Thomas Olek hat große Pläne mit seiner Firma Preos, einem Spezialisten für Büroimmobilien. "Wir wollen in den nächsten vier Jahren der größte Immobilienbestandshalter der Welt werden", sagt er Ende August in einem Zoom-Meeting mit Investoren und Interessenten. Schon in zwei Jahren werde das Unternehmen "mit Sicherheit" der größte oder zweitgrößte Immobilienbestandshalter Deutschlands sein. Olek schreckt nicht vor großen Vergleichen zurück: "Ich sehe uns als Tesla der Immobilienbranche", sagt er seinen Zuhörern.

Schon in einem Investoren-Call wenige Wochen zuvor hatte Olek auf Erfolgsunternehmen wie Apple oder Tesla Bezug genommen. "Der Steve Jobs oder Elon Musk, das sind Visionäre, genau wie ich ein Visionär bin", sagt er da. Sein "Lebenswerk" sei es, die Preos zu "einem der 100 größten Unternehmen der Welt" zu machen.

Damit Olek sein ambitioniertes Ziel erreichen kann, muss die Preos schnell wachsen – und dafür braucht sie Kapital. Um dieses trotz Corona-Krise einzuwerben, haben Olek und seine Kollegen ein Konzept ersonnen, das als ungewöhnlich, wenn nicht gar als einzigartig gelten darf: Sie verkaufen Preos-Aktien aus dem Bestand der Großaktionärin Publity, deren Vorstandschef Olek ist, an Großinvestoren und Privatanleger. Das so eingeworbene Geld möchte die Publity wiederum über Kapitalerhöhungen in die Preos stecken. Die Anleger erhalten 15 Prozent Rabatt auf den Xetra-Schlusskurs des vorangegangenen Freitags, müssen sich im Gegenzug aber verpflichten, die Aktien mindestens ein Jahr zu halten.

MIG-Fonds-Initiator Alfred Wieder als Moderator
Schon dieses Konzept klingt alles andere als alltäglich. Noch ungewöhnlicher wird es, wenn man sich das Vertriebsmodell vergegenwärtigt: Um Anleger zu werben, bedient sich Publity unter anderem Tippgebern. Sie erhalten Olek zufolge sieben Prozent des Verkaufspreises als Provision. Weitere 2,5 Prozent verbleiben bei den Unternehmen, die den Vertrieb organisieren.

Eines dieser Unternehmen ist die MyMo AG aus dem schweizerischen Oberägeri im Kanton Zug. Spätestens seit Mai finden mehr oder weniger regelmäßig mittwochabends Zoom-Meetings statt, in denen Olek Anlegern, Tippgebern und Interessenten erläutert, warum die Preos-Aktie "im Endeffekt" das ist, "was jeder braucht" (Zitat aus dem Call vom 5. August). Moderiert wurden respektive werden diese Webinare von Alfred Wieder und seinem Bruder Karl-Heinz.

Alfred Wieder ist vielen in der Branche bekannt, er initiierte einst die MIG-Fonds, von denen jüngst einige dank ihrer Beteiligung am Impfstoffentwickler Biontech große Erfolge feiern konnten. Auch sein Bruder Karl-Heinz Wieder arbeitete lange für das Emissionshaus hinter den MIG-Fonds. Fragen von FONDS professionell ONLINE zu ihrer genauen Rolle bei MyMo und zum Tippgebervertrieb wollten sie nicht beantworten. Auch MyMo reagierte nicht auf eine Anfrage der Redaktion.

MyMo schaltet Anzeigen über Vermittler-Newsletter, die mit "Machen Sie Ihre Kunden Glücklich!" überschrieben sind – glücklich mit großem G. Den Einstieg ins "Kontaktmanagement für ein deutsches, börsennotiertes Immobilienunternehmen" bewirbt die Gesellschaft unter anderem mit folgenden Argumenten: "attraktive Rendite für Ihre Kunden, attraktive Provision mit wöchentlicher Abrechnung, kein Protokoll, kein aufwendiger Zeichnungsschein, kein Taping".

"Die Verkäufe fanden in einem Rahmen statt, in dem kein Wertpapierprospekt nötig war"
Ende November legte die Publity einen 479 Seiten dicken Wertpapierprospekt für das Umplatzierungsangebot vor. Bis zu 14 Millionen Preos-Aktien aus dem Publity-Bestand sollen binnen zwölf Monaten verkauft werden, dadurch würde der Anteil von Publity an Preos von aktuell knapp 90 auf gut 25 Prozent sinken. Das öffentliche Angebot gilt nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich.

Doch warum gab es davor keinen Prospekt? Ein solches Dokument muss schließlich jeder vorlegen, der in Deutschland Wertpapiere öffentlich anbietet. Fehlt der Prospekt, droht eine empfindliche Geldbuße. Außerdem können die Käufer dann vom Anbieter ihren Einsatz zurückverlangen. Es gibt zwar Ausnahmen von der Prospektpflicht, beispielsweise wenn der Verkauf an "qualifizierte", also professionelle Investoren oder nur an einen sehr kleinen Kreis von Privatanlegern erfolgt. Bei einem Vertrieb, der offensichtlich recht breit über Tippgeber organisiert ist, drängt sich aber der Verdacht auf, dass ein Wertpapierprospekt nötig wäre. Dazu passt, dass Olek Mitte November in einem der Zoom-Meetings Folgendes sagte: "Über diese Calls, über die Vertriebe haben wir jetzt für rund 25, 30 Millionen Euro Aktien verkauft."

Im Gespräch mit FONDS professionell Anfang Dezember präzisiert Olek allerdings, dass von dieser Summe allein zwölf Millionen Euro auf einen Großinvestor entfielen, der im Juni ein größeres Paket gezeichnet habe. Weitere Anleger hätten der Publity im Rahmen dieser "Private Placements" im Sommer jeweils Aktien für 200.000 Euro und mehr abgenommen. "Im September gab es nur noch wenige Transaktionen, im Oktober gar keine mehr", berichtet Olek. Das mag auch daran liegen, dass die Preos-Aktie seit Mitte September an der Börse deutlich an Wert verloren hat. "Es gab zwar Aktienverkäufe auch an Privatanleger, diese fanden jedoch ebenfalls in einem Rahmen statt, in dem kein Wertpapierprospekt nötig war", sagt er. "Weil es aber unser Ziel ist, breitere Anlegerschichten anzusprechen, die auch kleinere Stückzahlen zeichnen, haben wir uns dazu entschieden, den Vertrieb in professionellere Hände zu geben."

Platzierungsprovision auf Anfrage offengelegt
Im Ende November veröffentlichten Wertpapierprospekt wird das Hamburger Finanzdienstleistungsinstitut Anton v. Below als Vertriebspartner genannt. Es soll als Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler dienen, die die Preos-Aktien "im Rahmen des öffentlichen Angebots vertreiben sollen", wie es im Prospekt heißt. "Dort können sich Interessenten aus der Vertriebswelt registrieren lassen, die das Geschäft nach Maßgabe des Wertpapierprospekts abwickeln möchten", sagt Olek. Seinen Plänen zufolge sollen maximal zehn "Tied Agents" angebunden werden, seines Wissens hätten sieben oder acht bereits Anträge gestellt. "Diese Tied Agents beziehungsweise das Haftungsdach können wiederum mit Tippgebern zusammenarbeiten", so Olek. Das Haftungsdach soll die Anleger gegebenenfalls auch beraten.

Beim Vertrieb über Anton v. Below liegt die Platzierungsprovision ebenfalls bei 9,5 Prozent. 2,5 Prozent sind für das Haftungsdach vorgesehen, sieben Prozent für die Vermittler. Werden Tippgeber eingeschaltet, dürfen diese mit drei bis fünf Prozent rechnen. Aus dem Wertpapierprospekt lassen sich diese Zahlen nicht entnehmen, Olek legte sie auf Anfrage der Redaktion offen.

"Eine vergleichsweise teure Kapitalmaßnahme"
Doch warum überhaupt der ganze Aufwand? Laut Prospekt beabsichtigt die Publity, den "Nettoplatzierungserlös" in die Preos zu reinvestieren, "um damit das weitere Wachstum und die weitere Entwicklung der Unternehmensgruppe (…) zu finanzieren". Außerdem sollen der Streubesitz und perspektivisch die Liquidität der Aktie erhöht werden, was künftige Kapitalmaßnahmen erleichtert. Diese Ziele leuchten ein. Aber ließen sich diese nicht viel günstiger erreichen, etwa indem mit einer Kapitalerhöhung direkt neue Preos-Aktionäre an Bord geholt werden? Zur Erinnerung: Rabatt und Platzierungsprovision summieren sich auf fast ein Viertel des Börsenwertes der angebotenen Aktien.

"Es stimmt, dass es sich um eine vergleichsweise teure Kapitalmaßnahme handelt", räumt Olek im Gespräch mit der Redaktion ein. "Doch wegen der Corona-Pandemie ist eine normale Kapitalerhöhung aktuell schlicht nicht möglich. Damit ist die Preos übrigens nicht alleine: Es gibt auch keinen anderen Büroimmobilienkonzern, der gerade Aktien oder Anleihen emittiert." Für die Umplatzierung spreche auch, dass die Preos-Aktien so über einen Zeitraum von zwölf Monaten hinweg angeboten werden könnten, was mit einer klassischen Kapitalmaßnahme nicht möglich sei.

Die Tokenisierung soll helfen, den Streubesitz zu erhöhen
Von einem anderen Plan, den Preos-Streubesitz zu erhöhen, hat Olek unterdessen wieder Abstand genommen. Mitte August hatte Publity angekündigt, den Anlegern der geschlossenen "Publity Performance"-Fonds Nr. 6, 7 und 8 im vierten Quartal ein Angebot zu unterbreiten, der Publity ihre Kommanditanteile anzudienen und im Gegenzug dafür Preos-Aktien zu bekommen. "Diesen Plan verfolgen wir nicht weiter, weil das Angebot nicht auf große Resonanz gestoßen ist. Darum haben wir ein solches Angebot aus dem entsprechenden Wertpapierprospekt noch vor der Veröffentlichung herausgenommen", sagt Olek. "Aktuell arbeitet die Kapitalverwaltungsgesellschaft der Publity weiterhin an einem Verkauf der Fondsimmobilien, um die Anleger auszahlen zu können."

Vielversprechender läuft ein anderes Projekt: Ende November brachte Publity einen "digitalen Zwilling" der Preos-Aktie auf die Blockchain. "Dabei handelt es sich weltweit um die erste Tokenisierung von Aktien eines börsennotierten Unternehmens", sagt Olek. "Dieser Umstand beschert uns global Aufmerksamkeit und wird uns dabei helfen, den Streubesitz zu erhöhen. Insbesondere Investoren aus Asien und jüngere Anleger sind sehr interessiert an tokenisierten Wertpapieren."

Auch einige Geschäftszahlen werfen Fragen auf
Ob die Aktie nun als Token vorliegt oder nicht: Ist es wirklich realistisch, dass die Preos in wenigen Jahren Deutschlands größter Immobilienkonzern und eines Tages sogar eines der 100 größten Unternehmen der Welt sein wird? Das muss wohl die Zeit zeigen. Nicht nur das Vertriebsmodell, auch einige Geschäftszahlen der Firmengruppe werfen Fragen auf (siehe den Beitrag: "Ein Blick in die Preos-Bilanz"). Sollten Oleks ambitionierte Pläne scheitern, so kann es dafür viele Gründe geben. Eines aber muss er sich sicherlich nicht vorwerfen lassen: mangelndes Engagement. Er gibt wirklich alles, um sein Lebenswerk glänzen zu lassen. (bm)