Die Dresdener Finanzgruppe um Infinus und Future Business (Fubus) hat in deutlich größerem Ausmaß undurchsichtige Versicherungsdeals getätigt als bisher bekannt. Recherchen von FONDS professionell zeigen, dass der Konzern in den Jahren seit 2006 für Hunderte Millionen Euro neue Lebenspolizzen abschloss – und damit völlig entgegengesetzt zu dem nach außen kommunizierten Geschäftsmodell agierte. Diese Geschäfte wurden mutmaßlich dazu missbraucht, um auf dem Papier überhöhte Bilanzwerte und Gewinne auszuweisen.

Informationen von FONDS professionell zufolge investierte die Fubus-Gruppe bei mindestens sechs Versicherern, darunter zwei aus Österreich: Finance Life, Wiener Städtische, Canada Life, Vorsorge Luxemburg, Gothaer Lebensversicherung und Alte Leipziger. Allein bei der Finance Life, einer Tochter der Uniqa, haben Fubus-Gesellschaften seit 2006 rund 580 Millionen Euro Prämien für Fondspolizzen bezahlt.

Anleger hatten bis zu 850 Millionen Euro investiert
Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte die Firmengruppe aus Dresden Anfang November mit einer Razzia ausgehoben. Sie ermittelt gegen mehrere Beschuldigte wegen des Verdachts auf Anlagebetrug. Sechs Topmanager und Aufsichtsräte der Fubus-Gruppe sitzen in Untersuchungshaft, weil sie in Anleiheprospekten falsche Angaben zur Ertragslage der Emittenten gemacht haben sollen. Die drei großen Emissionshäuser der Firmengruppe – Future Business KGaA, Prosavus AG und Ecoconsort AG – haben inzwischen Insolvenz angemeldet. Anleger hatten wenige Monate vor der Razzia bis zu 850 Millionen Euro in Orderschuldverschreibungen, Genussrechte und Nachrangdarlehen dieser Unternehmen investiert und befürchten nun hohe Verluste. Insbesondere in Deutschland sorgte die Causa im November für viele Schlagzeilen. Recherchen von FONDS professionell zeigten jedoch, dass der Fall bis nach Österreich reicht – zwei der Beschuldigten sind österreichische Staatsbürger, die Salzburger Staatsanwaltschaft leistete den Dresdener Ermittlern Amtshilfe.

Das wichtigste Geschäftsfeld der Fubus-Gruppe waren seit der Unternehmensgründung im Jahr 2000 nach eigenen Angaben Investments am Zweitmarkt für Lebensversicherungen gewesen: Der Konzern kaufte Versicherungskunden ihre Polizzen ab und wollte die Verträge bis zur Fälligkeit fortführen. So sollten attraktive Renditen erzielt werden. Die ausgegebenen Orderschuldverschreibungen und Genussrechte würden dazu dienen, diese Geschäfte zu refinanzieren.

Ertragsstärker als in der Realität
Es ist unbestritten, dass Fubus am Zweitmarkt als Aufkäufer von Lebenspolizzen tätig war. Allerdings nicht nur das, denn der Konzern investierte Informationen von FONDS professionell zufolge in bislang unbekanntem Ausmaß auch in neue Versicherungen. Solche Geschäfte sind wegen den damit verbundenen Kosten, etwa für Provisionen, eigentlich nicht besonders lukrativ. Investments am Zweitmarkt gelten nur deshalb als attraktiv, weil Provisionen und andere Kosten schon bezahlt wurden – dass Unternehmen am Primärmarkt investieren, ist daher unüblich. Fubus konnte die an die Versicherer bezahlten Provisionen allerdings über einen kleinen Umweg wieder kassieren: Vermittelt wurden die Geschäfte von Konzerntöchtern, in der Regel von der Infinus AG Ihr Kompetenz-Partner. Dieses Unternehmen reichte die vom Anbieter der Polizze erhaltene Provision über den Gewinnabführungsvertrag an die Konzernmutter Fubus weiter.

Die Fubus bilanzierte die Lebensversicherungen generell zu Anschaffungskosten – bei neuen Polizzen inklusive der Provisionen. Mutmaßlich sah das Versicherungsportfolio in der Bilanz auf den ersten Blick daher werthaltiger aus, als es tatsächlich war. Da die Provisionen über den Umweg der Infinus den Gewinn der Fubus erhöhten, wirkte die Gesellschaft außerdem ertragsstärker als in der Realität. In den Fubus-Jahresabschlüssen wird zwar darauf hingewiesen, dass der Rückkaufwert der Polizzen unter dem Wertansatz in der Bilanz liegt. Dass diese Differenz unter anderem durch Investments in neue, verprovisionierte Versicherungsverträge zustande kam, wird allerdings nicht erläutert. Nicht erwähnt wird außerdem, dass Infinus auch dank der konzernintern vermittelten Polizzen so hohe Gewinne an die eigene Mutter abführen konnte.

Geld fließt in Infinus-Publikumsfonds
Das System, mit dem die Fubus-Gruppe mutmaßlich Bilanz und Gewinn aufblähte, klingt nicht ganz unbekannt: Wie FONDS professionell in seiner Deutschland-Ausgabe bereits Ende September berichtete, agierte der Konzern in den Jahren 2011 und 2012 ähnlich – nur dass damals Goldsparpläne zum Einsatz kamen und keine Lebensversicherungen. Dass die Staatsanwaltschaft diese Sparplan-Deals unter die Lupe nimmt, wurde aus ermittlungsnahen Kreisen bestätigt. Ob sie auch die Geschäfte mit den Lebensversicherungen prüft, ist unbekannt. Die Pressestelle der Behörde war am Dienstagmorgen nicht zu erreichen. Zu dem laufenden Verfahren nimmt sie allerdings ohnehin seit Wochen keine Stellung.

Mit welchem Versicherer Fubus wie viel Geschäft machte, lässt sich nur schwer ermitteln. Die Alte Leipziger berichtet von der Infinus als einem "unauffälligen Vertriebspartner". Insgesamt habe Infinus eine dreistellige Anzahl von Versicherungen vermittelt, zum größten Teil an Privatkunden. Nur bei ganz wenigen Polizzen sei die Future Business KGaA selbst Versicherungsnehmer gewesen; diese Verträge seien normal gekündigt worden oder ausgelaufen. Canada Life, Gothaer und die Ergo-Tochter Vorsorge Luxemburg nehmen zu einzelnen Vertragsverhältnissen grundsätzlich keine Stellung. Aus den Geschäftsberichten der Gothaer und der Vorsorge lässt sich allerdings ablesen, dass die Infinus-Gruppe offensichtlich kein ganz kleiner Kunde war, denn bei Fondspolizzen legen die Versicherer offen, in welchen Produkten das Geld ihrer Kunden investiert ist. Bei der Vorsorge Luxemburg waren Ende Dezember 2012 insgesamt 31,2 Millionen Euro in Infinus-Publikumsfonds investiert, Kunden der Gothaer hatten 14,3 Millionen Euro in diesen Produkten angelegt.

Infinus hat seit 2009 insgesamt fünf Publikumsfonds lanciert. Drei davon werden inzwischen von DJE Kapital gemanagt. In Summe verwalteten die Fonds Ende 2012 nach Zahlen der Kapitalanlagegesellschaft Axxion 69,4 Millionen Euro. Die bei der Vorsorge und der Gothaer abgeschlossenen Verträge stehen also für zwei Drittel des gesamten Fondsvermögens. Als FONDS professionell im September die Fubus-Gruppe in Dresden besuchte, gab einer der Topmanager zu Protokoll, bei Fondspolizzen nach Möglichkeit in die eigenen Publikumsfonds zu investieren. Auf diese Weise profitiere die Gruppe selbst von den Verwaltungsgebühren, statt fremde Fondsanbieter zu bezahlen. Dass externe Privatkunden in die Infinus-Fonds investiert haben, darf dagegen als unwahrscheinlich gelten. Die Performance der meisten Fonds war lange Zeit schwach, mit laufenden Kosten zwischen 2,0 und 5,9 Prozent pro Jahr sind die Produkte außerdem recht teuer. Daher dürften die bei der Vorsorge und der Gothaer investierten 45 Millionen Euro zum ganz überwiegenden Teil aus dem Infinus-Umfeld stammen. Die Anbieter selbst äußerten sich zu diesem Punkt nicht. Die Gothaer teilte lediglich mit, seit dem Jahr 2009 kein Neugeschäft mehr mit der Infinus-Gruppe zu tätigen.

Monatsbeiträge über 100.000 Euro waren keine Seltenheit
Deutlich konkretere Zahlen gab die Finance-Life-Mutter Uniqa auf FONDS-professionell-Anfrage bekannt. Demnach hat Infinus 2004 begonnen, Finance-Life-Fondspolizzen in Deutschland zu vertreiben – zunächst nur an Privatkunden. "Im Jahr 2006 wurden erstmals fondsgebundene Lebensversicherungen zwischen Unternehmen der Infinus-Gruppe und Finance Life abgeschlossen, die laut Information der Versicherungsnehmer für sie eine ökonomisch attraktive Möglichkeit darstellten, vorhandene liquide Mittel einer Zwischenveranlagung zuzuführen", heißt es in einer Stellungnahme der Uniqa.

Von 2006 bis 2011 schloss der Dresdener Finanzkonzern rund 100 fondsgebundene Lebensversicherungen bei der Finance Life ab. 67 dieser Verträge laufen noch. Die Zahl der Verträge ist also nicht übermäßig groß, die Beitragssummen allerdings waren durchaus stattlich. Monatsbeiträge über 100.000 Euro bei langlaufenden Verträgen waren keine Seltenheit, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person gegenüber FONDS professionell. Die aus dem Infinus-Umfeld an die Finance Life bezahlten Prämien belaufen sich bis zum heutigen Tag auf rund 580 Millionen Euro, teilte die Uniqa mit. Zum Vergleich: Mit klassischen Fondspolizzen nahm die Finance Life in den Jahren 2006 bis 2012 in Summe 1,4 Milliarden Euro Beiträge ein – der Fubus-Konzern sorgte also für fast die Hälfte der gesamten Einnahmen dieses Finance-Life-Geschäftszweiges. Das aktuelle Depotvolumen der von der Fubus-Gruppe bei der Finance Life abgeschlossenen Polizzen beläuft sich derzeit auf knapp 100 Millionen Euro. Die Differenz zu den einbezahlten Prämien ergibt sich unter anderem aus Stornierungen und Depotentnahmen.

Polizzen-Portfolio wurde häufig umgeschichtet
Insgesamt standen Ende 2012 Lebensversicherungen im Wert von 321 Millionen Euro in der Fubus-Konzernbilanz. Die Zahlen verdeutlichen zum einen, dass die Finance Life zu den wichtigsten Produktgebern der Dresdener Firmengruppe gehörte, und zum anderen, dass die Fubus ihr Polizzen-Portfolio häufig umgeschichtet hat. Die mehrfach unter anderem gegenüber FONDS professionell getätigte Aussage, man investiere nur in gebrauchte Lebensversicherungen, um diese bis zum Laufzeitende fortzuführen, war offensichtlich falsch.

Die Uniqa legt Wert auf die Feststellung, dass die Geschäftsbeziehung zur Gruppe um Infinus und Fubus laufend durch interne wie externe Experten in unterschiedlichen Aspekten geprüft wurde. "Zu keinem Zeitpunkt lieferten die Prüfungen oder andere Wahrnehmungen Ansatzpunkte, die auf die nun gegenüber der Infinus-Gruppe in Rede stehenden Verdachtsmomente hingedeutet hätten", heißt es in der Stellungnahme.

Nach dem Rückzug aus Deutschland kommen Goldsparpläne ins Spiel
Die Geschäfte mit der Finance Life nahmen im Sommer 2011 ein Ende. Damals verkündete der neue Uniqa-Vorstand einen Strategiewechsel – das Unternehmen konzentrierte sich fortan auf Österreich, Zentral- und Osteuropa. Das Deutschland-Geschäft wurde aufgegeben. Zudem galt die "Zwischenveranlagung liquider Mittel", mit der die Fubus die Investments in neue Fondspolizzen gegenüber der Finance Life begründet hatte, nicht mehr als "langfristiges Kerngeschäftsfeld", so ein Uniqa-Sprecher.

Mit einigen Beteiligten konnte die Infinus-Gruppe trotzdem weiterarbeiten. Den Kontakt zur Finance Life hatte 2004 Johann M. hergestellt – einer der beiden Österreicher, die von der Staatsanwaltschaft Dresden als Beschuldigte geführt werden. Er wickelte die Geschäfte zunächst über die von ihm geführte Protected Group ab, die anders als die Uniqa bereits ein Makler-Netzwerk in Deutschland aufgebaut hatte. Später lief die Vermittlung dann über ein Joint Venture von Uniqa und Protected. M. ist auch Eigner des Edelmetallhändlers Terra Premium, über den Infinus und Future Business die nun untersuchten Goldsparplan-Geschäfte abwickelten. Der zweite beschuldigte Österreicher, René B., ist Geschäftsführer von Terra Premium und gilt auch in der Protected Group als M.s rechte Hand.

Wiener Staatsanwaltschaft geht Geldwäsche-Verdacht nach
Der Rückzug der Uniqa aus Deutschland brachte einen weiteren österreichischen Versicherer ins Spiel: die Wiener Städtische. "Die Firma Infinus ist 2012 mit dem Wunsch nach einer Zusammenarbeit an uns herangetreten. Da die Struktur des vermittelten Geschäfts nicht unseren Unternehmensusancen entsprochen hat, haben wir bereits nach nur wenigen Monaten, Anfang 2013, die Annahme weiterer Anträge eingestellt. In Summe wurden deshalb auch nur rund 90 Verträge abgeschlossen", so eine Sprecherin auf Anfrage von FONDS professionell.

Einem Bericht des "Handelsblatts" von Ende vergangener Woche zufolge haben einige dieser Geschäfte inzwischen sogar die Wiener Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, die einem Geldwäsche-Verdacht nachgeht. Mindestens 13 Polizzen wurden demnach von Infinus-Vermittlern abgeschlossen. Die Monatsbeiträge wurden wohl aus den Provisionen heraus bezahlt. Es steht die Vermutung im Raum, dass es nur darum ging, Provisionen zu kassieren – und nie die Absicht bestand, langfristig eine Lebensversicherung zu bedienen. Die Uniqa dagegen teilte mit, sie habe bislang keine Anfragen von Ermittlern aus Dresden oder Wien erhalten. Die zuständige Wiener Staatsanwältin war am Dienstagvormittag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Versicherer leiden nicht unter Insolvenzen der Infinus-Gruppe
Über ein ähnliches Geschäft hatte FONDS professionell in Deutschland schon Mitte November berichtet: In diesem Fall hatte Infinus den Vermittler Franz Brem dazu bewegt, jeweils eine Polizze bei der Finance Life und der Canada Life abzuschließen. Infinus leitete monatlich einen Teil der Provision an Brem weiter, der daraus die Beiträge zahlte und den Rest als Vergütung einbehielt (Link zum Artikel auf der deutschen Website von FONDS professionell).

Die Insolvenz zahlreicher Gesellschaften aus dem Umfeld von Infinus und Future Business trifft die Versicherer übrigens nicht hart: Für vorab bezahlte Provisionen fordern die Polizzenanbieter in aller Regel entsprechende Sicherheiten gefordert – so auch bei Infinus. "Nachdem das Neugeschäft 2011 eingestellt wurde, ist die Höhe der noch ausstehenden und vorausgezahlten Provisionen gering und zudem abgesichert", teilt die Uniqa mit. Ähnliches ist von den anderen Versicherern zu hören. Solche Sicherheiten verkleinern den Topf, aus dem die Insolvenzverwalter die Anleger auszahlen können. (bm)


Wie die Gruppe um Infinus und Future Business ihren Umsatz und Gewinn auf dem Papier mit Goldsparplan-Deals gesteigert hat, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von FONDS professionell 4/2013 oder online hier (Anmeldung erforderlich).