Seit Ende vergangenen Jahres wird in Europa wieder heftig über Pro und Contra eines Provisionsverbotes diskutiert, nachdem bekannt wurde, dass die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness erwägt, im Rahmen der geplanten Kleinanlegerstrategie der EU ein solches Verbot einzuführen – Details sollen im Mai folgen. Ein Argument der Verbotsbefürworter ist dabei, dass Provisionen die Rendite von Anlegern schmälern. Eine aktuelle Studie, die der Regensburger Professor Steffen Sebastian zusammen mit seinen Kollegen Lukas Noth und Albert Grafe erstellte, stützt dieses Argument, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.

Die drei Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler haben dafür laut der Zeitung als Basis die Entwicklung des Haushaltsvermögens in Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) untersucht. Im Rahmen dieser Analyse haben sie sechs Staaten mit Provisionsverbot für Lebensversicherungen und andere Altersvorsorgeangebote mit Ländern verglichen, in denen Provisionen erlaubt sind. Dabei kommen sie zum Schluss, dass Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot in den vergangenen Jahrzehnten durchschnittlich rund 1,7 Prozent mehr Vermögenswachstum pro Jahr erzielten.

Provisionen bedeuten Vermögensverluste
Eine Modellrechnung zeige ferner, dass die Haushalte über einen Zeitraum von 40 Jahren ein zusätzliches Vermögen von rund 50 Prozent bei Sparplänen und sogar 90 Prozent bei Einmalanlagen ansammeln. "Sparer in Ländern mit Provisionsverbot können je nach Anlagezeitraum mit fast doppelt so hohen Vermögen rechnen wie Sparer in Ländern mit Provisionsberatung", wird Sebastian in der "SZ" zitiert. Verbote gibt es in Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Australien und Dänemark. "Dass es kein Provisionsverbot gibt, führt zu deutlichen Vermögensverlusten für die Haushalte", erklärt Sebastian weiter gegenüber der Zeitung. "Bislang war das immer eine Meinungsäußerung, aber jetzt kann man das auch anhand von Fakten nachweisen."

Laut Sebastian und seinen Kollegen geht es um ordentliche Summen. Sie nennen ein Beispiel: Wenn ein Haushalt anfänglich 100.000 Euro spart und dann über 40 Jahre in einen Sparplan jährlich 1200 Euro einzahlt, dann habe der Haushalt bei einer Rendite-Differenz von rund 1,7 Prozent durch ein Provisionsverbot "rund 750.000 Euro oder 84 Prozent mehr seines durchschnittlich investierten Geldes für seine Pension zur Verfügung", so die Zeitung. Ein Provisionsverbot könne demnach zu fast doppelt so hohen Sparvermögen führen. "Der durchschnittliche Vermögensverlust ist beträchtlich, aber im Einzelfall kann er noch deutlich höher sein", so Sebastian.

Kein Wettbewerb bei Provisionen
Die drei Forscher wenden sich auch gegen einige Argumente der Provisionsbefürworter. So sei in Ländern mit Verbot die Zahl der Finanzberater nicht gesunken. Ferner sorge in Staaten mit Provisionen der Markt nicht für günstigere Konditionen bei der Anlage: Ein provisionsbasiertes System führe von vornherein zu weniger Wettbewerb zwischen den Finanzberatern – ein zentrales Element eines freien Marktes. Wenn die Beratung vom Kunden als kostenlos angesehen wird, obwohl sie es eigentlich nicht ist, seien die Verbraucher nicht gezwungen, die Anbieter zu vergleichen, argumentieren die drei Forscher laut "SZ". (jb)