Langweilig war der ETF-Markt noch nie. Doch derzeit herrscht besonders viel Bewegung: Invesco übernimmt Source, Comstage steht zum Verkauf, und Lyxor hat gerade die Deutsche Asset Management als zweitgrößten Anbieter abgelöst. Außerdem versuchen zahlreiche aktive Asset Manager, sich einen Teil des rasant wachsenden ETF-Kuchens zu sichern. Grund genug für einen Blick auf die jüngsten Entwicklungen – und mögliche Trends.

Ende April erreichte der Markt einen neuen Meilenstein. Erstmals verwalteten börsengehandelte Indexfonds und ähnliche Vehikel weltweit mehr als vier Billionen US-Dollar. Damit hat sich der Markt seit Ende 2012 glatt verdoppelt, zeigen Zahlen des Londoner Analysehauses ETFGI. Der weitaus größte Teil dieser Summe stammt aus den USA, auf den europäischen Markt entfallen nur 16 Prozent. Schon das zeigt, dass der alte Kontinent noch Aufholpotenzial hat.

"Gehörige Wachstumschancen in Europa"
Das sieht auch mancher Asset Manager aus den Vereinigten Staaten so, wie nicht zuletzt die Übernahme von Source durch Invesco unterstreicht. "Es ist schon interessant, dass ein US-Anbieter so massiv in den europäischen Markt investiert. Das zeigt, dass er an gehörige Wachstumschancen in Europa glaubt", sagt Arnaud Llinas, Head of ETFs & Indexing bei Lyxor Asset Management, im Gespräch mit FONDS professionell.

Auch wenn das Potenzial unbestritten ist, gilt der europäische Markt schon heute als weitgehend aufgeteilt. Der US-Riese Blackrock beherrscht mit seinen iShares-Fonds fast die Hälfte des Marktes, die Deutsche AM mit ihren Xtracker-ETFs und Lyxor kommen auf jeweils zehn Prozent. Im stark wachsenden Segment für Renten-ETFs kann Blackrock sogar fast zwei Drittel des Volumens auf sich vereinen.


In der Bilderstrecke oben hat FONDS professionell ONLINE die wichtigsten Zahlen des europäischen ETF-Markts grafisch aufbereitet – einfach durchklicken!


Obwohl die Machtverhältnisse klar zu sein scheinen, haben sich die Gewichte in den vergangenen Jahren doch spürbar verschoben. Seit Ende 2013 bis März dieses Jahres hat das Trio an der Spitze in Summe 6,3 Prozentpunkte Marktanteil eingebüßt, zeigt eine Auswertung von FONDS professionell mit Deutsche-Bank-Research-Daten (siehe Tabelle in der Bilderstrecke oben). Das Quartett dahinter, bestehend aus UBS, Amundi, Vanguard und State Street, konnte im gleichen Zeitraum 8,2 Prozentpunkte hinzugewinnen. Insbesondere das rasante Wachstum von Vanguard sticht ins Auge: Die Amerikaner haben ihre europäischen ETF-Assets auf Sicht von gut drei Jahren fast verachtfacht.

Den Anbietern ab Rang acht gelang es gerade mal, mehr oder weniger mit dem Markt zu wachsen. Dazu gehören auch Source und Invesco Powershares. Weltweit verwaltet Powershares fast 120 Milliarden US-Dollar in ETFs, was einen beachtlichen vierten Rang bedeutet. In Europa dagegen rangiert der Anbieter mit nur 2,5 Milliarden Euro auf Rang 15. Der Marktanteil liegt seit Jahren bei bescheidenen 0,4 Prozent. Durch die Source-Übernahme springt das verwaltete Vermögen in Europa auf 21,4 Milliarden Euro, der kombinierte Marktanteil beträgt immerhin 3,8 Prozent.

Beginnt nun die Konsolidierung?
Ist die Fusion von Source und Powershares nun der Beginn eines Konsolidierungstrends in der Branche? Zumindest ein weiterer Übernahmekandidat steht schon fest: Die Commerzbank hatte im Herbst angekündigt, sich von ihrer ETF-Sparte Comstage trennen zu wollen.

Detlef Glow, der das Research des Datenanbieters Thomson Reuters Lipper in der EMEA-Region leitet, bezweifelt jedoch, dass es tatsächlich zu einer Konsolidierung kommen wird. "Meiner Meinung nach ist die Übernahme eher ein Zeichen der Reife des Marktes", sagt er. Eine Übernahme sei immer eine Möglichkeit, die für das ETF-Geschäft kritische Größe zu erreichen. Darum erwartet Glow für die kommenden Jahre auch weitere Fusionen. "Die Namen der ETF-Häuser mögen sich ändern, aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Zahl der Anbieter in Europa weiter steigen wird."

"In Nischen gibt es durchaus noch Platz"
Lyxor-Chef Llinas schließt sich an. "Ich sehe keine Konsolidierung – im Gegenteil: Fast monatlich steigen neue Spieler in den ETF-Markt ein." Der Markt sei in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 20 Prozent per annum gewachsen. "Und wir haben allen Grund anzunehmen, dass dieses Wachstum anhalten wird", betont Llinas. "Da ist es nur verständlich, dass weitere Asset Manager an diesem Trend teilhaben wollen."

Allerdings ist auch klar, dass wohl kein Anleger einen weiteren ETF auf einen großen Index wie den S&P 500 oder den Dax benötigt. Dass ein etablierter Asset Manager versuchen wird, mit solchen Standardprodukten den hart umkämpften Markt zu erobern, darf deshalb als unwahrscheinlich gelten. "Für innovative Produkte und in Nischen gibt es aber durchaus noch Platz", sagt Llinas. Genau mit solchen Fonds versuchen beispielsweise Anbieter wie Fidelity, J.P. Morgan Asset Management und Franklin Templeton, im ETF-Geschäft Fuß zu fassen. (bm/hh)