Interviews vor der Bundestagswahl. fondstelegramm bat die großen Parteien, darzulegen, welche Rolle sie dem geschlossenen Fonds in ihrem politischen Programm beimessen. Das Interview mit Dirk Niebel, Generalsekretär der FDP, bildet den Auftakt einer kleinen Serie.

fondstelegramm: Welche Rolle spielt der geschlossene Fonds im finanzpolitischen Konzept Ihrer Partei?
Dirk Niebel: In der aktuellen Finanzkrise gewinnen Sachanlagen weiter an Bedeutung. Das beispielsweise von den geschlossenen Fonds eingeworbene Eigenkapital ist auch ein wichtiger Bestandteil der Mittelstandsfinanzierung in Deutschland. Aus Sicht der FDP dürfen alternative Anlageformen für Privatpersonen und institutionelle Investoren daher nicht an ideologischen Hürden scheitern. Die FDP setzt sich daher für eine steuerrechtliche und regulatorische Gleichstellung vergleichbarer Anlageinstrumente ein.

fondstelegramm: Dem Markt der geschlossenen Fonds sind in den vergangenen zwölf Monaten die Umsätze weggebrochen. Droht die Branche aus Ihrer Sicht an volkswirtschaftlicher Relevanz zu verlieren?
Dirk Niebel: Geschlossene Fonds werden auch in Zukunft eine entscheidende Anlageform darstellen, sofern Sie für Anleger attraktive Risiko-Rendite-Relationen versprechen.

fondstelegramm: Die Immobilienfinanzierer rufen hierzulande nach attraktiven steuerlichen Vorteilen. Gibt es in Ihrer Partei Überlegungen, tatsächlich neue Anreize für Investitionen in Immobilien zu schaffen? Wie könnten die aussehen?
Dirk Niebel: Die FDP setzt sich für ein einfaches Steuersystem mit grundsätzlich niedrigen Steuersätzen ein. Dabei muss der Grundsatz „nicht steuern mit Steuern“ wieder stärker gewichtet werden. Privatwirtschaftliche Anlage- und Altersvorsorgeprodukte sollten daher steuerrechtlich gleichgestellt werden. Immobiliengebundene Investitionszulagen sind nur zu rechtfertigen, wenn hierdurch sozialpolitische Ziele unmittelbar erreicht werden. Dies ist etwa bei der denkmalgerechten Gebäudesanierung der Fall.

fondstelegramm: Die Schiffsbranche ist froh über die Tonnagesteuer, hält sich aber kaum an ihre Zusagen und nimmt die meisten Schiffe unter ausländische Flagge. Sehen Sie hier politischen Handlungsbedarf, etwa in der Form, die Tonnagesteuer zu modifizieren?
Dirk Niebel: Eine mögliche Novellierung der Tonnagesteuer steht gegenwärtig nicht im finanzpolitischen Fokus.

fondstelegramm: Die deutsche Private-Equity-Branche liegt am Boden und fordert politische Unterstützung. Eine Forderung zur Unzeit? Oder können Sie sich weitere Unterstützung für dieses Segment vorstellen?
Dirk Niebel: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben mittlerweile kaum noch Fremdfinanzierungsmöglichkeiten. In dieser schwierigen Situation kann die Private-Equity-Branche den Unternehmen eine wichtige Stütze sein.

fondstelegramm: Der geschlossene Fonds zählt nach wie vor zu den weitgehend unregulierten Finanzprodukten. Wie stehen Sie zu einer Regulierung dieser Produktsparte?
Dirk Niebel: Die FDP setzt sich für eine steuerrechtliche und regulatorische Gleichstellung vergleichbarer Anlageinstrumente ein.

fondstelegramm: Welche Signale empfangen Sie aus Brüssel? Wird sich die nächste Bundesregierung aufgrund von EU-Vorgaben die geschlossenen Fonds für eine Regulierung vornehmen müssen?
Dirk Niebel: Die Europäische Kommission hat eine Richtlinie zu den Managern alternativer Investmentfonds vorgeschlagen. Dieser Entwurf, der im Vorfeld nicht von den Mitgliedstaaten beraten wurde, muss eingehend diskutiert werden. Der Richtlinientext und auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion machen deutlich, dass es der Kommission und der Regierung vorrangig darum geht, Risiken, die von Hedgefonds und Private-Equity-Fonds ausgehen könnten, zu minimieren. Es darf jedoch nicht zu Kollateralschäden dergestalt kommen, dass Fonds, die diese Risiken nicht aufweisen, unangemessen reguliert werden. So stellt sich bei geschlossenen Fonds die Frage, welchen Sinn die jährliche Bewertung haben soll. Deutsche geschlossene Fonds sind ein nationales Produkt, bei dem es keinen europäischen Regulierungsbedarf gibt. Die Bundesregierung muss bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene hier differenziert vorgehen. Sie darf auch in Wahlkampfzeiten nicht blind mit der Regulierungskeule um sich schlagen.

fondstelegramm: Wie sähe eine Regulierung nach Ihren Vorstellungen aus?
Dirk Niebel: Aus Sicht der FDP bedarf es einer besseren, smarteren Regulierung. Hierbei muss auf internationaler Ebene sichergestellt werden, dass Regulierungs-Arbitrage durch unterschiedliche Gesetzgebung weitestgehend unterbunden wird. Vergleichbare Anlageprodukte sollten dabei grundsätzlich regulatorisch gleichgestellt werden.

fondstelegramm: Lassen sich aus Ihrer Sicht sämtliche Finanzprodukte einheitlich regulieren? Oder inwiefern müssten produktspezifische Regelungen getroffen werden?
Dirk Niebel: Ziel jeder Regulierung am Finanzmarkt muss ein funktionsfähiger Wettbewerb sein. Die Marktteilnehmer müssen Vertrauen in das System haben können. Dieses Vertrauen ist derzeit verloren gegangen. Wir brauchen nicht mehr, sondern bessere Regelungen für den Finanzmarkt. Dabei müssen wir das Subsidiaritätsprinzip konsequent anwenden. Wie bei der AIFM-Richtlinie angesprochen, bringt es nichts, wenn gemeinschaftsrechtliche Regelungen getroffen werden, die nationale Besonderheiten ignorieren. Auf der anderen Seite bringt es nichts, wenn nationale oder europäische Alleingänge bei Produkten vorgenommen werden, die sich nur im globalen Rahmen regulieren lassen, wie das Beispiel Hedgefonds zeigt.

fondstelegramm: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht prüft die Prospekte geschlossener Fonds bislang nur formal. Befürworten Sie eine Ausdehnung der Prospektprüfung durch die Bafin? Wie könnte eine Erweiterung aussehen? Und wie ließe sie sich umsetzen?
Dirk Niebel: Die FDP spricht sich für eine Konzentration der Aufsicht bei der politisch unabhängigen Deutschen Bundesbank aus. Dies verhindert Reibungsverluste und strafft Arbeitsabläufe. Zugleich muss die Aufsicht verstärkt, professionalisiert und auf wesentliche Kernaufgaben fokussiert werden. Eine Verwischung der Aufgaben mit verbraucherpolitischen Anliegen – wie beispielsweise eine umfangreiche Prospektprüfung – steht dieser Zielsetzung entgegen.

fondstelegramm: Die Bafin hat vorgeschlagen, Anteile an geschlossenen Fonds als Finanzinstrumente dem Kreditwesengesetz zuzuordnen. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?
Dirk Niebel: Die FDP spricht sich für eine wohlwollende Evaluierung dieses Anliegens aus. Im Rahmen einer umfangreichen Novellierung des Kreditwesengesetzes muss sichergestellt werden, dass vergleichbare Anlageprodukte regulatorisch gleichgestellt werden.

fondstelegramm: Geschlossene Fonds als Finanzinstrumente hätten vor allem Auswirkungen auf die Vertriebe, die dann eine Zulassung nach Paragraf 32 Kreditwesengesetz benötigten. Der Konzentrationsprozess auf der Vertriebsseite würde sich verschärfen. Gewollt? Oder eher ein problematischer Nebeneffekt?
Dirk Niebel: Die FDP spricht sich für einen intensiven Preis- und Leistungswettbewerb im Finanzvermittlergewerbe aus. Aufwendige Transparenz- und Dokumentationsvorschriften müssen daher auf ein sozialpolitisch notwendiges und wirtschaftspolitisch sinnvolles Niveau zurückgeführt werden. Mögliche Auswirkungen einer regulatorischen Gleichstellung vergleichbarer Anlageprodukte auf die Vertriebssysteme müssen eingehend geprüft werden.

fondstelegramm: Welchen Regulierungsbedarf sehen Sie generell auf der Vermittlerseite?
Dirk Niebel: Finanzanlagen erhalten zunehmend Ersatzfunktion für staatliche Leistungen im Alter. Daher ist ein Aufsichts- und Regulierungsvakuum im so genannten grauen Kapitalmarkt nicht mehr hinnehmbar. Die erheblichen Unterschiede in der Regulierung von unterschiedlichen Finanzprodukten und Finanzvermittlern sind auf den Prüfstand zu stellen. Der Anlegerschutz gegen unseriöse Produktanbieter und Falschberatung sollte prinzipiell unabhängig davon gewährleistet werden, welches Produkt oder welcher Vertriebsweg vorliegt. Daher sollten alle Optionen geprüft werden, die zu mehr Konsistenz und Einheitlichkeit im Anlegerschutz führen. Anforderungen, die das Verhältnis Vermittler und Berater zum Kunden regulieren, sollten sich am konkreten Schutzbedürfnis orientieren. Je unabhängiger ein Vermittler von einem Produktanbieter agiert und damit zum Anwalt des Kunden wird, desto geringer stellt sich das Schutzbedürfnis des Kunden vor einseitiger Beratung dar.
Die fachliche Qualität aller Berater und Vermittler muss unabhängig von der Art des Vertriebs gewährleistet sein, dies ist der Schlüssel zu besserer Beratung. Es sollte nicht länger hingenommen werden, dass der Vertrieb von komplexen Finanzprodukten in Teilbereichen des Marktes ohne jegliche Qualifikation möglich ist. Als Folge der hohen Komplexität von Versicherungs- oder Bankprodukten werden Entscheidungen des Kunden auch in Zukunft durch die Vertrauensbeziehung zum Berater oder Finanzvermittler geprägt bleiben. Daher sollte der Kunde ein Minimum an fachlicher Kompetenz des Beraters oder Vermittlers auf Grundlage einer nachweisbaren Qualifikation erwarten können.

fondstelegramm: Welche Lehren ziehen Sie aus den anhaltenden Marktturbulenzen?
Dirk Niebel: Bei der Finanzkrise handelt es sich nicht um eine Anlegerkrise, sondern in erster Linie um eine Kreditkrise. Dennoch sind Anleger tief verunsichert. Eine beträchtliche Zahl von Anlegern hat erhebliche Teile ihres Vermögens mit Anlagen eingebüßt, die von Anlageberatern als sichere Anlageform bezeichnet worden waren. Die Krise bietet die Chance, Fehlentwicklungen im gesamten Bereich der Beratung und der Vermittlung von Finanzprodukten zu korrigieren und die Grundsätze guter Unternehmensführung zu verbessern. Dabei sind regulatorische Schnellschüsse und punktuelle Regelungen zu vermeiden. Es kann nicht darum gehen, dem Verbraucher die Risiken des Kapitalmarkts vollständig abzunehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.