Nicht nur die Zahl neuer Themenfonds nimmt rasant zu, auch die Schar der Anbieter, die entsprechende Produkte auflegen, wird immer größer. Grund genug für ein Gespräch mit Pictet Asset Management, zählt die Investmentsparte der Genfer Privatbank doch zu den wenigen Adressen, die den Themenfonds auch in schwierigeren Zeiten die Treue gehalten hat. Walter Liebe arbeitet seit mehr als zehn Jahren für den Asset Manager – lange Zeit als Investmentspezialist, seit April vergangenen Jahres dann als Leiter des Vertriebs über Intermediäre in Deutschland.


Herr Liebe, Themenfonds sind gefragt wie nie. Ihr Haus ist eines der wenigen, das schon seit einem Vierteljahrhundert thematische Investments anbietet. Profitieren Sie von dem Trend? Oder werden Sie links und rechts von neuen Herausforderern überholt?

Walter Liebe: Auch wir profitieren deutlich vom Trend zu thematischen Investments. Um eine Zahl zu nennen: Vor vier Jahren verwalteten unsere Themenfonds noch 15 Milliarden US-Dollar, mittlerweile sind es 68 Milliarden US-Dollar. Wahrscheinlich könnte es noch mehr sein, aber wir haben uns bewusst dazu entschieden, für manche Fonds kein Geld mehr anzunehmen, um unsere Investmentstrategie nicht aufweichen zu müssen, weil das die Performance verwässern würde. Deshalb sind drei unserer Themenfonds aktuell im Softclose: Pictet-Water, Pictet-Security und Pictet-Robotics. Davon profitieren wiederum andere Anbieter, die ihre Produkte offenhalten und den einen oder anderen Euro einsammeln, den wir nicht annehmen.

Schwingt da ein gewisser Groll mit?

Liebe: Nein, wir gönnen das unseren Mitbewerbern. Die Konkurrenz stört uns nicht, sie verbreitert ja auch den adressierbaren Markt. Uns ist einfach daran gelegen, thematische Investments seriös zu managen. Wir möchten keine Anleger anlocken, die einen Fonds nur wegen der tollen Performance der vergangenen zwölf Monate kaufen. Die sind beim nächsten Börsenabschwung nämlich wieder weg.

Blicken Sie nicht neidisch auf den einen oder anderen ETF-Anbieter, der mit seinen Themenfonds in kürzester Zeit Milliarden einsammelt?

Liebe: Das sind völlig verschiedene Marktsegmente. Die ETF-Anbieter lancieren mitunter sehr schnell ein Produkt, das auf eine bestimmte Nische abzielt. Für Anleger, die genau wissen, was sie möchten und die sich entsprechend mit dem Timing auskennen, kann das ein sehr attraktives Investment sein. Sie müssen aber auch rechtzeitig aussteigen, wenn es wieder runter geht. Unser Ansatz ist ein ganz anderer: Wir lancieren Fonds, die breit genug aufgestellt sind, um über verschiedene Phasen eines Konjunktur- und Börsenzyklus flexibel zu bleiben.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Liebe: Wasserstoff als Fondsthema wäre uns deutlich zu eng. Die Kurse sind rasant gestiegen, Anleger haben mit den entsprechenden Aktien viel Geld verdient. Aber das wird nicht ewig so weitergehen. Wir können im Pictet-Clean Energy mal deutlich auf den Wasserstoffsektor setzen, das Engagement aber auch null fahren, um stattdessen beispielsweise Photovoltaik-Aktien zu kaufen. Dank dieser Flexibilität ist es möglich, einen Themenfonds nicht nur ein paar Jahre anzubieten, sondern über mehrere Zyklen. Schließlich geht es beim thematischen Investieren, bei dem Megatrends statt kurzfristiger Hypes im Fokus stehen, darum, Geld wirklich langfristig anzulegen. Das wird mit vielen der Nischen-ETFs, die jüngst auf den Markt kamen, nicht gelingen.

Morningstar hatte im vergangenen Sommer generell bemängelt, dass viele Themenfonds schnell wieder vom Markt verschwinden: Von weltweit rund 1.400 solcher Produkte, die das Analysehaus weltweit erfasst hatte, wurden schon mehr als 420 liquidiert.

Liebe: Viele Produkte, die mit heißer Nadel gestrickt wurden, konnten eben die Erwartungen nicht erfüllen, wurden nie groß genug oder waren nach einem kurzen Hype schnell wieder so klein, dass sie wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben waren. Wir dagegen haben in den vergangenen 15 Jahren bloß drei Fonds umpositioniert – also nicht geschlossen, sondern nur thematisch neu ausgerichtet. Alle anderen Themen funktionieren nach wie vor. Wir investieren im Vorfeld aber auch entsprechend viel Arbeit. Es hat beispielsweise zwei Jahre gedauert, bevor wir Ende November den Pictet-Human lanciert haben, unseren ersten neuen Themenfonds seit 2018. Bei manchem ETF vergehen von der Idee bis zur Auflage nur wenige Monate. Es gibt aber einen weiteren Grund, warum wir beim thematischen Investieren besonders davon überzeugt sind, dass aktives Management unumgänglich ist.

Der wäre?

Liebe: Ein aktiver Manager kann Veränderungen antizipieren, ein Indexfonds nicht. Das ist bei thematischen Investments besonders wichtig, weil die Anleger dabei ja noch weiter in die Zukunft blicken als sonst. Es geht darum, künftige Entwicklungen korrekt zu prognostizieren. Ein sauber konzipierter Index kann vielleicht den Status quo gut abbilden, beispielsweise wenn es um die Frage geht, welche Unternehmen heute schon viel Umsatz in einem zukunftsträchtigen Sektor erwirtschaften. Doch die künftigen, strukturellen Wachstumstreiber eines Unternehmens kann er nicht unbedingt erkennen. Daher gehen einige ETF-Anbieter auch zu einem "aktiven Indexing" über, was eine Zwischenform ist.

Warum kommen Themenfonds seit geraumer Zeit überhaupt so gut an? Ist das ein spätzyklisches Phänomen nach dem Motto: Die Börsen sind schon so weit gelaufen, jetzt brauche ich ein besonders wachstumsträchtiges Thema, um noch Chancen auf weitere Kursgewinne zu haben?

Liebe: Das war um die Jahrtausendwende und vor der Finanzkrise 2008 der Fall – damals verzeichneten Themenfonds ebenfalls einen Boom. Aktuell trifft das aber nicht zu. Vielmehr ist es so, dass viele Themen stärker als je zuvor in der öffentlichen Diskussion angekommen sind, auch weil die Menschen mitunter direkt von ihnen betroffen sind. Da geht es um Schlagwörter wie Digitalisierung, Robotik oder die Energiewende, um nur einige zu nennen. Die Menschen merken, dass sich in ihrem Leben wirklich etwas verändert, und reagieren darauf auch mit ihrer Geldanlage. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass mit Blick auf die dauerhaft niedrigen Zinsen kein Weg an Aktien vorbeiführt.

Bei der Vermarktung hilft sicherlich, dass die Berater eine gute Investmentstory erzählen können.

Liebe: Das stimmt. Allerdings ist es nicht so, dass ein Thema weniger valide ist, nur weil die Story intuitiv einleuchtet. Die Megatrends, auf die wir bauen, sind theoretisch gut unterfüttert, es gibt viele seriöse Forschungsarbeiten dazu. Das ist weniger Marketingstory, als man gemeinhin glaubt. Die Unternehmen, in die unsere Themenfonds investieren, bieten für die Herausforderungen der Zukunft echte Lösungen an.

Das klingt alles plausibel. Auf der anderen Seite ist der Manager eines breit investierenden, globalen Aktienfonds ja nicht blind auf diesem Auge. Auch er kennt die Megatrends und ahnt, welche Unternehmen davon profitieren sollten. Warum braucht es dann Themenfonds?

Liebe: Der Blickwinkel ist ein anderer. Hinter dem Themenfonds steht ein Spezialist, hinter dem breit investierenden Portfolio ein Generalist. Wir haben pro Thema zwei bis fünf Manager, die absolute Experten auf ihrem Fachgebiet sind. Das decken sie dann global über alle Länder und Sektoren hinweg ab, bleiben aber ihrem Thema – etwa der Energiewende – treu. Für den Generalisten ist die Energiewende dagegen nur ein Aspekt von vielen, den er beim Aufbau seines Portfolios berücksichtigt. Er wird neben sehr chancenreichen, aber entsprechend riskanten Aktien von Profiteuren der Megatrends auch Titel kaufen, die eine gewisse Stabilität ins Portfolio bringen. Letztlich eine Frage der Anlegerpräferenz, ob man thematisch investieren möchte oder nicht. Es ist bestimmt nicht ratsam, ausschließlich auf Themenfonds zu setzen. Aber als Beimischung können sie ein Depot sicherlich bereichern.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)