Sanna Marin, ehemalige Ministerpräsidentin Finnlands, fordert, dass Europa seine Militärproduktion erhöht, einen EU-Verteidigungskommissar bekommt und die Ausgaben für die Nato auf die Zielmarke von zwei Prozent steigert. "Wir haben keine Wahl. Wir können uns nicht immer auf die USA verlassen. Europa muss in den Spiegel schauen und erkennen, dass es die Situation momentan nicht selbst 'handeln' kann", sagte Marin beim Amundi World Investment Forum, das Ende vergangener Woche in Paris stattfand. 

Russland habe zum einen klar gemacht, dass es keine Grenzen respektiert, und zum anderen, dass es mit dem Angriff auf die Ukraine auch die auf Regeln basierende Ordnung der demokratischen Welt infrage stellt. "Wir müssen der Ukraine alles geben, was sie braucht. Wenn sie verliert, sehen wir Generationen von Kriegen. Russland gibt nicht auf", sagte Marin und verwies auf die Großrussland-Fantasien des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir müssen Putin stoppen, was auch immer dafür nötig ist", so Marin, deren Land eine gut 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat. Die Ukraine brauche mehr Waffen. 

Investitionen zunehmend im Blick
Erwartbar ist, dass sich die zunehmenden geopolitischen Konflikte und die immer dringender erscheinende militärische Unabhängigkeit Europas auch in steigenden Investments in den Portfolios von Anlegern und Investoren niederschlagen werden. Der Krieg in der Ukraine habe das Verständnis dafür erhöht, dass Verteidigung wichtig ist, sagte Vincent Mortier, Investmentchef von Amundi. Vor zwei Jahren sei man froh gewesen über Investments in diesem Bereich, die entgegen dem drastischen Abrutsch der Märkte gestiegen sind.  

Der französische Fondsriese investiere nicht in kontroverse Waffen, schließe aber generell keine Sektoren aus, sondern verfolge einen Best-in-Class-Ansatz – es werden also jene Unternehmen in die Portfolios aufgenommen, die in der Gruppe die größten Vorzüge aufweisen. 

Grundsätzlich ESG-fit
Mortier sieht keinen Widerspruch darin, dass Verteidigung oder Rüstung in Nachhaltigkeits-Labels (ESG-Labels) aufgenommen wird. "Warum nicht? Es gibt viele Siegel in Europa, das heißt nicht, dass das Thema in allen erlaubt sein muss", so Mortier. Im neu aufgestellten französischen ISR-Label seien militärische Investitionen nicht ausgeschlossen. Wichtig sei, mit Kunden klar darüber zu kommunizieren.

Was Nachhaltigkeit betrifft, sprach sich die ehemalige finnische Ministerpräsidentin Marin ebenfalls für mehr Nachdruck beim Erreichen der Ziele aus. Bei der Bewältigung der Klimakrise oder beim Schutz der Biodiversität gebe es keine zweite Chance. Europa müsse auch an der Partnerschaft mit China oder den USA arbeiten, um hier voranzukommen.

In Finnland habe sich in der Industrie und bei anderen Unternehmen die Einstellung durchgesetzt, dass die rechtzeitige Umstellung auf grüne Energien ökonomische Vorteile hat. Wer jetzt hochklassige Lösungen schaffe, werde künftig wettbewerbsfähiger sein. Aus den Krisen der jüngsten Vergangenheit – Pandemie, Inflation, Krieg – könne man den Schluss ziehen, dass Europa besser vorbereitet sein müsse, um auf Herausforderungen reagieren zu können, so Marin. "Und wir dürfen nicht so naiv sein", sagte sie in Bezug auf die geopolitischen Konflikte. (eml)