem nicht für Ansprüche gegenüber Vermittlern, Beratern und finanzierenden Banken. Diese Ansprüche müssen gesondert geltend gemacht werden. Bereits im Jahr 2010 tritt das Kapmug außer Kraft.

Die europäische Sammelklage ist beschlossene Sache, die Umsetzung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.