Auch wenn viele Österreicher sich inzwischen an Aktien und Investmentfonds heranwagen: Der Nachholbedarf von Kapitalmarktinvestments gegenüber Sparbuch oder Festgeld bleibt hoch. So sind in diesem Jahr erneut Rekordsummen in die Sparanlagen geflossen – schließlich ziehen die in den vergangenen 18 Monaten deutlich gestiegenen Zinsen. "Allerdings ist es gerade für die langfristige Anlage wichtig, auf die Kraft des Kapitalmarkts zu setzen, um reales Kapitalwachstum zu ermöglichen – auch wenn aktuell das Tagesgeld umso verlockender ist", erklärt Markus Sevcik, Senior Client Advisor bei J.P. Morgan Asset Management.

Die Gründe, warum zahlreiche Österreicher sich nicht so richtig an Aktien, Fonds, ETFs & Co. herantrauen, sind zahlreich. Wie das "Finanzbarometer 2023 – Österreich", eine repräsentative Befragung unter 1.000 Frauen und Männern in Österreich durch J.P. Morgan Asset Management, zeigt, ist fehlendes Finanzwissen häufig die Ursache. Dazu passt, dass die Mehrheit der Befragten in Österreich ihr Finanzwissen höchstens als "befriedigend" einschätzt. Um die finanzielle Bildung in der Republik zu verbessern, sehen die Österreicher vor allem die Schule, aber auch Eltern in der Pflicht. Aber auch das Prinzip "Learning by doing" wird als erfolgversprechend angesehen. "Es ist wichtig, schon frühzeitig ein Verständnis von Finanzen zu entwickeln. Schule und Eltern spielen dabei eine zentrale Rolle. Doch es ist auch sinnvoll, bereits in jungen Jahren erste eigene praktische Erfahrungen zu sammeln", erklärt Sevcik. 

Fehlendes Wissen führt zu Ängsten
Als Hauptgrund, nicht zu investieren, führt ein Drittel der Befragten fehlende finanzielle Mittel an. Die Umfrageteilnehmer glauben, dafür zu wenig Geld zu haben. Es folgen mit 31 Prozent die Angst vor Schwankungen und damit verbundene mögliche Verluste. Dann kommen mit 28 Prozent das fehlende Verständnis für das Thema. Aus Sicht von Sevcik lassen sich diese Argumente gegen das Investieren jedoch leicht entkräften. "Fehlendes Verständnis und auch Angst vor Schwankungen sind Aspekte, bei denen es um Wissen und Erfahrungen geht. Leider wird die Komplexität der Geldanlage häufig überschätzt. Wer beispielsweise mit einem Sparplan erste Erfahrungen sammelt und dabei selbst erfährt, dass Schwankungen auf längere Sicht kaum ins Gewicht fallen, verliert recht schnell die Angst davor", sagt er. 

Auch die fehlende Beratung, die immerhin ein Viertel der Österreicher anführt, lässt sich laut dem Experten relativ einfach angehen: "Es gibt heute viele unterschiedliche Modelle von Finanzberatung und viele Finanzberater bieten inzwischen auch Online-Beratungen an. Dadurch lässt sich ohne allzu großen zeitlichen Aufwand finanzieller Rat einholen, was vor allem bei einer größeren Investmententscheidung sinnvoll ist", erläutert Sevcik. 

Selbstvertrauen am Kapitalmarkt ausbaufähig
Insgesamt schätzen nur 41 Prozent der Österreicher ihr Finanzwissen als sehr gut oder gut ein. Dabei wird ein großer Unterschied zwischen Frauen und Männern deutlich: Nur knapp jede dritte Frau hält ihr Finanzwissen für gut oder sehr gut, bei den Männern ist es immerhin jeder Zweite. Interessant sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen: Die jüngere Generation hält sich im Vergleich aller Altersgruppen für am besten im Bilde über Finanzen: 47 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sehen ihr Finanzwissen als sehr gut oder gut an – bei den 35- bis 44-Jährigen, die sich in dieser Lebensphase sehr intensiv mit Vermögensaufbau oder Immobilienerwerb beschäftigen dürften, sind es nur 41 Prozent.

Als beste Maßnahme zur Verbesserung der finanziellen Bildung denken 48 Prozent der Österreicher, dass Finanzwissen als Fach in der Schule vermittelt werden sollte. Rund vier von zehn Befragten gaben an, dass Eltern ihren Kindern den Umgang mit Geld nahebringen sollten. Und auf dem dritten Platz sind Banken, Sparkassen und Finanzberater/-innen aufgerufen, mit Informationsmaterialien die Finanzbildung in Österreich zu verbessern.

Selbst Initiative ergreifen
Auch eigeninitiatives praktisches Vorgehen – also "Praxis statt Theorie" durch Anlage kleiner Beträge –, finden rund ein Fünftel der befragten Österreicher sinnvoll, ebenso wie sich selbst mit Büchern oder Videos schlau zu machen. Informationsangebote rund um das Thema Geldanlage gibt es inzwischen auch in vielen klassischen Medien oder von Bloggern und "Finfluencern". Allerdings gibt es hier große Unterschiede bei den Präferenzen, mit welchen Informationskanälen die verschiedenen Altersgruppen ihre finanzielle Bildung verbessern möchten. Während von 18- bis 24-Jährigen immerhin 15 Prozent Blogger und Finfluencer für relevant halten, setzen die Befragten zwischen 25 und 55 zumeist auf Eigeninitiative mit Büchern oder Videos. Die Gruppe ab 55 wünscht sich dagegen Informationen der Banken, Sparkassen und Berater. 

Dass die Offenheit bei jungen Menschen für den Kapitalmarkt noch nicht da ist, wo sie sein könnte, zeigt ein Blick auf den Besitz von Finanzprodukten: Während im Durchschnitt 63 Prozent der Menschen in Österreich ein Sparbuch besitzen, sind es in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sogar knapp 64 Prozent. Sparfreudiger sind nur die Menschen über 65 Jahren. Demgegenüber ist der Besitz von Investmentfonds oder Aktien bei den 18- bis 24-Jährigen geringer als im Durchschnitt aller Österreicher. (gp)