Leonhard Fischer arbeitete als Investmentbanker bei JP Morgan, saß im Vorstand von Dresdner Bank und Allianz. Dann lenkte er den Finanzinvestor RHJ International, bis zum Verkauf an die französische Bank Oddo, dem Eigner der Frankfurter BHF-Bank. Zusammen mit dem ehemaligen Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, Kai Diekmann, und Greiff-Capital-Vorstand Volker Schilling initiierte Fischer den "Zukunftsfonds". Damit wollen die Macher den Deutschen das Investmentsparen nahebringen. Zwei Jahre nach dem Start allerdings ist das Fondsvolumen noch überschaubar.

Fischer ist Vorsitzender des Anlageausschusses des Zukunftsfonds und erläutert im Interview, warum sich nahezu alle Anlageklassen nunmehr im Gleichlauf bewegen, welche Fluchtorte Sparern im Krisenfall noch bleiben, wie sich im Niedrigzinsumfeld noch Rendite erzielen lässt und warum sein Fonds vorerst kleiner bleiben kann.


Herr Fischer, im Corona-Crash erlitten fast alle Anlageklassen herbe Einbußen. Nur wenigen Portfoliomanagern gelang es, das Vermögen ihrer Kunden zu erhalten. Gab es kein Entrinnen?

Leonhard Fischer: Doch, das gab es schon. Nur: Das Risikomanagement hat nirgends funktioniert, sonst hätten die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank nicht so massiv an den Märkten rettend eingreifen müssen.

Was ist die Ursache dieses Versagens?

Fischer: Die Risikomanager stützen sich meist auf das Value-at-Risk-Modell. Dieses war zur Zeit seiner Entwicklung wegweisend, fußt aber letztendlich auf Daten aus dem letzten Jahrhundert. Heute funktioniert es nicht mehr aufgrund der massiven Intervention der Notenbanken und der Digitalisierung. An den Kapitalmärkten hat ein Strukturbruch stattgefunden. Anlagephilosophien, die auf dem Value-at-Risk-Modell beruhen, sind daher zum Scheitern verurteilt. Auch zuletzt zeigte sich, dass es in dem heutigen Marktumfeld nicht mehr funktioniert. Die Volatilität war lange niedrig und stieg dann exponentiell an. Das signalisierte nach dem Modell, Aktien zu verkaufen. Doch wegen der massiven Intervention der Notenbanken war das wiederum taktisch falsch.

Sie sprachen von einem Strukturbruch. Was kennzeichnet die Kapitalmärkte Ihrer Ansicht nach nun?

Fischer: Wir gehen davon aus, dass sich alle Anlageklassen nunmehr zunehmend wie Währungen zueinander verhalten. Egal ob Aktien oder Anleihen – alle sind aufgrund der Notenbank-Liquidität künstlich auf- oder abgewertet und somit miteinander zunehmend austauschbar. Keine Anlageklasse kann damit mehr als wirkliche Absicherung dienen. Alle weisen zueinander eine immer höhere Korrelation auf. Auch Staatsanleihen sind in diesem Sinne kein sicherer Hafen mehr.


Der durch die Covid-19-Pandemie ausgelöste Kurssturz entfaltete eine ungeheure Sprengkraft. Eine eingehende Analyse der Frage, ob es überhaupt noch sichere Orte auf den Kapitalmärkten gibt, finden Sie im Heft 2/2020 von FONDS professionell. Angemeldete KLUB-Mitglieder finden den Artikel auch hier im E-Magazin.


Was ist mit alternativen Investments?

Fischer: Investoren kaufen nicht mehr eine Anlageklasse, weil sie einen laufenden Ertrag abwirft, sondern weil sie hoffen, diese später wieder teurer weiterzuverkaufen. Das gilt auch für Immobilien und sogar Kunst. Die ultimative Benchmark in einer Welt, die faktisch nur aus Währungsäquivalenten besteht, ist der US-Dollar. Auch bei diesem beträgt die Rendite null Prozent. In einem solchen System ist eine Geldanlage, die nachhaltige, berechenbare Erträge erbringt, faktisch nicht mehr möglich.

Wie betreiben Sie in diesem Umfeld Risikomanagement?

Fischer: Wir haben das klassische Risikomodell praktisch auf den Kopf gestellt. Wir gehen wegen der heutigen Struktur der Märkte davon aus, dass es immer wieder zu kurzen, starken Kurseinbrüchen kommen muss – unabhängig von der Pandemie, die wir auch nicht haben kommen sehen. Aber wir sind der Überzeugung, dass in der neuen Normalität der Märkte sich Risiken genauso wenig vorhersagen lassen wie Erträge.

Wie wappnen Sie sich gegen Kurseinbrüche, wenn es keine sicheren Häfen mehr gibt?

Fischer: Wir hatten vor rund einem Jahr Gold gekauft, obwohl ich das Edelmetall eigentlich ablehne. Ich habe es immer nur als Schmuck gesehen und nie als Anlageobjekt. Unser Risikomodell hatte jedoch signalisiert, dass unsere Aktienquote wegen der niedrigen Volatilität noch zu hoch war. Bei einem Verkauf der Aktien, auch über Derivate, wäre uns jedoch deren Wertentwicklung gänzlich entgangen. Darum haben wir Gold als strategischen Ersatz-Hedge gekauft.

Zu Beginn des Kursverfalls erlitten auch Goldanleger Verluste.

Fischer: Das ist richtig. In den ersten Wochen des Kursverfalls hat Gold auch nicht als Absicherung funktioniert. Im weiteren Verlauf kletterte der Preis aber wieder. Dieser Effekt war schon in der Finanzkrise 2008 und 2009 zu beobachten. Wir hatten dies berücksichtigt und in Kauf genommen.

Verluste vermeiden ist das eine, Erträge erzielen das andere. Wie lassen sich im derzeitigen Umfeld Renditen erwirtschaften?

Fischer: Die Finanzmärkte haben nichts mehr mit einer Anlage nach marktwirtschaftlichen Prinzipen gemein. Die Notenbanken kaufen uneingeschränkt Papiere am Markt auf. Alle bislang gültigen Regeln sind über den Haufen geworfen worden. Die Fed etwa kauft Unternehmensanleihen, was sie eigentlich nicht darf. Die Geld- und die Fiskalpolitik sind in den vergangenen Wochen zu einer Einheit verschmolzen. In dieser Gemengelage gibt es keine attraktive Anlageklasse, nur eine, die am wenigsten miserabel aussieht. Aktien sind nicht schön, andere Anlageklassen sehen aber noch hässlicher aus.

Das sind keine sonderlich rosigen Aussichten für Anleger.

Fischer: Ich plädiere dafür, das Problem auch von der anderen Seite her anzugehen: den Kosten eines Investments. In diesem Niedrigzinsumfeld müssen die Kosten der Vermögensverwaltung so niedrig wie möglich gehalten werden. Damit sollte so etwas wie Ausgabeaufschläge eigentlich der Vergangenheit angehören. Da wir uns mit dem Zukunftsfonds an diesem bestehenden System nicht beteiligen, bleiben wir außen vor. Doch ich halte das Erheben von Ausgabeaufschlägen für kein seriöses Geschäftsmodell. Da bleibt der Zukunftsfonds lieber erstmal etwas kleiner, als dass wir Ausgabeaufschläge verlangen.

Vielen Dank für das Gespräch. (ert)