Die britische Notenbank hat offenbar in der Finanzkrise nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers private Banken dazu gedrängt, die Leitzinssätze zu drücken. In diese Richtung deuten jedenfalls Tonbandaufnahmen, die dem britischen Sender BBC zugespielt wurden.

In der Aufnahme fordert ein hochrangiger Manager der Bank Barclays einen Zinshändler auf, seine Libor-Schätzung zu senken. "Unter dem Strich werden Sie das absolut hassen, … aber wir stehen unter erheblichem Druck der Regierung und der Bank of England, unseren Libor zu drücken", sagte der Manager in dem Gespräch.

Der Leitzinssatz Libor misst – vereinfacht ausgedrückt – zu welchen Konditionen sich die Banken untereinander Geld leihen. An ihm orientieren sich Bankgeschäfte und Finanzprodukte im Volumen von Hunderten Billionen Euro rund um den Globus, darunter auch milliardenschwere Unternehmer- und Verbraucherkredite. Der Satz wird aus Meldungen der Zinshändler der Institute berechnet. Im Jahr 2011 flog der Skandal auf, als die Europäische Kommission eine Razzia bei der Royal Bank of Scotland wegen des Verdachts auf unerlaubte Absprachen bei der Bestimmung des europäischen Leitsatzes Euribor beauftragte.

Systematische Manipulation im großen Stil
Im Sommer 2012 wurde dann bekannt, das Barclays systematisch den Libor manipuliert hatte. Die Bank hatte auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 zu niedrige Liborsätze gemeldet, um eine Panik zu verhindern. Den Ermittlern zufolge sind mindestens 20 weitere Banken in den Skandal verwickelt, darunter auch die Deutsche Bank. Zahlreiche Institute einigten sich mit den Behörden mittlerweile auf Strafzahlungen, zum Teil in Milliardenhöhe. Obendrein laufen noch zahlreiche Gerichtsverfahren, in denen Anleger Schadenersatz von den Instituten fordern.

Die Affäre kostete den damaligen Barclays-Vorstandschef Bob Diamond den Job. Kurz nach dessen Abgang war schon einmal ein Telefonmitschnitt aufgetaucht. Darin forderte Paul Tucker, damaliger stellvertretende Gouverneur der Bank of England, Diamond auf, niedrigere Libor-Sätze zu melden. Dies sollte Zweifel an der Überlebensfähigkeit von Barclays zerstreuen. Beide bestritten stets, eine Manipulation des Libors beabsichtigt zu haben. Der BBC zufolge stammt die jetzt aufgetauchte Aufzeichnung vom gleichen Tag wie das Telefongespräch zwischen Diamond und Tucker. (ert)