Interview mit Mathias Nittel, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Witt Nittel, Rechtsanwälte.

fondstelegramm: Seit gut zwei Jahren besteht für Anbieter geschlossener Fonds eine Prospektpflicht. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz?
Mathias Nittel: Leider negativ. Bedauerlich ist die Tendenz, die Haftung für fehlerhafte Prospekte für Vermögensanlagen deutlich zu reduzieren. Zudem verlagert sich die Haftung weg von den handelnden Personen hin zu billigen Kapitalgesellschaften. In der Folge können Anbieter ohne persönliches Risiko Produkte auf den Kapitalmarkt bringen, die, um es vorsichtig auszudrücken, die Anleger eindeutig übervorteilen. Unjuristisch könnte man von legalem Betrug sprechen. Wenn der Gesetzgeber eine solche Mogelpackung als Anlegerschutzverbesserungsgesetz verkauft, scheinen die Folgen dem politischen Willen zu entsprechen.

fondstelegramm: Inwieweit wurden Anlegerrechte beschnitten und Haftungsrisiken für unseriöse Anbieter reduziert?
Mathias Nittel: Durch die gesetzliche Normierung der Prospekthaftung für Produkte des immer noch grauen Kapitalmarkts wurden der Haftungsumfang massiv beschnitten und die Verjährungsfrist deutlich verkürzt. Initiatoren müssen sich heute schon sehr ungeschickt anstellen, um sich überhaupt Prospekthaftungsansprüchen auszusetzen.

fondstelegramm: Inwiefern hat der Gesetzgeber die Prospektverantwortlichen haftungsrechtlich besser gestellt?
Mathias Nittel: Nach den ehemals geltenden, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hafteten diejenigen, die für fehlerhafte Prospekte verantwortlich waren, bei Vorsatz und jeder Form der Fahrlässigkeit. Seit der gesetzlichen Normierung der Prospekthaftung für Produkte des grauen Kapitalmarkts ist diese Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit den Prospektverantwortlichten in einem Prozess zu beweisen, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Erschwert wird dies noch dadurch, dass Schadensersatzansprüche wegen Prospekthaftung nur noch die Anleger geltend machen können, deren Zeichnungsschein in den ersten sechs Monaten nach Vertriebsbeginn angenommen wurde. Außerdem verkürzte sich die Verjährung von drei Jahre nach Zeichnung auf drei Jahre nach Vertriebsbeginn. In den meisten Fällen wird der Anleger vor Ablauf der Verjährungsfrist gar nicht merken, dass Prospektangaben fehlerhaft waren. Ein Initiator muss sich schon sehr dumm anstellen, damit sein Fonds nicht für die Dauer von drei Jahren ab Vertriebsbeginn die prognostizierten Ausschüttungen notfalls aus Rücklagen leistet und auch ansonsten ein rosiges Bild zeichnet, um die Anleger in zufriedener Unwissenheit zu halten.

fondstelegramm: Welche Auswirkungen hat die haftungsrechtliche Besserstellung der Initiatoren und Konzeptionäre für die Vertriebe?
Mathias Nittel: Die Vertriebe und freien Anlageberater werden dadurch noch stärker als bisher in den Fokus geschädigter Anleger geraten. Sie haften bei der Verwendung fehlerhafter Prospekte, deren Inhalt sie im Rahmen der Plausibilitätsprüfung in die Tiefe prüfen müssen, auch für leichte Fahrlässigkeit. Hier fallen also die Haftungsmaßstäbe für die Prospektverantwortlichen und die Vertriebe weit auseinander.

fondstelegramm: Ein halbes Jahr nach Vertriebsstart erlischt für Neuzeichner die Chance, bei Problemen gegen die Verantwortlichen Prospekthaftungsansprüche geltend zu machen. Welche Folgen hat das für den Vertrieb, welche Nachteile für die Anleger?
Mathias Nittel: Ich möchte ja eigentlich keine Anleitung zur Umgehung der Prospekthaftung geben, aber wenn ein Initiator mit der Platzierung sehr langsam anfängt, fünf Monate nach Vertriebsbeginn den Vertrieb intensiviert und vor Ablauf von sechs Monaten nach Vertriebsbeginn nur wenige Fondszeichner aufnimmt, hätte er seine ohnehin geringen Risiken weiter erheblich minimiert. Es wird zwar unter Juristen diskutiert, dann, wenn sich eine solche planmäßige Umgehung nachweisen lässt, auch späteren Zeichnern Prospekthaftungsansprüche zuzubilligen. Diese Diskussion ist aber eher akademischer Natur, denn auch hier dürften Anleger in der Regel an fehlenden Beweisen für die gezielte Umgehung scheitern. Im Ergebnis bleiben dann abermals nur Schadenersatzansprüche gegen den Vertrieb und freie Anlageberater. Aber da auch hier immer öfter mit vergleichsweise geringem Kostenaufwand auszuwechselnde Kapitalgesellschaften als Haftungsschutz zwischengeschaltet werden, gehen auch diese Ansprüche der Anleger immer öfters ins Leere.

fondstelegramm: Wie beurteilen Sie generell die Verjährungsfrist, nach der spätestens drei Jahre nach Veröffentlichung des Prospekts Prospekthaftungsansprüche erlöschen?
Mathias Nittel: Ich halte sie bei Produkten des grauen Kapitalmarkts für sehr problematisch. Anders als bei der Haftung für fehlerhafte Börsenprospekte, bei der die kurze Verjährung schon lange gesetzlich festgelegt ist, haben wir bei Produkten des grauen Kapitalmarkts keinen Markt, der zumindest in der Theorie allwissend ist, einer permanenten Transparenz unterliegt und negative Informationen unmittelbar in die Kursentwicklung einfließen lässt, von der unmittelbaren Publizität negativer Informationen gar nicht zu reden. Für geschlossene Fonds, atypisch stille Beteiligungen und Genussrechte gibt es zudem keine tägliche Preisbildung, keine fortlaufende Transparenz und auch keine ständige Medienberichterstattung. Der Anleger merkt in der Regel erst nach mehreren Jahren, wenn Ausschüttungen ausbleiben oder Nachschüsse angefordert werden, dass mit seiner Beteiligung irgendetwas nicht stimmt. Diese gänzlich anders geartete Informationsmöglichkeit für Anleger müsste, wenn man es mit dem Anlegerschutz ernst nimmt, eine dreijährige Verjährungsfrist verbieten.

fondstelegramm: Wie lässt sich aus Ihrer Sicht mehr Anlegerschutz bewirken?
Mathias Nittel: Drei Punkte halte ich für maßgebend. Erstens: Die Prospekthaftung wird auf die Organe der Anbieter und Emittenten, also die Geschäftsführer und Vorstände und damit die eigentlich handelnden Personen erweitert. Zweitens: Die Haftung wird auf Vorsatz und alle Formen von Fahrlässigkeit erstreckt. Drittens: Prospekthaftungsansprüche bei Produkten des grauen Kapitalmarkts werden der Regelverjährung unterworfen und verjähren spätestens zehn Jahren ab Beitritt. Mit der Umsetzung dieser drei Punkte wäre Deutschland nicht mehr ein Eldorado für unseriöse Anbieter und ihre Produkte. Ich bin mir sicher, dass dies umgehend eine starke Marktbereinigung zur Folge hätte, weil den Verantwortlichen das Risiko, persönlich für den Schaden ihrer unseriösen Produkte haften zu müssen, zu groß würde.

Herr Nittel, vielen Dank für das Gespräch.