Federated Hermes verwaltet nicht nur Fonds, sondern bietet institutionellen Investoren auch an, ihre Stimme im Dialog mit dem Management ihrer Portfoliounternehmen zu vertreten. In der Branche wird das "Engagement" genannt – englisch ausgesprochen, nicht französisch. Zuständig dafür ist das EOS-Team des Asset Managers. Die Abkürzung steht für "Equity Ownership Services" und stammt aus einer Zeit, als sich der Begriff Engagement noch nicht etabliert hatte.

Chef dieser Abteilung ist Hans-Christoph Hirt. Manchen Börsenprofis ist er mit seinen Auftritten auf Hauptversammlungen von Dax-Konzernen in Erinnerung geblieben, bei denen er für eine bessere Corporate Governance kämpfte oder die hohen Kohlenstoffemissionen kritisierte – zu einer Zeit, in der die meisten Vorstandschefs den Klimawandel noch für eine akademische Übung hielten. Die wichtigeren Gespräche finden aber hinter verschlossenen Türen statt, in denen die Topmanager ihren Geldgebern Rede und Antwort stehen müssen. Für das Interview mit FONDS professionell ONLINE tauscht Hirt die Rollen – nicht er stellt die Fragen, sondern die Redaktion.


Herr Hirt, bei der nachhaltigen Geldanlage spielt das Thema Engagement eine zunehmend wichtige Rolle: Investoren versuchen, bei Unternehmen Verbesserungen anzustoßen. Viele Anleger fragen sich allerdings, ob ein Asset Manager wirklich etwas bewirken kann. Kann er?

Hans-Christoph Hirt: Ja, und das lässt sich sogar belegen. Wir haben glücklicherweise schon vor zwölf Jahren eine Software eingeführt, in der wir alle unsere Engagements und deren Fortschritt dokumentieren. Wir nehmen uns immer konkrete Ziele vor, die wir erreichen möchten, und überprüfen die Zielerreichung mit Meilensteinen. Diese Daten haben wir Wissenschaftlern für unabhängige Studien zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass wir in der Lage sind, Veränderungen zu bewirken – und sich erfolgreiche Engagements für das jeweilige Unternehmen und die Investoren auszahlen. Vor wenigen Jahren fand ein Forscherteam beispielsweise heraus, dass die Aktien von Firmen, mit denen wir einen Engagement-Prozess durchlaufen hatten, weniger riskant sind als die Titel von vergleichbaren Unternehmen ohne einen solchen Dialog. Besonders deutlich wurde das, wenn es um Umweltaspekte ging.

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Hirt: Wichtig ist, dass es sich um ein echtes Engagement gehandelt hat, was wirklich mit viel Arbeit und Aufwand verbunden ist. Wenn wir auf einer Hauptversammlung abstimmen oder einer unserer Portfoliomanager in einem Investoren-Call eine Frage stellt, ist das für uns noch kein Engagement. Dazu braucht es ein konkretes Ziel, über das wir dann mit der Unternehmensführung diskutieren, um Veränderungen anzustoßen. Das ist nicht mit einem Telefonat erledigt, sondern da geht es um einen intensiven Austausch, oft vor Ort in persönlichen Gesprächen mit Vorständen und Aufsichtsräten. Darum bin ich skeptisch, wenn einige Asset Manager von Tausenden Engagements berichten, obwohl sie vielleicht nur zwei ESG-Analysten beschäftigen. Das ist mit so wenigen Leuten gar nicht vernünftig zu bewältigen.

Wie groß ist Ihr Team denn?

Hirt: Das Kernteam bei EOS hat 42 Mitarbeiter, die auf Engagement spezialisiert sind und über die ganze Welt verteilt arbeiten. Für erfolgreiche Engagements ist die lokale Perspektive sehr wichtig. Wir achten beispielsweise darauf, dass unsere Kollegen die jeweilige Landessprache sprechen, das Rechtssystem kennen und die Kultur verstehen. Um auf Augenhöhe über Themen wie den Klimawandel oder das Humankapital diskutieren zu können, braucht man außerdem entsprechende Expertise. Bei uns finden Sie nicht den typischen "Number Cruncher", der im Portfoliomanagement arbeitet, sondern vielmehr Naturwissenschaftler, Anwälte, Manager mit Erfahrung im Einkauf oder ehemalige Nachhaltigkeits- und Strategieberater.

Und mit wie vielen Unternehmen stand EOS im vergangenen Jahr im Engagement-Dialog?

Hirt: Mit gut 1.200. Darunter waren etliche sehr intensive Prozesse, mitunter mit zehn oder 20 Interaktionen auf höchster Unternehmensebene.

Wenn Sie so viel Arbeit investieren und die Firmen offensichtlich von dem Engagement-Prozess profitieren, ist das fast schon eine kostenlose Unternehmensberatung. Oder hinkt dieser Vergleich?

Hirt: Nein, das trifft mitunter schon zu. Wir arbeiten tatsächlich ein bisschen wie Consultants: Wir sehen sehr schlechte, aber auch sehr gute Unternehmen einer Branche. So können wir dem Vorstand oder Aufsichtsrat zum Beispiel darlegen, dass ein Wettbewerber ein spezielles Problem unserer Meinung nach besser gelöst hat und als Vorbild dienen könnte. Ein wichtiger Unterschied zum Consultant ist, dass wir von den Investoren bezahlt werden, nicht vom Unternehmen. Darum können wir kritischere Nachfragen stellen, als sich das viele Berater trauen würden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Aufsichtsrat oder Vorstand wegen seiner gehobenen Stellung oft kaum ehrliches Feedback bekommt. Wir sehen uns als Sparringspartner auf Augenhöhe, der Gedankenanstöße gibt – und, wenn nötig, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht.

Arbeiten Sie eigentlich mit den Portfoliomanagern von Federated Hermes zusammen? Oder sind die Sparten strikt getrennt?

Hirt: Aktuell sind die Flure hier im Londoner Büro natürlich relativ verwaist, aber normalerweise sitzen wir mit den Investmentteams zusammen und tauschen uns täglich aus. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Arbeit für die Portfoliomanager einen wesentlichen Mehrwert bietet. Aus den Engagements bekommen wir weitergehende Informationen, die über das einschlägige, immer retrospektive ESG-Research hinausgehen, beispielsweise wenn wir bei Vorständen und Aufsichtsräten nachbohren oder bei Besuchen vor Ort die Lieferkette in Asien kennenlernen können. Das ist, denke ich, schon ein Alleinstellungsmerkmal, das auch unserer Fondspalette zugutekommt.

Wie kam es überhaupt dazu, dass ein Vermögensverwalter wie Ihr Haus anderen Investoren anbietet, das Thema "Active Ownership" für sie zu übernehmen?

Hirt: Die Historie unseres Unternehmens reicht bis 1983 zurück. Schon unser erster Vorstandschef hatte erkannt, dass es sich lohnt, als Anteilseigner den intensiven Dialog mit den Verantwortlichen aus den Portfoliounternehmen zu suchen. Anfangs fand das nur bei britischen Unternehmen statt. Dann kam der Wunsch auf, auch in anderen europäischen Ländern aktiv zu werden. Doch ein solches Team muss erst einmal aufgebaut und dann finanziert werden. So entstand die Idee, mit anderen Investoren zusammenzuarbeiten, um sich die Kosten und den Mehrwert zu teilen. 2004 wurde EOS als eigenständige Einheit ausgegliedert. Mittlerweile haben uns mehr als 50 institutionelle Kunden damit beauftragt, sie im Engagement mit Unternehmen zu vertreten und bei der Stimmrechtsausübung zu beraten. In Summe bringen wir 1,5 Billionen US-Dollar auf die Waage.

Sie kamen vor 17 Jahren zu EOS. War es damals schon üblich, dass Aktionäre den kritischen Dialog mit der Unternehmensführung suchen? Oder galten Sie damals als Exot?

Hirt: Ich weiß noch genau, wie ich kurz nach meinem Einstieg bei EOS in Ludwigshafen anrief und einen Termin mit dem Aufsichtsratschef der BASF vereinbaren wollte. Da herrschte erstmal Schweigen in der Leitung. Später erfuhr ich, dass noch nie ein Investor nach einem Gespräch mit dem Aufsichtsrat verlangt hatte. Diese Kultur gab es damals in Deutschland schlicht nicht, anders als in Großbritannien. Dabei wählen die Aktionäre den Aufsichtsrat, also sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass beide Seiten miteinander reden. Inzwischen hat sich diese Form des Dialogs etabliert.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)