fondstelegramm: Herr Greiner, das Bundesverfassungsgericht hat die Ermittlung des Wertes einer Erbschaft beziehungsweise Schenkung nach geltendem Recht für verfassungswidrig erklärt. Was sind die entscheidenden Beweggründe?

Christoph Greiner: Entscheidend für diesen Richterspruch war, dass nach heutigem Recht bestimmte Vermögensarten unterschiedlich bewertet werden. Für betriebliches Vermögen von Unternehmen werden beispielsweise grundsätzlich die Steuerbilanzwerte herangezogen. Das führt dazu, dass der Wert eines Unternehmens in der Regel weit hinter seinem Verkehrswert zurückbleiben kann. Auf die erbschaftssteuerliche Bewertung eines Unternehmens wirken sich dadurch einerseits Abschreibungen oder bilanzpolitische Maßnahmen des Unternehmers aus. Andererseits werden bestimmte immaterielle Vermögenswerte, wie der Geschäfts- oder Firmenwert, teilweise gar nicht berücksichtigt. Ähnliches gilt für Anteile an Kapitalgesellschaften, die nach dem Stuttgarter Verfahren bewertet werden.

fondstelegramm: Und wie steht es um die Bewertung von Immobilien?

Christoph Greiner: Hier werden so genannte Bedarfswerte herangezogen, die auf einem vereinfachten Ertragswertverfahren basieren und ebenfalls stark von den jeweiligen Verkehrswerten abweichen. Demgegenüber wird Barvermögen mit seinem tatsächlichen Wert angesetzt. Diese Ungleichbehandlung muss nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun beseitigt werden.

fondstelegramm: Wie bewerten Sie die Entscheidung?

Christoph Greiner: Die Entscheidung war im Prinzip so zu erwarten. Es ist dennoch bemerkenswert, mit welcher Eindeutigkeit die bisherigen Bewertungsregeln für verfassungswidrig erklärt werden. Das Verfassungsgericht fordert vom Gesetzgeber widerspruchsfreie Regelungen. Es ist in der Tat unverständlich, warum beispielsweise bei treuhänderisch gehaltenen Beteiligungen an vermögensverwaltenden Immobilienfonds nach Ansicht der Finanzverwaltung schon jetzt die tatsächlichen Werte gelten sollen, bei Direktbeteiligungen jedoch die wesentlich niedrigeren Bedarfswerte für Grundvermögen. Der Gesetzgeber hat nun die Chance für höhere Transparenz und Verständlichkeit des Erbschafts- und Schenkungsteuerrechts zu sorgen.

fondstelegramm: Welche Konsequenzen zieht die Entscheidung nach sich?

Christoph Greiner: Es wird ein komplett neues Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht geben müssen. Dabei zeichnet sich ab, dass Immobilien, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften ebenso wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen künftig höher bewertet werden. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie am Ende auch höher besteuert werden. Die Verfassungsrichter haben dem Gesetzgeber viel Spielraum für Verschonungsregelungen gegeben.

fondstelegramm: Wie wirkt sich die Entscheidung konkret auf geschlossene Fonds aus?

Christoph Greiner: Die Auswirkungen für die Anleger bei Erbschaften oder Schenkungen von Beteiligungen an geschlossenen Fonds hängen davon ab, in welcher rechtlichen Form sie sich beteiligt haben und in welche Assetklasse der Fonds investiert. Die zu erwartende höhere Bewertung von Immobilien und Anteilen an Kapitalgesellschaften wird sich auf vermögensverwaltende Private-Equity- oder Immobilienfonds mit deutschem Grundvermögen auswirken. Für gewerbliche Fondsgesellschaften wie Schiffsfonds gelten nach einer Neuregelung nicht mehr die regelmäßig günstigeren Steuerbilanzwerte. Damit werden einige Assetgruppen geschlossener Fonds für die Erbschafts- und Schenkungssteuer in Zukunft sicherlich höher bewertet, aber nicht unbedingt generell höher besteuert werden als bisher. Absehbar ist allerdings schon jetzt, dass die bisherigen Betriebsvermögensprivilegierungen, das heißt Freibetrag und Bewertungsabschlag, für gewerbliche Fondsgesellschaften wie Schiffsfonds oder einige Lebensversicherungsfonds mit inländischem Betriebsvermögen in Zukunft wohl entfallen werden.

fondstelegramm: Wie sollten Vertriebe geschlossener Fonds mit der Entscheidung gegenüber ihren Kunden umgehen?

Christoph Greiner: Zunächst bleibt für die Branche alles beim Alten. Es sollte zuerst geprüft werden, welche Auswirkungen sich für den konkreten Fonds überhaupt ergeben. Nicht alle Fonds werden betroffen sein. Ein Immobilienfonds mit Büroimmobilien im Ausland beispielsweise fällt entweder unter steuerliche Sonderregelungen in einem Doppelbesteuerungsabkommen oder wird als Auslandsvermögen schon heute mit dem tatsächlichen Wert für Zwecke der deutschen Besteuerung bewertet. Ein anderes Beispiel: Fondsbeteiligungen, bei denen die Anleger nur mittelbar als Treugeber beteiligt sind, werden aufgrund eines Erlasses der Länderfinanzministerien aus 2005 bereits jetzt mit dem tatsächlichen Wert bewertet. Die Auswirkungen lassen sich also nicht verallgemeinern.

fondstelegramm: Der Gesetzgeber hat bis Ende 2008 Zeit, eine Neuregelung zu treffen. Worauf wird es bei der Neuregelung ankommen?

Christoph Greiner: Das Bundesverfassungsgericht will zukünftig die Belastung des Steuerpflichtigen auf eine einheitliche Grundlage gestellt wissen, die sich an realitätsgerechten Werten orientiert. Es müssen vor allem geeignete Wertermittlungsmethoden festgelegt werden. Der Marktwert eines Unternehmens lässt sich nicht so leicht ermitteln. Ob hier aufwändige Gutachten erforderlich werden, wird sich zeigen. Der Gesetzgeber wird ein in sich stimmiges Konzept aus Bewertung und anschließender Begünstigung bestimmter Vermögensgruppen im Erb- oder Schenkungsfall erarbeiten müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht verlangt, dass Erbschaften oder Schenkungen künftig höher besteuert werden müssen. Daran wird man im anstehenden Gesetzgebungsverfahren sicherlich erinnern müssen.

fondstelegramm: Wo genau liegt dann der Knackpunkt?

Christoph Greiner: Es wird ganz wesentlich darauf ankommen, bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage Verschonungsregelungen oder Begünstigungen durch Freibeträge oder niedrigere Steuertarife festzusetzen. Der bereits vorliegende Gesetzesentwurf zur Unternehmensnachfolge beispielsweise enthält schon jetzt sehr weitgehende Regelungen zur Erleichterung von Betriebsfortführungen. Die betriebliche Erbschaftssteuer soll innerhalb von zehn Jahren schrittweise auf Null gesenkt werden, wenn das Unternehmen fortgeführt wird und die Arbeitsplätze weitgehend erhalten bleiben. Insbesondere die Arbeitsplatzklausel ist so noch nicht ganz glücklich und steht daher zu Recht in der Kritik. Am Beispiel Betriebsvermögen zeigt sich aber sehr gut, dass die Entscheidung der Verfassungsrichter nicht unbedingt negative Konsequenzen haben muss.

fondstelegramm: Wie sollten die Initiatoren jetzt konkret verfahren?

Christoph Greiner: Die Entscheidung hat zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Auswirkungen auf die Anleger geschlossener Fonds. Für Schnellschüsse besteht entsprechend kein Anlass. Emissionshäuser werden sicherlich die Frage stellen, ob Prospektnachträge für Fonds im öffentlichen Vertrieb erforderlich sind. Solange noch nicht endgültig klar ist, wohin die Reise geht, ist es dazu meiner Ansicht nach zu früh. Da viele Initiatoren gerade zum Jahresanfang ohnehin Schreiben an die Anleger verschicken, sollte ein Hinweis auf die aktuelle Situation und mögliche Auswirkungen geprüft werden.

Herr Greiner, vielen Dank für das Gespräch.