"Das uns zugestellte Urteil, in dem die Klage eines Anlegers gegen eine Wertpapierfirma abgewiesen wurde, wird die zahlreichen Vermittler von Lehman-Produkten freuen. Das Handelsgericht Wien stellt nämlich fest, dass die Anforderungen an einen Anlageberater nicht überspannt werden dürfen. Der Berater musste den Kunden auf das Risiko der nicht vorhersehbaren Insolvenz der Lehman Brothers nicht hinweisen. Diese Rechtsansicht dürfte sich, ausgehend von Deutschland nun auch in Österreich durchsetzen", so fasst Mag. Christian Lenz, Rechtsanwalt in der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos das Urteil zusammen. Brandl & Talos vertraten im gegenständlichen Verfahren die beklagte Wertpapierfirma gegen die andrängenden Gläubiger.

 

Ein kurzer Rückblick: In zahlreichen, weltweit vertriebenenen Anlageprodukten garantierte die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers, dass am Ende der Laufzeit das eingesetzte Kapital an den Anleger zurückgezahlt wird. Infolge der Finanzkrise stellte die Bank am 15. September 2008 den Insolvenzantrag. Zahlreiche Investoren müssen befürchten, ihr eingesetztes Kapital nicht zurückzubekommen. Aus diesem Grund versuchen einige Anleger, ihre damaligen Vermittler in die Haftung zu nehmen. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind zahlreiche Gerichtsverfahren anhängig.

 

Die zentralen Fragen in diesen Verfahren sind: Musste der Berater auf das mögliche Insolvenzrisiko hinweisen? Und hätte der Anleger das Produkt nicht auch gekauft, wenn er auf die Person der damals top-gerateten Garantiegeberin und auf das damals unwahrscheinliche Insolvenzrisiko hingewiesen worden wäre?

 

Auf beide Fragen gab das Handelsgericht Wien in dem vorliegenden Urteil eine Antwort. Zur Frage der Kausalität meinte das Gericht, dass für den Kläger zum Zeitpunkt seiner Investition die Person der Garantiegeberin keine so große Rolle gespielt habe und er die Investition jedenfalls auch bei Wissen, dass die Garantiegeberin Lehman Brothers war, getätigt hätte. Eine Hinweispflicht auf das Insolvenzrisiko wurde vom Gericht verneint. Es räumte zwar ein, dass ein Anlageberater neben den speziellen Risiken einer Veranlagung auch über die allgemeinen Anlagerisiken zu informieren habe. Dabei sei jedoch - so das Gericht - die Grenze des Zumutbaren und Vorhersehbaren zu beachten. Die Informationspflicht könne nicht so weit gehen, dass im vorliegenden Fall auch die ausdrückliche Aufklärung über das Risiko einer - kaum vorhersehbaren - Insolvenz der Emittentin und der Garantiegeberin umfasst wäre, zumal ein gewisses Verlustrisiko aufgrund einer Insolvenz eines Unternehmens jeglicher Veranlagung inne ist.

 

Das vorliegende Urteil ist nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob der Kläger eine Berufung erheben und wie dann das Oberlandesgericht Wien entscheiden wird. "Dennoch ist die Entscheidung ein Lichtblick im Rahmen unseres Kampfes für die Finanzdienstleistungsindustrie gegen Anleger, die glauben auf Kosten der Berater spekulieren zu können", meinen die Juristen von Brandl & Talos.