Frau Fricke, Herr El Mallouki, die Crowdfundingbranche hat sich in den vergangenen zwei Jahren kräftig ausdifferenziert - wo stehen wir? Werden die jungen Wilden zahm?
Uli W. Fricke: Die Branche hat in den vergangenen Jahren sehr wichtige Entwicklungsschritte genommen: die Regulierung im Rahmen des Kleinanlegerschutzgesetz hat für einen zuverlässiges regulatorisches Umfeld gesorgt, auf das sich Investoren, Unternehmen und Plattformen verlassen können. Die Crowdfundingbranche ist weiter gewachsen.

Jamal El Mallouki: Im internationalen Vergleich können wir allerdings feststellen, dass Deutschland im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn deutlichen Aufholbarf hat. In Großbritannien wurden in 2016 85,44 Euro pro Einwohner investiert, in Deutschland im gleichen Zeitraum nur 3,89 Euro pro Einwohner. Das Marktvolumen in Europa betrug ingesamt 7,67 Millarden Euro, davon entfiel ein Betrag von 321,80 Millionen Euro auf Deutschland. Das macht deutlich, dass in Deutschland noch viel Wachstumspotential für die Finanzierung von Unternehmen und Projekten über Online-Plattformen vorhanden ist.

Welche Prognosen gibt der Verband?
Uli W. Fricke: Die Branche ist gut aufgestellt, um das vorhandene Wachstumspotential zu nutzen. Der regulatorische Rahmen und der starke Fokus auf Transparenz für Investoren durch den Bundesverband Crowdfunding haben ein Umfeld geschaffen, in dem sich die vorhandenen Marktteilnehmer weiterhin positiv entwickeln können. Gleichzeitig ist es interessant geworden für etablierte Teilnehmer des Finanzmarktes, eigene Angebote im Bereich Crowdfunding zu entwickeln. Davon werden wir in absehbarer Zeit einige sehen.

Sie verfolgen als Lobbyverband aufmerksam die Diskussionen in der Politik zum Thema Crowdfunding. Welche Forderungen und Hoffnungen haben Sie da?
Uli W. Fricke: Die Kapitalmarktunion hat bewusst die Kapitalbeschaffung für Unternehmen, und hier insbesondere für die innovativen kleinen und mittelständischen Unternehmen erleichtert. Es wäre sehr wünschenswert, dass diese Verbesserungen aus Sicht der Unternehmen auch im Kleinanlegerschutzgesetz umgesetzt werden. Hier wäre beispielsweise eine Erhöhung des Maximalbetrages auf EUR 8 Millionen sowie eine Inkludierung von GmbH Anteilen hilfreich.

Jamal El Mallouki: Parallel hat sich die EU dem Thema Crowdfunding zugewendet. Eine einheitliche europäische Regulierung für Crowdfunding wäre sehr begrüßenswert. Wir sehen hier jedoch viele Herausforderungen darin, die momentan sehr unterschiedlichen Standards in Europa unter einen Hut zu bringen.

Welche Stellenwert nimmt der Offline-Vertrieb mittlerweile bei Ihren Mitgliedern ein?
Jamal El Mallouki: Das unterscheidet sich deutlich von Mitgliedsplattform zu Mitgliedsplattform. Noch gibt es keine marktgängige Lösung, wie man bestehende Finanzanlagenvermittler in das Plattformgeschäft optimal einbindet. Aktuell binden einige unserer Mitglieder den Offline-Vertrieb als Tippgeber ein - hier sehen wir jedoch noch ein Entwicklungspotential. Es besteht jedoch noch Aufklärungsbedarf, sowohl bei unseren Mitgliedern als auch beim „Offline-Vertrieb“ welche Kooperationsmodelle geeignet wären.

Das Interview führten wir mit mit Uli W. Fricke (stellv. Vorsitzende) und Jamal El Mallouki (Vorsitzender) vom Bundesverband Crowdfunding.

Treffen Sie beide zum direkten Gespräch beim Symposium Sachwerte digital am 27.9.2018 in Frankfurt. Hier geht´s zur Anmeldung.