Die Beratungsgesellschaft Mercer, die insbesondere institutionelle Investoren betreut, hat in einem Thesenpapier den Vorteil eines aktiven Ansatzes bei Faktor-Investments hervorgehoben. Die Consultants verwiesen dabei auch auf die Gefahren der passiven Geldanlage. Doch gegen diese Sicht regte sich Widerspruch. Das französische Edhec Risk Institute kritisiert den Mercer-Report und arbeitet in einem Gegenpapier Punkt für Punkt die Argumente ab.

Das Faktor-Modell erfuhr zuletzt eine wachsende Popularität. Anstatt nach klassischen Branchen oder Sektoren sollen hierbei bestimmte Merkmale von Unternehmen zu Prämien bei der Rendite führen. Zu den Auswahlgrößen zählen etwa Marktkapitalisierung (Size), Buchwert (Value) oder Momentum. Zuletzt wurden diese Erkenntnisse aus der finanzwissenschaftlichen Forschung genutzt, um alternative Indizes zu bauen und entsprechende Produkte anzubieten, etwa Smart- oder Strategic-Beta-Indexfonds.

"Eine Schande" für ein Experten-Haus
Die Wissenschaftler aus Nizza kritisieren den Mercer-Bericht scharf. Ihrer Ansicht nach
sei der Report ein Beispiel für die Vielzahl an nicht belegten Meinungen zu Faktor-Investments. Solche Äußerungen würden Investoren "falsch informieren". Viele seriöse, wissenschaftlich fundierte Publikationen würden den Faktoren-Ansatz unterstützten und auch auf dessen Grenzen hinweisen. Dagegen sei es "eine Schande", wenn ein Experten-Haus wie Mercer nicht belegte Meinungen verbreite und voreilige Schlussfolgerungen ziehe, die wegen der Stellung von Mercer als Investmentberatungsfirma erhebliche Folgen für Anleger haben.

So schrieben die Mercer-Profis etwa: "Wir glauben, dass uneingeschränkte, aktive Strategien das höchste Potenzial aufweisen, um auf intelligente Weise Faktor-Prämien zu vereinnahmen." Dem halten die beiden Autoren, die Professoren Frédéric Ducoulombier und Noël Amenc, entgegen: "Jeder darf glauben, was er will. Aber Investoren würden mehr davon profitieren, wenn so ein Glaube auf wissenschaftlicher Forschung fußt." So sei es durchaus möglich, Faktor-Strategien zu konstruieren, die in die Systematik eines Index übertragen und auch als Anlageinstrument eingesetzt werden können.

"Das ist wohl ein Tippfehler"
An manchen Stellen kontern die Franzosen die Mercer-Argumente mit Humor. So schrieb die Beratung, dass aktive Multi-Faktor-Strategien eine günstige und transparente Option seien. Dass die Worte "aktiv", "günstig" und "transparent" in einem Satz vorkommen, müsse wohl ein Tippfehler sein, unken die Professoren.

Das Edhec Risk Institute beschäftigt sich seit längerem mit Smart-Beta-Investments. Das Haus berechnet zahlreiche Indizes, einige davon sind auch Basis börsengehandelter Indexfonds (ETFs). Man darf gespannt sein, ob, und wie Mercer darauf reagieren wird. (ert/kb)


Wer dem akademischen Streit folgen will, der findet hier das Papier von Mercer (Anmeldung erforderlich) sowie hier die Replik der französischen Wissenschaftler.