Am österreichischen Wohnimmobilienmarkt ist in den vergangenen Monaten sprichwörtlich kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Kreditzinsen schnellen hoch, die Vergabe bricht ein, der Traum vom eigenen Wohnsitz muss immer häufiger begraben werden.

"Manche Banken berichten uns, dass sie 2023 in den ersten Monaten Rückgänge bei der Neukreditvergabe von 70 Prozent haben", sagt Christoph Kirchmair, Geschäftsführer des Kreditmaklers Infina, in einem Artikel, der in voller Länge in der neuen FONDS professionell-Printausgabe zu lesen ist. Kirchmair erwartet heuer deutliche Preisabschläge: "Und man wird erste Notverkäufe sehen.“ Es würden vor allem Vermögende mit genug Liquidität Objekte kaufen, die sich weniger Wohlhabende trotz der Preisrückgänge immer noch nicht leisten können. "Das ist momentan der Status. Der Markt trocknet aus", so Kirchmair. Beim Wohnimmobilienpreisindex der OeNB sei ein Minus von 20 bis 30 Prozent möglich.

Vermittler bekommen Probleme
Für die Kreditmakler wird das Jahr eine Herausforderung. Es sei zu erwarten, dass einige in der Branche in andere Marktsegmente wechseln oder ihren Fokus auf Produkte wie Lebensversicherungen verlagern, so Kirchmair.

Hannes Dolzer, Obmann der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer (WKO), betont, man habe bisher noch keine Veränderung in der Kreditvermittlerstatistik ausgemacht. Der Zeitraum seit dem scharfen Einbruch im Sommer 2022 sei zu kurz, um deutliche Auswirkungen zu sehen. "Ja, wenn die Entwicklung lange so fortschreitet, werden sich manche umorientieren. Man muss aber bedenken, dass die wenigsten ausschließlich Finanzierungen machen. Rückgänge im Kreditsegment bedeuten nicht, dass der Umsatz auf null sinkt", so Dolzer. Teils würden die Umstände den Vermögensberatern sogar Zulauf bringen: Weil die Hausbank den Kredit oft ablehnt, wenden sich mehr Menschen an die gewerblichen Berater, um Alternativen auszuloten.

Aufgrund der immer schwereren Leistbarkeit von Immobilien steigt der Druck auf Politik und Regulatoren, etwas zu unternehmen. Doch die Spielräume dafür sind klein. Das lässt sich soeben an der Novelle der belastenden Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) ablesen: Die im August 2022 eingeführten strengeren Kreditvergaberegeln können trotz heftiger Proteste nur minimal abgemildert werden. Am Donnerstag (30.3.) wurde die Novellierung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es gibt darin gewisse Erleichterungen: So werden etwa Zwischenfinanzierungen im Rahmen von zwei Jahren ausgenommen und die Geringfügigkeitsgrenze von 50.000 Euro steigt in einer Partnerschaft auf 100.000 Euro. Die Behörde rüttelt jedoch nicht an den drei Hauptkomponenten, die seit August 2022 gelten: mindestens 20 Prozent Eigenmittelanteil, Schuldendienstquote von höchstens 40 Prozent des Nettoeinkommens, Laufzeit maximal 35 Jahre.

Warnung aus Europa
Für große Lockerungen sind den Auf­sehern im Prinzip die Hände gebunden. Internationale Institutionen monieren schon länger, dass Österreichs Banken die üblichen Vorsichtsstandards bei Hypothekarkrediten zu sehr strapaziert hätten. Wenn die Banken nicht achtgeben, droht sogar ein weiteres Anziehen der gesetzlichen Zügel. Diese Möglichkeit ist mit Blick auf jüngste Vergabekapriolen real: Entgegen dem Wunsch der Aufseher ist nämlich der Anteil variabel verzinster Kredite hierzulande extrem stark angestiegen. Das zeigen unlängst veröffentlichte Zahlen der EZB für den Jänner: Fast 66 Prozent der neuen Immobilienkredite an österreichische Haushalte sind variabel verzinst (entweder ganz oder mit Fixbindung bis zu einem Jahr). Vor ­einem Jahr waren es nur 30 Prozent der Neuvergaben, und schon damals klagte die FMA längst wegen des hohen Anteils.

Was vielfach überlesen wurde: Als das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) im Februar der FMA die Linderung der KIM-Regeln auftrug, mahnte das Gremium im gleichen Atemzug, dass es eigentlich schon seit März 2022 für variabel verzinste Kredite eine maximale Schuldendienstquote von 30 Prozent empfiehlt. Auf Nachfrage der Redaktion sagt das FMSG zwar nicht, wann genau es die Reißleine ziehen und das 30-Prozent-Limit zur Pflicht machen würde. Gespräche stehen jedoch an. Erste Daten der Banken dazu würden Ende des ersten Quartals 2023 vorliegen und in der nächsten FMSG-Sitzung diskutiert, heißt es aus der OeNB, die Mitglied im FMSG ist. "Der Anstieg des Anteils der variabel verzinsten Kredite vor dem Hintergrund steigender Zinsen wird vom Gremium kritisch gesehen", so OeNB-Experte Stefan W. Schmitz. (eml)


Der gesamte Artikel ist in der neuen Printausgabe 1/2023 von FONDS professionell erschienen. Darin lesen Sie unter anderem, warum die gesetzlichen Neuerungen Sanierungen fördern und die Generationenberatung wieder spannender machen.