Redakteure der WELT haben den ehemaligen Fondsvertrieb und Initiator, Gründer und Eigentümer von dima24.de aufgespürt und zu einem Interview bewegen können. Nach eigenen Angaben hat er, bevor er 2014 festgenommen wurde, innerhalb weniger Jahre 2,3 Milliarden Euro bei mehr als 200.000 Anlegern eingesammelt. Während im Markt der Beteiligungsmodelle die Zahlen längst rückläufig waren – bei Hartwieg lief′s.

Mit sicherem Gespür für Begehrlichkeiten, bot er Erneuerbare Energie in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Öl in Texas oder Gold in Kanada an. Seine Anbieter- und Vertriebskollegen waren hin- und hergerissen, ihm einerseits den Platzierungserfolg zu neiden, ihn andererseits für den Ausverkauf der Branche zu verdammen, weil er immer noch haarsträubendere Produkte entwickelte und vertrieb.

Im Interview beteuert er, sich nichts zu Schulden kommen gelassen zu haben. Den Vorwurf, Luftschlösser gebaut zu haben, könne er nicht nachvollziehen, sagt er. Alles sei transparent gewesen. "Es gab Hunderte Seiten Exposés, Excel-Tabellen, Partner vor Ort und gesicherte Objekte". Aber dann wollte sich etwa ein Ex-Präsident einer Nationalbank der Emirate nicht mehr daran erinnern, dass er angeblich eine Garantie zusagte. Wenn Hartwieg bei der Schuldfrage auf seine Geschäftspartner Christian Kruppa und Jörg Schmolinski zeigt, fragt man sich, was da wohl überwiegt: grenzenlose Naivität oder ein Restposten strategischen Kalküls. Vielleicht war sein größter Fehler – und zugleich Schlüssel seines Erfolgs – an seine aufgeblasenen Salesstorys selber zu glauben.

Jetzt lebt er zurückgezogen und bescheiden im Kreise seiner Familie, weiß nicht wo das viele Geld abgeblieben ist, sieht sich selbst als Betrugsopfer und würde mit der Staatsanwaltschaft kooperieren, wenn die ihn nur vernehmen würde. Hätte man lediglich den abgedruckten Wortlaut des Interviews vor sich – man würde ihm kein Wort glauben.

Aber dann ist da noch das neue Foto von ihm: War einst ein Bärtchen wie ein Lidstrich über seiner Oberlippe Signum seiner lou-bega-haften Erscheinung einer nicht enden wollenden Party, so sitzt er jetzt erdverbunden im Holzfällerhemd mit ausgemergelten Gesichtszügen und einem ergrauenden Vollbart als asketischer Eremit.

Man starrt das Bild an und fasst es nicht.

Eine gute Woche wünscht
Tilman Wether